Der Flügelflitzer:Fan-Volk gleich Wahl-Volk

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Politiker mimen den Sportfan, um Wähler zu gewinnen. In Amerika hat ein Bürgermeister sogar seinen Namen einem Football-Team angepasst. Wie reagieren die deutschen Politiker darauf?

Johannes Aumüller

Im Sport geht es um Siege, um Titel - und um Wählerstimmen. Der clevere Politiker stellt sich schon lange nicht mehr bei strömendem Regen in die Fußgängerzone, um das wahlberechtigte Volk zu überzeugen. Er hält auch keine langen Bierzelt-Reden mehr. Nein, er marschiert einfach nur schnurschracks in eines der vielen Fußballstadien dieser Welt. Weil er da unterm Dach sitzt, wenn es regnet. Weil er dort viel mehr Menschen erreicht. Und weil es so etwas, hach, Bodenständiges hat, wenn der Herr Minister und der Herr Abgeordnete gemeinsam mit dem Otto-Normal-Fan ihrer Lieblingsmannschaft zujubeln.

Angela Merkel mit dem Trikot des Bundesligisten Energie Cottbus. (Foto: Foto: ddp)

Von daher durfte die Fußball-Fachwelt in den vergangenen Monaten und Jahren unter anderem Bestaunen, wie Kurt Beck den Kaiserslautern-Schal um den Hals trug, Peer Steinbrück den von Alemannia Aachen, Angela Merkel den von Energie Cottbus. Von Theo Waigel, dem alten Löwen, und Edmund Stoiber, dem Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern, mal ganz zu schweigen.

Ganz besonders eifrig brachte sich Ex-Kanzler Gerhard Schröder unters Fan-Volk. Das Bildarchiv spuckt unter anderem aus: Schröder mit Kaiserslautern-Schal (Januar 2001), Schröder mit Cottbus-Schal (April 2001), Schröder mit Dortmund-Schal (Dezember 2002) und Schröder mit Schalke-Trikot (März 2005) - und das alles, obwohl Schröder doch als Hannover-Fan gilt. Alle anderen Bundesligisten dürfen sich wohl mit dem Hinweis trösten, dass gerade keine Kamera da war, als Schröder ein Fan-Utensil ihres Vereins trug. Und Schröder selbst musste nur noch aufpassen, dass ihm seine Doris den richtigen Schal fürs richtige Stadion bereitgelegt hatte. Nicht, dass er in seiner Stadientour aus Versehen mal mit dem Dortmund-Shirt in der Schalke-Arena auftauchte.

Nun verlangt die Schnelligkeitsphilosophie des 21. Jahrhunderts, dass nichts bleibt wie es ist, sondern alles immer noch mehr, noch schneller, noch intensiver wird - auch das öffentliche Bekenntnis zum Klub. Die Schaltrag-Phase jedenfalls ist vorbei. Der echte Fan gibt jetzt gleich seinen Namen her.

Der SPD-Politiker Thorsten Schäfer-Gümbel hat das gerade im hessischen Landtagswahlkampf vorgemacht. Als TSG kämpfte er um die Stimmen - und erinnerte mit dieser Abkürzung an den angriffslustigen, modernen und so erfolgreichen Bundesliga-Aufsteiger TSG Hoffenheim. So erklärte sich auch, warum sich TSG bei der Hochzeit mit seiner Frau Annette entschied, seinen Nachnamen vor den ihrigen zu setzen und sich nicht etwa Thorsten Gümbel-Schäfer zu nennen. TGS wäre ja wirklich furchtbar gewesen, denn TGS steht in der Sportwelt für die ganz unspritzige und unmoderne Turngesellschaft. Und zudem auch noch für Vereine wie die TGS Eschborn, ausgerechnet, denn in Eschborn wohnt bekanntermaßen Roland Koch.

Aus Ravenstahl mach Steelerstahl

Doch die Schäfer-Gümbel'sche Akronymen-Taktik bringt in der Politiker-identifizieren-sich-mit-Vereinen-Hitparade nur noch den zweiten Platz. Rang eins geht ganz klar an Luke Ravenstahl, Bürgermeister der amerikanischen Stadt Pittsburgh, der eine Idee von Radiozuhörern aufgriff, die ihm bei der nächsten Wahl mindestens zehn Prozent der Stimmen sichert. Ravenstahl passte nämlich seinen Nachnamen dem heimischen Football-Team Pittsburgh Steelers an und ließ ihn provisorisch in Steelerstahl ändern. Er wollte so den Steelers im Halbfinalspiel um den Einzug ins Super-Bowl-Finale gegen den Erzrivalen Baltimore Ravens (aber auch für das kommende Endspiel gegen die Arizona Cardinals) moralische Unterstützung mit auf den Weg zu geben.

Man muss wahrscheinlich nicht den 1. Februar, den Tag der Super Bowl, abwarten, um zu erleben, dass diese Idee auch in deutschen Wahlkampf-Zentralen auf Gegenliebe stoßen wird. In diesem Superwahljahr 2009 stehen noch 13 Urnengänge an, und damit genug Möglichkeiten, mancherlei Wahlkampfkniff auszuprobieren.

Wahrscheinlich bastelt das Konrad-Adenauer-Haus bereits an einem Plakat mit "Angela Cottbuskel", das Willy-Brandt-Haus hält mit "Franz Schalkefering" und "Frank-Walter Arminiameier" dagegen. Gut ist nur, dass sich Gerhard Schröder mittlerweile nicht mehr um die deutsche Politik, sondern ums russische Gas kümmert. Er hätte sich wahrscheinlich nicht entscheiden können zwischen Gerhard Schalker, Gerhard Borussiader und Gerhard Cottbuser.

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