Der Flügelflitzer:Dwi Yanti statt Steiner?

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Das IOC pfüft die Tauglichkeit seiner Sportarten, Asien drängelt, die deutsche Medaillenbilanz ist in Gefahr. Oder wird Krolf die Rettung bringen?

Thomas Hummel

Wer kannte vor einem halben Jahr schon Matthias Steiner? Oder Lena Schöneborn oder Ole Bischof oder Susanne Spitz oder Alexander Grimm? Und wer erinnert sich noch an sie? Gut, der Steiner war doch der mit dem Bild seiner gestorbenen Frau bei der Siegerehrung, genau, der Gewichtheber. Aber Schöneborn? Lange her.

Spektakulär, akrobatisch, asiatisch: Beach Sepak Pakraw, Fußball übers Netz im Sand, während der Asian Beach Games in Bali. (Foto: Foto: AFP)

Die Sportler Steiner, Schöneborn, Bischof, Spitz und Grimm haben unter anderen den Deutschen den August gerettet, weil sie in ihren Sportarten (hier: Gewichtheben, Moderner Fünfkampf, Judo, Mountainbike, Kanuslalom) olympisches Gold gewannen. Da durfte Johannes B. Kerner und die schwarz-rot-goldene Fähnchen-schwenk-Gemeinde im Deutschen Haus in Peking jubeln. Das tat der Seele gut.

In den sogenannten Kernsportarten konnten "unsere" (um im Kerner-Duktus zu bleiben) Besten ja nicht viel ausrichten, bis auf die schnelle Britta natürlich aus Berlin, die so schön mit Franzi zusammen geweint hat. Also ein Hoch auf die kleinen Sportarten, die sogenannten Randsportarten, die "uns" Deutsche so feiern ließen mit 41 Medaillen, davon 16 goldenen. Und ein Dank an die tapferen, weil unterbezahlten Randsportarten-Sportler.

"In" und immer mehr "in"

Doch es droht Ungemach am deutsch-olympischen Himmel. Das Internationale Olympische Komitee will alle 28 Sportarten auf ihre Olympiatauglichkeit prüfen. Es wägt dabei weniger ab, ob eine Disziplin den Idealen der gesunden und ästhetischen Körperertüchtigung entspricht, sondern ob es sich lohnt. Zu den Wertungskriterien zählen Zuschauerzahlen, Stadionauslastung, TV-Einschaltquoten, Presseberichterstattung.

Das IOC bangt offenbar um seinen Goldesel Olympia, es zweifelt, ob die Jugend der Welt sich noch für Gewichtheben, Modernen Fünfkampf, Judo, Mountainbike oder Kanuslalom interessiert. Auch Synchronschwimmer, Schützen, Amateurboxer oder Bogenschützen bangen um ihre Olympiazulassung.

Und an Sportarten, die sich vor der olympischen Tür drängeln, mangelt es nicht. Ganz besonders "in" und immer mehr "in" ist das Sporteln am Strand. Die ersten Beachboys und -girls haben es über Windsurfen und Beachvolleyball schon nach Olympia geschafft, andere wollen auch. So richtet das Olympic Council of Asia (OCA), der Dachverband aller Nationalen Olympischen Organisationen in Asien, derzeit die ersten Asian Beach Games aus. Natürlich am Kuta Beach in Bali, dem Ballermann-Strand der Australier. 3000 Athleten aus 45 Ländern kämpfen in 13 Sportarten um Medaillen, und angesichts von potentiell vier Milliarden Asiaten vor dem Fernseher (Werbekunden!) könnte das IOC durchaus weiche Knie bekommen.

Krisenstab oder Ruhe bewahren?

Für die Deutschen Häuser in aller Welt inklusive Johannes B. Kerner ergibt das ein Schreckensbild: Keine deutschen Sieger mehr im Kanuslalom oder Modernen Fünfkampf, sondern thailändische im Sepak Takraw, dem spektakulären Fußballspiel, in dem der Ball ähnlich dem Volleyball per Fallrück- und Seitfallzieher über ein Netz gebolzt wird. Keine Helden mehr namens Bischof oder Steiner, sondern namens Ni Made Dwi Yanti aus Indonesien im Pencak Silat, einer Kampfkunst mit tänzerischem Charakter. Oje! Da wird das Kabinett in Berlin mangels deutscher Medaillen nach der ersten Olympiawoche einen Krisenstab einberufen müssen.

Zur Beruhigung aller schwarz-rot-goldener Fans bleibt indes anzumerken, dass für die Olympischen Spiele 2012 lediglich der Ausschluss der Baseball- und Softballwettbewerbe beschlossen ist. Eine Minderung der Medaillenbilanz ist da nicht zu befürchten. Und auch der deutsche Sport ist nicht untätig, er holt quasi zum Gegenschlag aus.

Gerade erholen sich 18 deutsche Olympia- und Paralympicsteilnehmer auf Einladung in den Allgäuer Bergen von den Anstrengungen und der schlechten Luft in Peking. Darunter die Olympiasieger Schumann (Schießen), Boron (Rudern) und Kermas (Hockey). Neben Klettern oder Schlauchbootfahren dürfen sie sich in einer neuen deutschen Domäne (mit einem sehr deutschen Namen) üben: Krolf.

Laut Beschreibung handelt es sich dabei um eine Mischung aus Golf und Krocket (Krocket: Mischung aus Minigolf und Schmetterlingfangen im alt-englischen Gewand, Anm. d. Red), eine Art Gelände-Minigolf - und hat allerlei Vorzüge. Unter anderem: Krolf sei einfach zu lernen. Ideal für die so häufig beklagte faule deutsche Jugend, die gegen die Disziplin-Chinesen kaum mehr Land sieht.

Und so freuen sich die Deutschen Häuser dieser Welt samt Johannes B. Kerner schon heute auf den ersten deutschen Olympiasieger im Krolf. Hurra!

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