Der Flügelflitzer:Die Rad-Revolution von unten

Lesezeit: 2 min

Die böse D-Diskussion hat die Alltagsradler erreicht. Sie befürchten, das negative Image der Profis gehe auch auf sie über. Doch ein Fahrrad-Funktionär kennt einen Ausweg.

Thomas Hummel

Trotz der Globalisierung der Lebens- und Denkweisen können Reisende bisweilen seltsame Eigenarten beobachten. In Spanien etwa fällt auf, dass die Spanier ungemein lispeln. Die Bayern setzen ihre Maßkrüge nach dem Zuprosten auf den Tisch ab, bevor oans, zwoa, drei, gsuffa is. Die Chinesen spucken schamlos auf den Boden, schlurfen ihre Suppe laut und drängeln sich ungeniert vor.

So wie Judith Arndt 2004 bei Olympia in Athen gewinnt man keine Sympathien, liebe Radfahrer. (Foto: Foto: dpa)

Meist ist an derartigen Merkwürdigkeiten der Legende nach ein König schuld. In Spanien soll ein Thronfolger seinen Sprachfehler dem Volk verordnet haben, in Bayern soll einer der Ludwigs am Ende zu schwach gewesen sein, die Maß über den gesamten Prost- und Trinkvorgang zu halten. Die königstreuen Bayern setzen die Maß aus Solidaritätsgründen bis heute ab.

Plausibel klingen die Überlieferungen, weil der Mensch generell gerne seine Vorbilder nachahmt und sich mit ihnen auf diese Weise vereint. Sichtbar wird dieser Umstand derzeit auch auf deutschen Straßen, wo wie immer im Juli viele Außenposten der Tour de France pedalieren. Die Rennradfahrer werfen sich in die bunten Profi-Trikots und hecheln derart ausstaffiert über die Landstraßen, dass sie kaum von ihren Idolen zu unterscheiden sind. Und wenn man sich wie Andreas Klöden fühlt, fährt es sich eben leichter den Vorstadthügel hinauf. Doch in diesem Jahr gibt es ein Problem.

Karl von Falkenhausen, Landesvorsitzender Bayern des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), stellt in der ADFC-Rundschau an seine Mitglieder fest, dass sich "die negativen Berichte in der Presse" über Profi-Rennradler mehren. Das böse D-Wort verwendet er nicht, stellt aber die Frage: "Haben wir (Hobbyradler) mit deren Fehltritten zu schaffen?"

Seine Antwort ist geteilt. Einerseits nein: Denn "bisher braucht der Alltagsradler allenfalls Müsli und Pasta zur Stärkung, und Mut antrinken muss er sich auch nicht." (Wobei man sich fragt, was Herr von Falkenhausen mit "bisher" meint.) Andererseits aber ja: weil "der geneigte Leser zunächst mal nicht zwischen bösen Profi-Rennradler und harmlosem Alltagsradler unterscheidet. Beim Zeitunglesen sind Radler eben Radler."

Worauf Karl von Falkenhausen seine Vermutung gründet, bleibt unklar. Vielleicht kennt er Fälle, in denen unbescholtene Pedaltreter von vorbeifahrenden Autobeifahrern mit "Epo, Epo"-Rufen drangsaliert werden. Oder in denen findige Apotheker an beliebten Radwanderwegen einen Aufputsch-Kiosk eröffnet haben.

Der Ausweg aus der Sippenhaft-Problematik muss sein, so der ADFC-Landesvorsitzende, dass negative Schlagzeilen über Alltagsradler zu vermeiden sind. "Da ist vor allem Umsicht und Rücksicht gegenüber Fußgängern vordringlich." Also bitte künftig an Zebrastreifen stoppen, kein Slalom mehr durch Fußgängerzonen. Aber auch die Lastwagen auf der Kreisstraße nicht durch übertriebenes Schlingern am Überholen hindern.

Damit ist die Keimzelle in Altbayern gelegt: In der Radfahrszene beginnt ein demokratischer Aufstand gegen das böse D-Image. Eine Revolution von unten. Zur Nachahmung empfohlen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: