Der Flügelflitzer:Die kasachische Alternative

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Manchmal braucht es für einen Startplatz in der Europa League weder eine gute Saison noch einen Sieg im Pokal noch ein Ticket über die Fair-Play-Wertung - sondern nur Platz elf und etwas Geduld.

Johannes Aumüller

Die Gepflogenheiten des Fußballs machen es möglich, dass eine Mannschaft eine sehr schlechte Saison in der Liga absolviert, irgendwo zwischen Platz zehn und der Abstiegszone landet - und sich dennoch für den Uefa-Pokal (beziehungsweise von nun an die Europa League) qualifiziert. Entweder gewinnt sie den DFB-Pokal (wie Werder Bremen 2009) oder sie kommt ins Finale des DFB-Pokals und hofft, dass sich der Finalgegner für die Champions League qualifiziert (wie Borussia Dortmund 2008) oder sie gewinnt diese ominöse Fair-Play-Wertung (wie Mainz 2005), die unter noch ominöseren Gesichtspunkten zustande kommt als die ohnehin schon ominöse Uefa-Fünfjahreswertung.

2009 ging es letztmals um die Uefa-Pokal-Trophäe, ab sofort heißt der Wettbewerb Europa League. (Foto: Foto: dpa)

Die Fußballfans in Kasaschstan können noch eine weitere Alternative anfügen: Dort kann eine Mannschaft nach einer schlechten Saison auch in die Europa League kommen, ohne dass sie den nationalen Pokal gewinnt, sich fürs nationale Pokalfinale qualifiziert oder die Fairplay-Wertung für sich entscheidet - sondern indem sie einfach mal abwartet.

Das zeigt gerade das Beispiel von FC Oqschetpes Kökschetau, jenem berühmten Klub, der bis 2004 noch Jessil Kökschetau hieß, bis 2001 Aqmola Kökschetau, bis 2000 Aqmola Stepnogorsk, bis 1999 Chimik Stepnogorsk, bis 1998 Awtomobilist Schortandy, bis 1997 Köksche Kökschetau, bis 1994 FK Kökschetau, bis 1991 Spartak Koktschetaw - und zuvor verblüffenderweise die kompletten 22 Jahre seit seiner Gründung Torpedo Koktschetaw geheißen hatte.

Nach Abschluss der Saison 2008 (in Kasachstan wird nach dem Kalenderjahr gespielt) war folgende Situation eingetreten: Der FK Aqtöbe hatte sich als kasachischer Meister die Startberechtigung für die Qualifikationsrunde der Champions League erworben, der Zweite Tobyl Qostanai sich ebenso wie der Dritte Irtysch Pawlodar für die Ausscheidungsphase der Europa League qualifiziert.

Den dritten Europa-League-Startplatz des Landes hatte sich eigentlich Pokal-Finalist FK Alma-Ata gesichert. Doch der Klub fusionierte Ende 2008 mit einem anderen Klub zu Lokomotive Astana, und mit dieser Neugründung waren seine Europa-League-Hoffnungen dahin: Nach den geltenden Regeln muss ein Klub mindestens drei Jahre Mitglied eines Nationalverbandes sein, ehe er an europäischen Wettbewerben teilnehmen darf.

Damit wäre der Weg für den Tabellenvierten Qaisar Qysylorda frei gewesen. Doch weil Qaisar Qysylorda bestimmte Auflagen nicht erfüllte, verweigerte ihm die zuständige Kommission des kasachischen Verbandes die Lizenz für europäische Wettbewerbsspiele. Der Tabellenfünfte FK Megasport fusionierte mit FK Alma-Ata, der Tabellensechste Schetissu Taldyqorghan schrieb in letzter Sekunde einen Brief, dass er eigentlich nicht genug Geld habe, um die Europa League zu bestreiten, dem Tabellensiebten Schachtjor Qaraghandy erging es wie dem Tabellenvierten Qaisar Qysylorda, und so weiter und so fort, bis die zuständige Kommission beim Abhaken der Tabelle beim Elften ankam, bei Oqschetpes Kökschetau.

Vielleicht gegen den Bremen-Schreck

Der erfüllte alle Kriterien, fusionierte mit niemandem und schrieb auch nicht in letzter Sekunde einen Brief, dass er eigentlich nicht genug Geld habe. Und schon, so problemlos kann's manchmal gehen mit der Qualifikation für internationale Wettbewerbe, war Oqschetpes Kökschetau in der Europa League. Präziser gesagt: in der ersten Qualifikationsrunde der Europa League (2. und 9. Juli).

Wenn's bei der Auslosung ungünstig läuft, trifft Kökschetau dann auf international renommierte Teams wie Rosenborg Trondheim oder Bremen-Schreck Anorthosis Famagusta. Wenn Kökschetau ein bisschen Glück hat, wäre auch ein Spiel (und ein Sieg) gegen Olimpi Rustawi (Georgien) oder Keflavík ÍF (Island) möglich.

"Das kam für uns sehr überraschend", sagt der 31-jährige Mittelfeldspieler Kuanysch Karakulow. Er hofft, dass die Klub-Führung in der Sommerpause noch einige Verstärkungen verpflichten kann - und darauf, dass diese Europa-League-Teilnahme keine Eintagsfliege bleibt. Derzeit liegt Oqschetpes Kökschetau auf Platz sechs der Tabelle und hat nur zwei Punkte Rückstand auf einen Platz, der ganz regulär zum Start in der Europa League berechtigt.

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