Der FC gewinnt das rheinische Derby:Risse im letzten Moment

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Null Chancen, zwei Treffer: Der 1. FC Köln schlägt Gladbach durch ein Zaubertor, das Manager Eberl an der Gerechtigkeit des Fußballs zweifeln lässt. Der Torschütze, gebürtiger Kölner, empfindet ein "unglaubliches Glücksgefühl".

Von Milan Pavlovic, Mönchengladbach

"Solche Spiele gibt's", sagte Marco Höger, der Kölner garnierte den Satz mit einem ungläubigen Lächeln. 2:1 (0:1) gewann der 1. FC Köln beim Erzrivalen Borussia Mönchengladbach. Es war nicht bloß der erste Auswärtserfolg im rheinischen Derby seit 2008, es war ein Beweis der These, "dass Fußball nicht immer gerecht ist", wie Gladbachs Manager Max Eberl resümierte.

Sein Team war über weite Strecken überlegen, erspielte sich viele Chancen, das Spiel früh zu entscheiden und ließ im Grunde keine einzige klare Torgelegenheit zu. Dennoch kassierte es am Ende zwei Tore, und als Krönung landete in der Nachspielzeit ein Fernschuss von Marcel Risse aus über 30 Metern hinter Yann Sommer im Gladbacher Tor. "Ein Zaubertor", gab sogar Eberl zu. "Es war auch Glück dabei, dass der so landet", sagte Risse schmunzelnd - wohl wissend, dass ihm vor kurzem im Pokal gegen Hoffenheim ein ähnlicher Strahl gelungen war.

"So was übt er im Training immer wieder", verriet Höger später und nannte als beachtliche Quote "fifty-fifty". Gladbachs Torwart Yann Sommer, der einen Schritt in die falsche Richtung machte und dann nicht mehr an den Ball kam, wird das nicht unbedingt trösten.

"Hätte ich mir eine Situation aussuchen dürfen wie diese, dann hätte ich definitiv die letzte Minute im Derby gewählt", sagte Risse. "Viel gedacht", als er zu den Kölner Fans lief, "habe ich nicht mehr. Es war ein unglaubliches Glücksgefühl, ich habe bisher kein emotionaleres Tor geschossen als dieses."

Lange wirken die Kölner überfordert gegen quirlige Gladbacher

Nicht viel hatte auf dieses Ende hingedeutet. Die Kölner versuchten es anfangs mit forschem Pressing, gaben den Gastgebern dadurch aber genau jenen Raum, ihr gefälliges Konterspiel aufzuziehen. Einziger Pluspunkt für den FC: Auf diese Weise kam Ersatztorwart Thomas Kessler, der für den verletzten Timo Horn auflief und gegen Hazard retten musste (5. Minute), früh ins Spiel - ganz im Gegensatz zu seinen Kollegen, die steif und in der Dreierkette ungeordnet und überfordert wirkten.

Die Gladbacher hingegen drehten über ihr enorm bewegliches offensives Quintett (Dahoud, Stindl, Traoré, Hazard, Raffael) ebenso schicke wie zielbewusste Kreisel. Folgerichtig fiel das 1:0, das Gladbachs 496-minütige Torflaute beendete. Die Szene in der 32. Minute stand stellvertretend für die ganze erste Halbzeit, weil der Treffer nach einer feinen Kombination über sechs Stationen fiel - und weil Traoré den Ball frech in die Spitze passte, statt den sicheren Weg hintenrum zu suchen. Der angespielte Stindl zögerte nicht eine Nanosekunde und setzte den Ball unhaltbar für Kessler ins rechte Eck.

Rassiges Derby: Hier kriegen sich Gladbachs Lars Stindl (3.v.l.) und Kölns Matthias Lehmann (Nr. 33) in die Haare. (Foto: Thilo Schmuelgen/Reuters)

Billard-Tor zum glücklichen Ausgleich

Auch sonst gönnten die spielfreudigen Gladbacher den Gästen nur wenig sortierten Ballbesitz. Folglich fehlte den Kölnern das Feuer, um zu positiven Momenten zu kommen. Es mutete wie ein verzweifelter Befreiungsschlag an, als Kapitän Matthias Lehmann im Mittelfeld Mahmoud Dahoud rüde von den Beinen holte (38.). Das führte zu einer Rudelbildung, die Schiedsrichter Manuel Gräfe in aller Ruhe auflöste. Einen positiven Effekt auf den Kölner Auftritt hatte die dritte gelbe Karte binnen fünf Minuten freilich nicht. Im Gegenteil: Gladbach verpasste nur knapp das 2:0, als Traoré einen Freistoß an die Latte setzte (42.). "Eine Spitzenmannschaft tritt anders auf als wir in der ersten Halbzeit", gab Höger später zu.

Der zweite Durchgang begann ähnlich: mit einer Großchance für Gladbach (50., Hazard schoss knapp daneben). Aber in den Minuten danach "waren wir zu passiv", wie Gladbachs Trainer André Schubert einräumte. Köln, das den verletzten Kapitän Lehmann ersetzen musste, mogelte sich in die Partie. Heintz flankte links aus dem Halbfeld auf Goalgetter Anthony Modeste, der sich zunächst vergeblich streckte - aber davon profitierte, dass Gegenspieler Vestergaard ihm den Ball an den Kopf köpfelte. Von dort trudelte die Kugel zum 1:1 über die Linie (59.). Es war bereits der zwölfte Saisontreffer des Franzosen.

Nur langsam nahm die Borussia das Tempo der ersten Halbzeit auf, ohne ähnlich durchdacht zu agieren. Drei exquisite Gelegenheiten gab es dennoch (67., 78., 84.), doch die Schüsse von Wendt, Johnson und Stindl wurden allesamt zur sicheren Beute des guten Ersatztorwarts. Kessler, wie Höger und Matchwinner Risse ein gebürtiger Kölner, hatte sich deshalb auch das Fazit dieses Nachmittags verdient: "Es gibt nicht viele schönere Tage, die man als Kölner erleben kann."

© SZ vom 20.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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