Der Dopingaffäre nächster Teil:Jan Ullrichs Haus durchsucht

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Die Bonner Staatsanwälte und Beamte des Bundeskriminalamts haben zehn Wohnungen und Firmenräume durchsucht, darunter auch Ullrichs Wohnhaus in der Schweiz. Der Radsportler selbst war nicht anwesend - er ist zur Zeit in Flitterwochen.

Hans Leyendecker

In der Dopingaffäre um den Radsportstar Jan Ullrich haben Bonner Staatsanwälte und Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) am Mittwoch zehn Wohnungen und Firmenräume in Deutschland, Belgien und der Schweiz durchsucht. Darunter befanden sich auch das Haus Ullrichs im schweizerischen Scherzingen und die Hamburger Wohnung seines Managers Wolfgang Strohband.

Im Visier der Ermittler: Jan Ullrich, zur Zeit in Flitterwochen. (Foto: Foto: ddp)

Ullrich war bei der Durchsuchung, die von zwei Staatsanwälten und zwei Beamten des Bundeskriminalamts sowie Schweizer Kollegen durchgeführt wurde, nicht anwesend. Nach seiner Hochzeit mit Sara Steinhauser am Wochenende befindet sich der 33-jährige Sportler in den Flitterwochen. Ein Nachbar öffnete den Ermittlern die Haustür.

Spur nach Hamburg

Die Durchsuchungsaktion war lange vorbereitet worden. Das Bonner Verfahren läuft wegen Verdachts auf Betrug zum Nachteil des Rennstalls T-Mobile. Vor ein paar Wochen hatte die Bielefelder Professorin für Strafrecht und Kriminologie, Britta Bannenberg Strafanzeige gegen Ullrich, dessen sportlichen Berater Rudy Pevenage (bei dem auch Durchsuchungen durchgeführt wurden) sowie den spanischen Rennfahrer Oscar Sevilla erstattet.

Die Bonner Behörde hatte in den vergangenen Wochen die spanische Justiz um Rechtshilfe gebeten. Seit Mai dieses Jahres ermitteln spanische Beamte gegen einen Dopingring, dessen Hauptfigur der Mediziner Eufemiano Fuentes ist. Die Ermittlungen der spanischen Beamten füllen mehrere Akten. Darunter befinden sich auch Telefonüberwachungsprotokolle, die zum Teil deutschen Behörden vorliegen.

Ermittler in mehreren Ländern sind dabei, ein Netz von Hintermännern zu enttarnen. Aufgrund abgehörter Telefonate kamen die spanischen Fahnder zu dem Schluss, Fuentes habe mit Medizinern in Europa zusammengearbeitet, die sich bei der Beschaffung unerlaubter Mittel gegenseitig unterstützt hätten. Einer der abgehörten Verdächtigen war ein deutscher Arzt, der gute Kontakte zu Fuentes hatte.

Am 15. Mai hatten die spanischen Ermittler ein Telefonat des deutschen Arztes mit einem angeblichen Mittelsmann von Fuentes belauscht. In diesem Gespräch bestätigte der Spanier unter anderem, er habe mehrere Ampullen mit Synacthen und Actovegin erhalten. Die Mittel sind in der Doping-Szene bekannt. Sie verbessern den Blutfluss und stimulieren die Produktion von Cortisol.

Vor ein paar Wochen durchsuchten dann BKA-Beamte im Auftrag der Göttinger Staatsanwaltschaft die Wohnung des in Bad Sachsa lebenden 53-jährigen Arztes, der als Anästhesist an einer Klinik in Bleicherode im Südharz arbeitet. Die Ermittlungen gen den Mediziner laufen wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Er wollte sich bislang gegenüber der Süddeutschen Zeitung zu den Vorwürfen nicht äußern.

Die spanischen Ermittler interessieren sich für eine andere deutsche Spur. Angeblich hat Fuentes vor der Tour de France in diesem Jahr Radsportler nach Hamburg geschickt. Zwischen Ende Mai und Ende Juni sollen angeblich Helfer von Fuentes dort in einem Hotel und in einem Appartement Sportlern Blut entnommen haben. Beim Eigenblutdoping wird Sportlern bis zu einem Liter Blut abgezapft.

Das durch Zentrifugieren gewonnene Konzentrat an roten Blutkörperchen wird dann in den Blutkreislauf zurückgeführt. Fuentes war in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Doping-Affären aufgefallen. So hatte er den spanischen Radprofi Jesus Manzano behandelt, der bei der Tour 2003 zusammenbrach. Der Radprofi erklärte später, ihm sei vor der Etappe Hunde-Hämoglobin verabreicht worden. Er sei nur knapp dem Tod entkommen. Die Beschuldigungen von Manzano hatten zunächst keine polizeilichen Aktionen ausgelöst.

Teilerfolg gegen Franke

Im Mai dieses Jahres wurde Fuentes von spanischen Ermittlern vorübergehend festgenommen. Später fanden die Ermittler bei ihm einen Zettel mit der Notiz: "Zimmer Deutschland und Frankreich". "Deutschland" soll angeblich das Hotel in Hamburg meinen. "Zu der Hamburger Spur kann ich noch nichts sagen", erklärte am gestrigen Nachmittag der Bonner Oberstaatsanwalt Fred Apostel. "Wir müssen die sichergestellten Unterlagen erst einmal auswerten".

Der Strafverfolger hatte am Vormittag die Firmenzentrale von T-Mobile, dem ehemaligen Arbeitgeber von Ullrich aufgesucht, um selbst Firmenunterlagen in Empfang zu nehmen. "Es war keine Durchsuchung", betont Apostel. Der Ermittler bezeichnete die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen als "sehr kooperativ". An dem Tag, als der Staatsanwalt kam, erzielte Ullrich einen Teilerfolg gegen den Doping-Experten Werner Franke.

Der Heidelberger Wissenschaftler darf laut einem Urteil der Hamburger Pressekammer nicht mehr behaupten, Ullrich habe Fuentes 35 000 Euro zur Anschaffung von illegalen Substanzen bezahlt. Frankes Anwalt Michael Lehner kündigte an, er werde "mit hundertprozentiger Sicherheit" Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.

© SZ vom 14.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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