Darts:Respektlos

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Höchstens ballt er mal die Faust, wenn er gewinnt: Michael Unterbuchner genießt gerne im Stillen. (Foto: James Chance/Getty Images)

Der Landsberger Michael Unterbuchner zieht als erster Deutscher in das Achtelfinale beim Grand Slam of Darts ein.

Von Johannes Kirchmeier

Kurz blickte er nach links zu den Zuschauern, dann sah man ihn noch lächeln und schon war er wieder von der Bühne verschwunden nach seiner Partie. Michael Unterbuchner genießt im Stillen. Höchstens ballt er mal die Faust, wenn er gewinnt. Ansonsten hält er sich anders als manch Kollege nicht lange auf mit großen Jubelsprüngen und Feierläufen. Man könnte auch sagen, er macht kein großes Aufhebens von sich - obwohl er am Dienstagabend allen Grund dazu gehabt hätte. Denn der 30-Jährige hatte gerade den Engländer Ian White 5:3 nach Sätzen besiegt.

Er zog damit als Gruppenzweiter und als erster Deutscher überhaupt in das Achtelfinale beim Grand Slam of Darts in Wolverhampton ein, bei dem die 32 Teilnehmer ein Preisgeld von 450 000 Pfund ausspielen. An diesem Donnerstag kämpft er um den Viertelfinaleinzug gegen die Nummer sechs der PDC-Weltrangliste James Wade. "Ich wollte mal reinschnuppern, mir das Ganze anschauen", sagt er über seine eigentliche Zielsetzung ins Smartphone. Unterbuchner steht vor seinem Apartment in Wolverhampton, weil er drin nur wenig Handyempfang hat. Das Gute dabei: Er sieht wieder ein bisschen was von der Stadt, ansonsten pendelt er nur zwischen der Halle und der Unterkunft.

Drei deutsche Spieler traten beim Grand Slam an, verblieben ist nur noch der Landsberger. Doch anders als Max Hopp, 22, und Martin Schindler, 22, ist Unterbuchner einer von acht Darts-Amateuren beim Profiturnier. Es ist das einzige seiner Art, in dem sowohl Spieler der Professional Darts Corporation (PDC) wie der Weltmeister Rob Cross teilnehmen als auch Darter der konkurrierenden British Darts Organisation (BDO). Erst so qualifizierte sich Unterbuchner.

Er hat gelernt, wie man erfahrenere Spieler zermürbt

Wie etwa im Boxen gibt es im Darts nicht nur einen großen Weltverband. Die mittlerweile bekanntere PDC hatte sich 1992 von der BDO abgespalten, in der Unterbuchner seine Weltranglistenpunkte sammelt. Geld lässt sich aufgrund der besseren TV-Verträge und des Eventcharakters der Turniere, wo die Fans eher aus verkleidetem Feierpublikum statt Darts-Experten bestehen, viel mehr in der PDC verdienen. "Bei der BDO müssen alle Spieler noch arbeiten", sagt Unterbuchner. Er selbst ist Fachkraft für Lager und Logistik, lebt aber einen Doppeljob. Dreimal in der Woche trainiert er abends. Den Jahresurlaub verbringen Unterbuchner und seine Freundin, die ihn begleitet, vor Dartscheiben in britischen Hallen, es ist ein kostenintensives Hobby.

Aber auch eines, durch das sich Unterbuchner für den Grand Slam qualifiziert hat. Wo er dann in wahrlich keine leichte Vierergruppe gelost wurde. Empfangen wurde er in der Welt der Profis vom zweimaligen Weltmeister Gary Anderson, dem er klar unterlag. "Da war ich noch richtig nervös", sagt er. Nach dem 2:5 legte er sich darauf fest, dass er künftig jeglichen Anflug von Respekt so gut es geht ignorieren werde, und besiegte Steve Hine 5:2.

Am Dienstag traf er dann auf Ian White, Zwölfter der PDC-Weltrangliste. Schon zuvor stand fest: Nur der Gewinner kommt weiter. Unterbuchner blieb cool - und wie um das zu unterstreichen, schaffte er das erste Break zum 2:1 im Match. Mit seinem letzten Dart musste er dabei die Doppel-Sechs treffen. Unterbuchner atmete kräftig durch, visierte das acht Millimeter hohe Rechteck an. Dann entließ er den Pfeil aus seiner rechten Hand und traf. Ähnlich souverän steckte sein Dart später in der entscheidenden Doppel-Zehn zum 5:3.

Er hat mittlerweile gelernt, wie man erfahrenere Darts-Spieler zermürbt. Der letzte Pfeil muss dafür beständig sitzen. Was Unterbuchner in diesem erfolgreichen Jahr immer wieder hinbekam. Als Geschichteschreiber ist er Wiederholungstäter. Er hat mehrere im deutschen Darts-Sport für nicht möglich gehaltene Hürden übersprungen. Im Januar erreichte er als erster Deutscher das Hauptfeld der BDO-WM und kam dann bis ins Halbfinale. Im September war er die erste deutsche Nummer eins der Weltrangliste. Nun ist also die nächste Hürde zu klein.

Womit zumindest von außen betrachtet der Weg in Profitum vorgezeichnet zu sein scheint. Doch Unterbuchner bleibt zurückhaltend: "An einem späteren Zeitpunkt werde ich mir das überlegen", sagt er in all seiner Ruhe, die ihn auch abseits der Hallen auszeichnet. Erst einmal wolle er die Punkte für die BDO-WM 2020 sammeln, für 2019 hat er sich schon qualifiziert.

Es drängte ihn nie wirklich zur PDC, stattdessen dartet er auch in der Bundesliga beim DC Black Birds Kelheim, mit dem er 2016 Meister wurde. In Wolverhampton hat er nun 10 000 Pfund sicher, würde er auch das Wunder gegen den seit 13 Partien ungeschlagenen Wade schaffen, wären es 16 000. Dass er Hoffnung auf eine Sensation hat, verrät Unterbuchners Rückreiseplan: Nachdem er bei der WM im Januar ob des Erfolgs seinen Heimflug zweimal umbuchen musste, hat er dieses Mal noch kein Rückflug-Ticket. Am liebsten wäre ihm, wenn das bis zum Finaltag am Sonntag so bleibt.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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