Darmstadt 98 - Hamburger SV (15.30 Uhr):Dem Strudel entrinnen

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Zwei Spiele, keines zu Null: Hamburgs Christian Mathenia. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Der ehemalige Darmstädter Torwart Christian Mathenia soll bei seiner Rückkehr ans Böllenfalltor den ersten Saisonsieg des Hamburger SV sichern.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Von weitem sieht der blonde Christian Mathenia seinem Bayern-Kollegen Manuel Neuer ein Stück weit ähnlich. Okay, er ist vier Zentimeter kleiner als der beste Torwart Deutschlands (1,89 zu 1,93 Meter). Und er ist auch kein Libero wie der Weltmeister, der oft genug auch außerhalb des Strafraums munter mitmischt wie ein Feldspieler. Und doch ist Christian Mathenia, 24, am heutigen Sonntag beim Abstiegsduell zwischen Darmstadt 98 und dem Hamburger SV einer der wichtigsten HSV-Profis im Jonathan-Heimes-Stadion am Böllenfalltor. Denn keiner weiß besser, wie erfolgreicher Abstiegskampf geht. Und das hat er im vergangenen Jahr in Darmstadt gelernt.

Vor sieben Monaten hat er noch für die Hessen im Tor gestanden und mit gebrochener Mittelhand den 2:1-Sieg bei Hertha BSC verteidigt, was gleichbedeutend mit dem Klassenerhalt war. Nun soll er für die Hamburger der Garant für die ersten drei Punkte in dieser Saison sein - ausgerechnet an seinem früheren Arbeitsplatz. Der gebürtige Mainzer ist also kein gewöhnlicher Darmstadt-Experte. Er ist, wie ihn der damalige 98-Trainer Dirk Schuster rühmte, bei diesem Spiel in Berlin "zum Mann geworden". Jetzt erhofft sich HSV-Coach Markus Gisdol, dass Mathenia dieses "Mann-sein" in heikler Lage seinen neuen Mitspielern beibringt.

Seit zwei Spielen - seit der Schleimbeutel-Operation bei René Adler - steht Mathenia im Hamburger Tor. Nicht fehlerlos, aber doch mit genügend Selbstbewusstsein ausgestattet, seine Vorderleute pausenlos zu dirigieren. Natürlich sei das ein "megabesonderes Spiel für mich", ließ er verlauten. Und natürlich weiß er genau, was auf seine Mitspieler zukommt. Es werde "kampfbetont und eklig", sagt er voraus. Jeder gewonnene Zweikampf der Darmstädter, da ist er sicher, werde "frenetisch gefeiert". Der Klassenerhalt sei in der vergangenen Saison nur über "die große Kampfbereitschaft und die Mentalitätsschiene" möglich geworden. Diese Anti-Abstiegs-Qualitäten sieht er bei den Darmstädtern immer noch, obwohl das 98-Team zur Hälfte ausgewechselt wurde.

"Wir sind keine Lachsack-Combo"

Die wichtigste dieser Qualitäten, so hat er beobachtet, wächst beim HSV gerade erst wie das "zarte Pflänzchen", das Gisdol kürzlich ausgemacht hat. In den vergangenen zwei bis drei Wochen sei das Team endlich "eng zusammengerückt", hat Mathenia beobachtet. Was natürlich kein gutes Licht auf die Zeit davor wirft. Nur wenn jeder für den anderen mitarbeite, also mit "Teamgeist", könne man sich heraus manövrieren aus dieser misslichen Situation mit gerade mal vier Punkten aus zwölf Spielen und dem letzten Tabellenplatz.

Das ist für die Hamburger diffiziler als für die Darmstädter, die überdies mit ihren Fähigkeiten immerhin doppelt so viele Punkte gesammelt haben. "Wir sind keine Lachsack-Combo", sagt Trainer Norbert Meier. Der Druck "in einem großen Klub wie dem HSV" sei deutlich größer als bei einem Verein, für den die Bundesliga außergewöhnlich ist, findet Mathenia, der Keeper aus der Provinz. Der HSV habe vor der Saison andere Ziele als den Abstiegskampf gehabt: "Aber dann sind wir in einen Negativstrudel geraten und es ist schwierig, sich auf die neue Situation einzustellen."

Dass er nach zwei "wunderschönen Jahren in Darmstadt" mit einer für 98 hohen Ablösesumme von 800 000 Euro aus seinem Vertrag heraus gekauft wurde (er unterschrieb in Hamburg bis 2019 mit der Aussicht, den früheren Nationaltorwart Adler, 31, abzulösen), hat seinem Ruf als Aufstiegs- und Nicht-Abstiegs-Torwart in Darmstadt jedenfalls nicht geschadet. Noch immer hält er normalerweise Kontakt zu 98-Kapitän Aytac Sulu, Jerome Gondorf und besonders zum alten Torwart-Trainer Dimo Wache, der wie er aus Mainz stammt. Nur vor dem Duell mit den alten Kameraden ist Funkstille. Das heißt, nicht ganz. Gondorf hat seinem alten Freund über die Hamburger Morgenpost ausrichten lassen: "Er soll sich warm anziehen - wir brauchen den Dreier."

© SZ vom 04.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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