Corinna Schwab:Ruhe unter dem Regenschirm

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Kraftvoll um die Kurve: Corinna Schwab, 21, hat sich bereits in der nationalen Spitze etabliert. (Foto: Chai von der Laage/Imago)

Die Oberpfälzerin war U-18-Weltmeisterin und gewann Silber und EM-Bronze, jeweils in der Staffel. Nun will sie Anschluss zur internationalen Spitze finden.

Von Johannes Knuth

Am Ende kam Corinna Schwab noch in den Genuss eines kleinen Bonusprogramms. Nach ihrem Rennen über 400 Meter wurde sie von einem Pavillon, unter den sich die Athletinnen ob des einsetzenden Regens geflüchtet hatten, abgeholt, ehe sie ein Reporter des Bayerischen Rundfunks mit Regenschirm zu einem Unterstand führte, wo die TV-Kamera auf die 21-Jährige wartete. Vermutlich hätte Schwab sich auch ohne Geleitschutz dort klaglos eingefunden, aber das Privileg durfte man auch als kleinen Wink verstehen: Ihr Auftritt war einer der Höhepunkte der Tagesordnung bei der Regensburger Sparkassen-Gala gewesen - nicht nur, weil sie für den gastgebenden Verein startet und in der Region aufgewachsen ist. Wer in der verspäteten Corona-Saison der Leichtathleten mittlerweile so sehr in den Fokus gerückt ist wie Schwab, der muss natürlich auch ausgiebig Bericht erstatten.

Schwab war mit ihrer Darbietung dann auch "an sich zufrieden"; nach der ersten Kurve hatte ihr auf der Gegengerade viel Wind entgegengeblasen, "da hat man schon relativ viel ackern müssen". Dafür machte sie auf der Zielgeraden noch einen recht vitalen Eindruck. 52,46 Sekunden waren ein achtbarer Ertrag, auch wenn sie am liebsten ihre Bestzeit verbessert hätte: 51,97 Sekunden, erschaffen Anfang Juli in Leipzig, deutsche Jahresbestleistung bislang. In Regensburg bezwang Schwab immerhin fast alle nationalen Hauptkonkurrentinnen, vor allem Ruth Sophia Spelmeyer, die nach längerer Verletzungspause gerade in den Sport zurückfindet, und Nadine Gonska. Das wertete Schwab auch als gelungene Probe für die deutschen Titelkämpfe am übernächsten Wochenende in Braunschweig: "Ich denke, ich habe mich gut verkauft und bin auf einem guten Weg", sagte sie. Und davon erzählte ja auch das Privileg mit dem Regenschirm.

Wenn deutsche Nachwuchsleichtathleten in den vergangenen Jahren etwas gewannen, war Schwab meist nicht weit entfernt: Sie wurde U-18-Weltmeisterin mit der Sprintstaffel, gewann Silber und Bronze mit der 4x400-Auswahl bei den kontinentalen Nachwuchstitelkämpfen. Aber das alles soll nur der Anfang eines schönen, langen Weges sein, hofft Schwab, im Gegensatz zu jenen hoffnungsvollen Karrieren, die gerne mal zwischen Jugend- und Erwachsenenbereich verglühen. Sie wolle langfristig wieder zeigen, "dass wir Deutschen über 400 Meter schnell rennen können", sagte sie dem Portal des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, als sie im Frühjahr gerade nationale Hallenmeisterin geworden war, in sehr beachtlichen 52,65 Sekunden. Was Schwab meinte: dass sie irgendwann auch international im Einzel wehrhaft auftreten wolle. Die deutschen Frauen hatten auf der Stadionrunde zuletzt zwar immer mal wieder mit der Staffel überzeugt, mit Platz sechs bei der WM 2017 etwa, das vorerst letzte Einzelfinale mit deutscher Mitwirkung ereignete sich aber schon vor neun Jahren: Janin Lindberg wurde Fünfte bei der Hallen-EM.

Schwab wuchs beim TV Amberg in den Sport hinein, ihre Trainer Gundy und Lutz Glaser waren schnell von diesem ehrgeizigen, zielstrebigen Talent überzeugt. Sie war sowohl auf den kurzen als auch den langen Sprintdistanzen begabt, lief in der U20-Klasse 23,55 Sekunden über 200 Meter - eine Zeit, die sie jetzt in Regensburg auf 23,23 Sekunden drückte - 53,09 zudem über die 400, beides jeweils in den Endläufen der U20-WM und -EM. Wenn es drauf ankommt also, noch so eine Stärke. Schwab sei ein "ruhiger Typ", findet Bundestrainerin Claudia Marx, sie könne "im richtigen Moment aber zuschlagen".

Der nächste Belastungstest folgte im Vorjahr: Schwab wechselte von Amberg nach Chemnitz, zum Wirtschaftsstudium und in die Trainingsgruppe von Bundestrainer Jörg Möckel ("Ich habe gespürt: Das passt"). Sie schloss sich auch der LG telis finanz Regensburg an, die ihr etwas professionellere Rahmenbedingungen bot. Schwab knickte dann aber erst einmal um und erlitt einen Fußbruch. Nach der Genesung versäumte es ihr Trainer, die Grundlagenausdauer richtig auszubilden, "aber da haben wir am Ende der Saison einen Cut gemacht und gesagt, wir können nur daraus lernen", sagte Schwab jetzt in Regensburg. Die Corona-Pause habe dabei auch "extrem viel geholfen, wir haben kontinuierlich gearbeitet, viele Schwächen ausgebügelt, uns in der Gruppe auch extrem gepusht" - mit Rebekka Haase, die in Regensburg die 100 Meter jetzt in 11,11 Sekunden lief, und Marvin Schlegel, 22, der im Vorjahr bei den deutschen Meisterschaften über 400 Meter schon Zweiter wurde.

Auch diese Fähigkeit scheint Schwab in sich zu tragen, zumindest auf den ersten Blick: dass sie trotz aller Rasanz ihres Metiers nicht dazu neigt, sich selbst zu überholen. Trotz ihrer 21 Jahre, ein Athletenalter, in dem man für gewöhnlich "Hummeln im Hintern" hat, wie der deutsche Athletensprecher Max Hartung zuletzt sagte. All die Unwägbarkeiten, die Olympia-Verschiebung auf 2021 und die EM-Absage 2020, sagte Schwab, das lasse sie nicht an sich heran. "Errrschdmal", befand sie im kernigen Oberpfälzer Idiom, widme sie ihre Kraft den nationalen Meisterschaften, dann den nächsten Schritten: "Ich möchte mich in jedem Rennen verbessern, in jedem Rennen viel lernen, dann sieht man, worauf es hinausläuft." Sollte es tatsächlich klappen mit den Sommerspielen 2021, Corinna Schwab wäre in jedem Fall bereit.

Anmerkung: In der ersten Version des Artikels wurde Marvin Schlegel fälschlicherweise mit seinem 400-Meter-Konkurrenten Manuel Sanders verwechselt.

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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