Champions League:Strategie für ein Wunder

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Wie soll der SV Werder gegen den Favoriten Juventus Turin spielen? Vor allen Dingen mutig, glauben die Bremer.

Jörg Marwedel

Auf der Homepage von Werder Bremen darf jeder Spieler mal als Blickfang fungieren. Nur Miroslav Klose und Ivan Klasnic, die gibt es als Doppelporträt.

Es zeigt die beiden Profis, genannt K&K-Sturm, beim innigen tête à tête. Vermutlich feiern sie gerade eines ihrer bislang 36 Saisontore, die sie zusammen in Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal erzielt haben - Klose 22, Klasnic 14.

Das Bild ist ein schönes Symbol vor dem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Juventus Turin am Mittwoch (20.45 Uhr/Premiere).

Denn niemand verkörpert die Bremer Hoffnungen auf eine Sensation gegen den hochgeschätzten italienischen Meister besser als dieses Duo, dessen doppelter Einsatz bis vor kurzer Zeit noch als äußerst fraglich galt.

Nun aber darf man wohl davon ausgehen, dass sie spielen werden, auch wenn Trainer Thomas Schaaf beim Thema Aufstellung noch brummiger wirkt als sonst.

Klasnic, beim 1:0 in Dortmund trotz angeschlagener Gesundheit Schütze des Siegtreffers, fühlt sich nach einer starken Erkältung wieder besser; und Klose, der erst am Donnerstag von letzten Reha-Maßnahmen unter Aufsicht des DFB-Physiotherapeuten Klaus Eder aus Donaustauf zurückgekehrt war, bekräftigte am Dienstag vor dem Nachmittagstraining: "Ich bin fit und schmerzfrei, die Schulter hat sogar einen Sturz ausgehalten."

In der rechten Schulter hatte sich der Nationalspieler vor vier Wochen im DFB-Pokalspiel beim FC St. Pauli auf glattem Boden einen Sehnenanriss zugezogen.

Lob von Micoud

Es war schon die zweite böse Verletzung nach dem Jochbeinbruch im Spiel beim FC Barcelona am 22. November. Und wie damals, als er nur zwei Wochen später mit einer Schutzmaske wieder in der Branche auftauchte und beim 5:1 gegen Panathinaikos Athen gleich groß aufspielte, will Klose auch diesmal die Fachwelt verblüffen.

"Meine Laktatwerte bestätigen mir, dass ich in der Pause so gut wie nichts verloren habe", sagt er.

Die gute Kunde hat in Bremen die Vorfreude auf den jüngsten Festtag der Vereinsgeschichte noch befeuert. Mit Kloses Rückkehr, glaubt etwa Klaus Allofs, steigen die Chancen gegen "den Topfavoriten auf den Gewinn der Champions League".

Werders Geschäftsführer ist sich sicher, dass ein neues Wunder an der Weser nur mit einer starken Offensive Wirklichkeit werden kann.

Und das hat nicht allein mit der notorisch wackligen Bremer Abwehrreihe zu tun, die in der Vorrunde der Champions League schon zwölf Gegentore kassierte und sich auch beim Bundesligaspiel in Dortmund nur mit sehr viel Glück schadlos hielt.

Dieser Tage hat Allofs mit Karl-Heinz Rummenigge gesprochen, dem Vorstandskollegen vom FC Bayern, der die Turiner in der Vorrunde (2:1, 1:2) recht souverän im Griff hatte.

Rummenigge hat gern einen Ratschlag gegeben, er ließ sich in zwei Worten zusammenfassen: "Mutig sein."Genau das wollen die Bremer. "Wir müssen uns nicht unnötig klein machen", sagt Allofs, "wir fallen bestimmt nicht vor Ehrfurcht auf die Knie und bedanken uns dafür, dass wir gegen Juventus Turin spielen dürfen."

Wie dieser Mut auf dem Rasen aussehen könnte, präzisiert der frühere Nationalspieler so: "Wir müssen uns Chancen herausspielen, Standards provozieren, selbst initiativ sein."

Stelle man sich dagegen "hinten rein" und frage sich, "was die da wohl mit uns treiben", dann habe man "keine Chance" gegen ein Team, das nach Ansicht des Werder-Regisseurs Johan Micoud in David Trezeguet den "vielleicht besten Stürmer der Welt" besitzt und obendrein ein nicht minder torgefährliches Schlitzohr wie den Schweden Ibrahimovic sowie in Lilian Thuram und Fabio Cannavaro die womöglich stärkste Innenverteidigung Europas.

Selbstkritisches vom Kapitän

Auch der Juventus-Verehrer Micoud, der selbst in Italien unter Vertrag stand, glaubt an die von Allofs beschriebene Vorwärts-Strategie.

"Wenn wir es schaffen, den Ball schnell nach vorne zu spielen, erarbeiten wir uns viele Torchancen", sagt Le Chef, der auf großer Bühne oft eine Klasse besser spielt als in der Bundesliga. Zudem habe er festgestellt, dass das Team nach dem miesen Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern (0:2) vor zehn Tagen "wieder enger zusammengerückt ist".

Für die selbstkritischen Töne fühlt sich derweil Frank Baumann zuständig. "Wir müssen uns gewaltig steigern", mahnt der Kapitän, "wenn wir Juve soviel Platz lassen wie den Dortmundern, dann werden wir das eine oder andere Tor kassieren."

Das ist einerseits eine realistische Einschätzung. Andererseits hat sich Werder Bremen bei seinen Champions League-Auftritten seit 2004 längst auch international einen gewissen Stellenwert erarbeitet.

Fabio Capello, der Turiner Erfolgscoach, nennt Werder respektvoll ein "Team auf hohem technischen Niveau" - ein Kompliment, das nicht viele deutsche Mannschaften bekommen und das gewiss nicht nur taktischer Natur ist. Auch die Bilanz der bisherigen Duelle mit italienischen Gegnern könnten die Bremer heranziehen, für den Fall, dass sie noch etwas Selbstbewusstsein gebrauchen können.

Die Bilanz ist positiv und weist in 16 Spielen fünf Siege, sieben Unentschieden, aber nur vier Niederlagen aus. Der FC Bayern verlor von 16 Vergleichen neun.

© SZ vom 22.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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