Champions League:Stolz an der Peripherie

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In Villarreal nutzen anderswo gescheiterte Spieler wie Riquelme und Forlan ihre zweite Chance - nun stehen sie im Halbfinale der Königsklasse.

Peter Burghardt

In letzter Minute kam noch ein Stück Vergangenheit ins Spiel, auch diese Geste passte wunderbar zur rauschendsten Nacht des FC Villarreal. Javier Calleja, 27, trägt das gelbe Trikot schon seit 1999, er kennt noch die nahen und doch schon so fernen Tage, als Europas Aufsteiger noch zweitklassig war. Noch nicht mal einen vernünftigen Trainingsplatz hatten sie seinerzeit, erinnerte sich der Reservist kürzlich, und das Wasser in der Kabine wurde schnell kalt.

Freut sich aufs Halbfinale: Riquelme von Villareal. (Foto: Foto: AP)

Am Dienstagabend gegen halb elf durfte er ein paar Momente an der neuen Historie mitschreiben, Torschützenkönig Diego Forlan machte ihm im Stadion El Madrigal kurz vor Schluss Platz, umjubelt von 22000 Fans. So beteiligte sich also auch der frühere Zweitligaspieler Javier Calleja am 1:0-Sieg gegen Inter Mailand, der den Neuling aus dieser Kleinstadt am Mittelmeer ins Halbfinale der Champions League geführt hat.

Als letztem Debütanten war das 1992 Sampdoria Genua gelungen, die Italiener verloren im Endspiel gegen Barcelona. Der FC Villarreal befand sich damals in Spaniens dritter Liga. "Wir schreiben Geschichte", rief der Argentinier Rodolfo Arruabarrena, der nach einem Freistoß von Landsmann Riquelme das einzige Tor geköpfelt hatte.

Klubpräsident Fernando Roig, der aus seinem Supermarktimperium Millionen in sein Hobby investiert hat, kullerten die Tränen über die Pausbacken. "Wir haben bewiesen, dass wir einer der Großen Europas sind, das haben diese Fans verdient."

Die besseren Argentinier

In der Provinz können sie sich noch freuen, bloß Trainer Manuel Pellegrini blieb cool. "Das ist weder ein Traum noch ein Wunder, sondern Arbeit und Überzeugung", sprach der Chilene. "Wir haben nicht die Leute von Manchester oder Inter, aber wir haben wichtige Spieler." Das ist nur leicht untertrieben, Villarreal gehört mit seinem schnellen Direktspiel zu den besten Vertretungen des südamerikanischen Exils. Verteidiger Juan Manuel Pena stammt aus Bolivien, Mittelfeldspieler Marcos Antonio Senna aus Brasilien, Torjäger Diego Forlan aus Uruguay, Regisseur Roman Riquelme und Nebenmann Juan Pablo Sorin aus Argentinien.

Mit Ausnahme des Italieners Alessio Tacchinardi kommen alle Stammkräfte aus dem iberischen Sprachraum, auch das mag ein Vorteil sein. Viele von ihnen galten an besseren Adressen schon als gescheitert wie Riquelme in Barcelona und Forlan bei Manchester, vor allem sie nutzten ihre zweite Chance.

Riquelme ist mittlerweile auch Spielmacher der argentinischen Nationalelf und Sorin ihr Kapitän, beide interessieren sich für den Titel des Weltmeisters und waren wesentlich auffälliger als die vier Argentinier von Inter.

An der Peripherie haben sie ihren Stolz wieder entdeckt, nicht in einer Modemetropole. In einem Kaff mit 45000 Einwohnern, die zur Hälfte in die Arena hinein passen. Auf den Hemden machen die Profis Werbung für den Flughafen des benachbarten Castellon, das diente bislang als eine Art Wegweiser.

Viele ihrer staunenden Beobachter wissen vermutlich immer noch nicht, wo dieses Villarreal überhaupt liegt, dabei hat der örtliche FC sogar den 60 Kilometer südlich beheimateten FC Valencia übertrumpft und fürs erste auch Real Madrid. "Wir fühlen uns niemandem unterlegen", verkündete Pellegrini, in der Tat war schon die Hinspielniederlage unglücklich.

Ellbogen im Gesicht

Was für ein Kontrast zum Mailänder Ensemble verblasster Helden wie Luis Figo, Alvaro Recoba und Juan Sebastian Veron. "Wir waren nicht auf der Höhe", erkannte Trainer Roberto Mancini. Zweimal schoss seine Belegschaft aufs Tor, auch der brasilianische Edelstürmer Adriano hielt sich zurück. Die auffälligste Szene der Gestreiften war ein brutales Foul von Abwehrrecke Materazzi, der Sorin dermaßen den Ellbogen ins Gesicht rammte, dass dieser blutüberströmt zu Boden ging und mit geflickter Augenbraue bald ausgewechselt werden musste.

Den Angriff sollte sich die Uefa genauer ansehen als der Schiedsrichter und den Hooligan Materazzi fürs Erste aus dem Verkehr ziehen, wobei sich sein Opfer im Rahmen der Feierstunde schnell beruhigte. "Was auf dem Platz war, das bleibt auf dem Platz", berichtete Sorin später mit verbundenem Kopf. Er entdeckte gleich wichtigere Themen, "wir wollen nämlich jetzt alles".

Im Überschwang dachten sie selbstverständlich an das Finale, an den Pokal, an die Trophäe der Champions League. Arsenal wird wohl der nächste Gegner sein, wozu die Nachricht passt, dass der Franzose Robert Pires aus London nach Villareal wechselt. Am späten Dienstag gab es erst mal ein Bad in der Menge und eine warme Dusche, auch für Javier Celleja. Mit dem Wasser gibt es unterdessen keine Probleme mehr.

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