Champions League:Skurrile Gäste und die üblichen Magnaten

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Fünf neue Teilnehmer gibt es in Europas erster Klasse, aber die Favoriten bleiben die gleichen wie immer

Philipp Selldorf

Mit einem Budget von zwei Millionen Euro lässt sich in der Champions League nicht viel bewegen. Artmedia Bratislava will es trotzdem versuchen. Der slowakische Meister, der sich in der Qualifikation gegen Celtic Glasgow und Partisan Belgrad durchsetzen konnte, startet am Dienstag mit einem Heimspiel gegen Inter Mailand in den Wettbewerb, in dem er noch nie mitgewirkt hat.

Naturgemäß erinnert dieser Vergleich an die grotesken Unterschiede, die sich im Verbandspokal zwischen den Gegnern aus Amateur- und Profiliga auftun, und das ist immer eine Frage des Geldes: Jene zwei Millionen, die Artmedia im ganzen Jahr für den Unterhalt seiner Mannschaft braucht, gibt Inter-Ehrenpräsident und Besitzer Massimo Moratti innerhalb von kaum zwei Wochen für seine Stars aus.

Und während sich Artmedia in Erwartung eines in 106 Jahren Vereinsgeschichte ungekannten Geldsegens mit einem tschechischen Angreifer von Zenit St. Petersburg verstärkte, unternahm Inter im Sommer den jährlichen Einkaufsbummel durch die teuersten Boutiquen des Kontinents. Allein von Real Madrid kamen drei neue Helden: Santiago Solari, Walter Samuel und Luis Figo.

Fünf Klubs auf Entdeckungsreise

Artmedia Bratislava ist jedoch nicht der einzige Neuling im Feld der 32 Konkurrenten, was man leicht übersieht in Anbetracht der ständigen Teilhaber aus Mailand, Manchester, London und Turin. Insgesamt fünf Klubs lernen erstmals die Champions League aus eigener Anschauung kennen: Betis Sevilla und FC Villarreal aus Spanien, OSC Lille aus Frankreich sowie als weitere Skurrilität der FC Thun, die alpenländische Variante des Artmedia-Phänomens.

Beim letztjährigen Zweiten der schweizerischen Super League wird der Etat mit rund drei Millionen Euro beziffert, was ebenfalls keine großen Sprünge auf dem Transfermarkt gestattet. Statt dessen haben sich die Schweizer einfach der globalen Kolonisation durch brasilianische Wanderfußballer unterworfen: Ein halbes Dutzend Fußballer aus dem Land des Weltmeisters spielen in dem kleinen Ort südlich der Hauptstadt Bern. Arséne Wenger, dessen FC Arsenal sich mit dem FC Thun auseinander setzen muss, sieht es mit Sorge: "Sie haben sechs Brasilianer. Normalerweise gibt es in Brasilien keine schlechten Spieler."

Wenn Außenseiter aus Randstaaten des europäischen Klubfußballs in die Champions League einziehen, ist das eine bunte Zugabe, markiert aber keinen Trend. Obwohl man gern dran glauben würde nach zwei Jahren, in denen Überraschungen das Bild bestimmten: Dass sich zuletzt Klubs wie der FC Porto, AS Monaco, PSV Eindhoven und FC Liverpool bis in die finale Phase des Wettbewerbs kämpften, lässt aber noch nicht auf eine Gesetzmäßigkeit schließen, und so kommen die Favoriten auch in diesem Jahr aus den traditionellen Hochburgen der starken Ligen.

Zumal Europas Magnaten die Erfolge der Außenseiter als Aufforderung zur Plünderung aufgefasst haben. Portos Verlustliste seit dem Finalsieg 2004 umfasst die Namen von mehr als einem Dutzend Spitzenspielern.

Über den gewöhnlichen Kandidaten von Bayern München bis FC Barcelona und AC Mailand bilden die Teams von Juventus Turin und FC Chelsea eigene Kategorien. Italiens Meister Juventus folgte seiner besessenen Liebe zum Betonfußball und hat die Defensive durch den Kauf von Patrick Vieira verstärkt. Der französische Nationalspieler, bisher ein ständiger Bestandteil des FC Arsenal, kickt nun an der Seite von Brasiliens Organisationsgenie Emerson, was eine furchterregende Kombination ergibt.

Am FC Liverpool gescheitert

Auch der FC Chelsea unternimmt mit noch höheren Investitionen einen neuen Anlauf, nachdem der Gewinn des Triple im vergangenen Jahr am FC Liverpool gescheitert ist. Trainer José Mourinho hat nach der Verlängerung seines Vertrages bis 2009 ein Regierungsprogramm verkündet, das vorsieht, mindestens dreimal die englische Meisterschaft und zweimal den Pokal zu gewinnen, "und wenn wir dazu wenigstens einmal die Champions League holen, dann, so denke ich, ist mein Auftrag erledigt." Selbstredend hat sich Chelsea mit Michael Essien von Olympique Lyon den teuersten Transfer des Sommers geleistet.

Bekanntlich profitieren die Londoner vom russischen Geld des Klubbesitzers Roman Abramowitsch, und da fällt auf, dass bis auf Artmedia Bratislava und Sparta Prag kein Klub aus Osteuropa in der Champions League mitspielen darf, obwohl dank neureicher Sponsoren (zum Teil aus der Halbgeschäftswelt) auch die großen Vereine aus Russland und der Ukraine über fabelhafte Budgets verfügen. Dynamo Kiew scheiterte übrigens am FC Thun.

© SZ vom 13.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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