Champions League der Frauen:Abgelenkt wie von einem Magneten

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Effizient wie sonst keine Münchner Spielerin an diesem Abend: Fridolina Rolfö trifft kurz nach ihrer Einwechslung zum 1:0 in Prag. (Foto: Michal Cizek/AFP)

Beim 1:1 gegen Slavia Prag im Viertelfinal-Hinspiel hadert der FC Bayern mit seiner Chancenverwertung - nur eine Spielerin fällt aus dem Muster.

Von Anna Dreher

Da war es dann doch wieder, dieses lästige Problem, von dem die Fußballerinnen des FC Bayern den Eindruck hatten, sie wären es längst los. Aber am Mittwochabend tauchte es wieder auf, in den verschiedensten Variationen. Ausgerechnet beim 1:1 (0:0) im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League bei Slavia Prag, wo sie die Tore mühelos schießen wollten wie zuletzt in der Bundesliga und im DFB-Pokal. In der achten Minute zum Beispiel, als Lina Magull den Ball so schön zu Lineth Beerensteyn spielte, die aber ihr Ziel verfehlte. Auch in der 15. Minute, als Jovana Damnjanovic für große Euphorie sorgte, bis die Linienrichterin ihre Fahne nach oben streckte. Oder als Kathrin Hendrich sich nach 22 Minuten per Kopf an der Führung versuchte und der Ball stattdessen bei Prags Torfrau Barbora Votikova landete. Um mit der Auflistung in der ersten Halbzeit aufzuhören.

Welche Chancen sich auch immer für die Bayern ergaben an diesem Abend: So viele blieben ungenutzt. Die Mannschaft von Thomas Wörle dürfte Prag vor allem mit dem Gedanken verlassen haben: Hoffentlich nicht zu viele. "Wir hatten viel mehr vom Spiel, müssen weit mehr als ein Tor machen und hätten es klar gewinnen müssen", sagte der Trainer. Und Kapitänin Melanie Leupolz: "Wir haben in der Champions League auch in der Vergangenheit oft zu wenig aus unseren Chancen gemacht. Daraus müssen wir jetzt lernen und das Rückspiel deutlich gewinnen."

Es überraschte ein wenig, dass solche Aussagen an diesem Abend die zutreffenden waren. An Effektivität vor dem Tor hat es diese Saison nur selten gefehlt. Im Vergleich zu vergangenen Spielzeiten, in denen größere Erfolge auch wegen Abschlussschwierigkeiten nicht zustande kamen, hatte diese Mannschaft derzeit wenig Grund, damit zu hadern. Das Selbstbewusstsein ist groß nach zuletzt zehn gewonnenen Partien und einer bisher einzigen Niederlage, die auf den 30. September datiert ist. Aber in Prag schien bisweilen ein Magnet vor Votikovas Tor angebracht zu sein, der vor der beeindruckend lauten Kulisse von über 6800 Zuschauern so gut wie jeden Versuch der favorisierten Münchnerinnen ablenkte. Ärgerlich, weil sie keinen so unangenehmen Gegner hatten wie die zweite deutsche Mannschaft im höchsten Klubwettbewerb: Der VfL Wolfsburg hatte beim 0:2 gegen Titelverteidiger Olympique Lyon deutlich mehr Mühe.

Münchens Spielaufbau funktionierte gut, vor allem Nationalspielerin Kristin Demann lenkte aus dem Mittelfeld heraus wie zuletzt auch gegen Potsdam mit viel Übersicht und Ruhe und fand in der Offensive in Magull eine fleißige und kreative Helferin. Und weil auch die anderen Spielerinnen hochmotiviert waren, eine gute Ausgangslage für das Rückspiel auf dem Campus des FC Bayern am kommenden Mittwoch (19.30 Uhr) zu schaffen, kamen sie immer wieder gefährlich vor das Prager Tor. Es änderte lange nur nichts am Spielstand, weil es oft an Präzision fehlte. Dass Slavia sich wehrte, aber auch nichts Zählbares zu Stande brachte, beruhigte die Situation aus bayerischer Sicht. Die wirkliche Beruhigung aber kam erst in der 60. Minute. Sie hieß Fridolina Rolfö.

Nach einer Stunde wechselte Wörle gleich doppelt in der Offensive: Für Beerensteyn kam Rolfö, für Damnjanovic durfte Mandy Islacker auf den Platz. Islacker ist neben Sara Däbritz mit zwölf Treffern Bayerns bisher erfolgreichste Torschützin dieser Bundesliga-Saison, Rolfö hat mit fünf Toren nicht einmal halb so viele. An diesem Abend aber unterschied sich die technisch hoch veranlagte Schwedin entscheidend von all ihren Mitspielerinnen: Sie traf. Leupolz hatte Magull genau im richtigen Moment in den Lauf gespielt, die gab per Flanke weiter und Rolfö hielt ihren Fuß im passenden Winkel zum 1:0 (62.) hin. Wörle hatte wie schon einige Male in den vergangenen Monaten das richtige Gespür bei einem Wechsel gezeigt. Beide Spielerinnen hätten zudem erhöhen können. "Alles ist mit diesem Team möglich", hatte die 25-jährige Rolfö einmal gesagt. "Wir wären dumm, wenn wir sagen würden, dass wir nicht auch das Finale in der Champions League erreichen könnten."

Es war ein Schuss aus dem Nichts, der aus Zuversicht wieder Ungewissheit machte, dass es womöglich in diesem Jahr so weit sein könnte mit dem Finale - oder zumindest dem erstmaligen Einzug ins Halbfinale. Schon das wäre ja ein Erfolg. In der 73. Minute zog Katharina Svitkova aus über 30 Metern einfach ab, es war einer der seltenen wirklichen Torschüsse der Tschechinnen. Der aber war so präzise, dass sich Münchens Torfrau Manuela Zinsberger großmachen konnte, wie sie wollte: der Ball war unhaltbar. "Zumindest haben wir aber ein Auswärtstor und klar dominiert", resümierte Magull diesen Arbeitstag und ergänzte selbstbewusst: "Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass wir in einer Woche zuhause souverän gewinnen und verdient ins Halbfinale einziehen werden." Nur war es ja auch in Prag nicht das Selbstbewusstsein, das gefehlt hat.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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