Bundesligist Werder Bremen:Nach Art des Kapitäns

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Werder Bremens Manager Frank Baumann hofft, dass er mit Trainer Viktor Skripnik besser harmoniert als sein Vorgänger Thomas Eichin.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Neun Jahre lang war Frank Baumann, 40, Kapitän des SV Werder Bremen. Einmal hat er sich so beschrieben: "Meine Stärken sind meine ruhige Art und meine Gelassenheit. Meine Schwächen sind meine ruhige Art und meine Gelassenheit." Erst gegen Ende seiner Profi-Laufbahn 2009 hat er einmal öffentlich Kritik an seinen Mitspielern geübt: Er hatte ein Einstellungsproblem erkannt, immer wieder warfen Disziplinlosigkeiten die Mannschaft aus der Bahn. Baumann hat die Kritik nach außen getragen, "weil die internen Gespräche nichts mehr brachten".

So ähnlich wird der neue Geschäftsführer des SV Werder auch seinen Job am Schreibtisch angehen. "Nicht rabiat, sondern sachlich", so schildert er seine Arbeitsweise. Es ist ein Weg, der gern als Werder-Weg beschrieben wird. Eine Redewendung übrigens, die Baumann "deutlich überstrapaziert" findet, obwohl auch er die damit verbundene offensive Spielphilosophie und die "einmalige Familien-Kultur" nachhaltig vertritt. In diesem Sinne hat er gleich zu Beginn ein Zeichen gesetzt, das für ihn selbst noch zum Problem werden kann. Er hat den Vertrag mit dem bei Fans und Medien umstrittenen Trainer Viktor Skripnik verlängert.

Viktor Skripnik hat Glück gehabt, dass jetzt sein ehemaliger Kapitän Frank Baumann (rechts) bei Werder das Sagen hat - sein Vertrag wurde verlängert. (Foto: Nordphoto/imago)

"Aus Überzeugung" habe er das getan, sagt Baumann. Das unterscheidet ihn erheblich von seinem entlassenen Vorgänger Thomas Eichin, der sich von Skripnik nach dem knapp erreichten Klassenerhalt trennen wollte. Baumann kennt den gebürtigen Ukrainer Skripnik noch als Mitspieler. Seine Hoffnung ist offenbar, dass dieser die Ratschläge seines früheren Kapitäns besser aufnimmt als die von Eichin, der zuweilen einen recht rigorosen Umgang pflegte. Werder-Ehrenpräsident Klaus-Dieter Fischer warf Eichin vor, er habe den Trainer überhaupt nicht geschützt.

Dabei hatte auch Baumann bei der Analyse der vergangenen Saison herausgefunden, dass Skripnik "zu viel Energie außerhalb des Fußballs" verbraucht habe. Zum Beispiel für Scharmützel mit den Journalisten, die er mal als "18. Gegner" in der Bundesliga bezeichnete. Doch Baumann ist überzeugt davon, dass Skripnik aus den "schwierigen Phasen" gelernt hat und "viele eines Besseren belehren wird".

Das wird auch nötig sein, denn nach den Verkäufen des Abwehrhünen Jannik Vestergaard nach Gladbach und von Stürmer Anthony Ujah nach China sowie den ausgelaufenen Leihen von Papy Djilobodji (Chelsea) und Levin Öztunali (Leverkusen) zweifeln viele an der Bundesliga-Tauglichkeit des Kaders. Auch Ersatzkapitän Zlatko Junuzovic, der sich zuletzt Gedanken machte über einen Vereinswechsel, weil er es satt habe, ständig gegen den Abstieg zu spielen, sagt: "Natürlich hoffe ich, dass wir diesmal keine Probleme bekommen und so schnell wie möglich 40 Punkte haben." Er glaubt aber: "Es wird wieder eine harte und schwierige Saison." Frank Baumann ist wesentlich optimistischer. Zwar hätte auch er Vestergaard und Ujah gern behalten, obwohl das Bremer Geschäftsmodell durchaus Transfererlöse vorsieht. Aber immerhin hat er insgesamt rund 26 Millionen Euro herausgeholt.

Baumann will nicht immer nur den Klassenerhalt bejubeln

Deshalb bestehe jetzt "Spielraum" für weitere Zugänge. Zudem hätten die schon geholten Profis "ein paar Defizite ausgleichen können", sagt er. So seien der neue finnische Abwehrchef Niklas Moisander (30, kam für 1,8 Millionen Euro von Sampdoria Genua) und der ablösefrei von Rapid Wien gekommene Deutsch-Grieche Thanos Petsos, 25, im Mittelfeld Spieler, die mit ihrem Spielverständnis "dirigieren und organisieren können". Von Florian Kainz, 23, der für 3,5 Millionen Euro ebenfalls von Rapid kam, erhofft sich Baumann eine Verbesserung "unserer Offensiv-Qualitäten". Zudem setzt er darauf, dass der Ungar Laszlo Kleinheisler an die bei der EM gezeigten Leistungen anknüpft und Florian Grillitsch bestätigt, was er vorige Saison ablieferte. Jetzt hofft Frank Baumann nur noch darauf, dass Junuzovic seine Überlegungen, den Verein zu wechseln, erst mal nicht weiter betreibt.

Anders als auf dem Transfermarkt, wo er noch längst nicht fertig ist - er will noch mehr Spieler verkaufen als jene zwölf, die er schon bei anderen Klubs untergebracht hat -, hat Baumann das neue Team hinter dem Team deutlich aufgestockt. Theorie, Reha, Ernährung oder psychologische Betreuung würden immer wichtiger, sagt er. So stellte er den Athletik-Trainer Günter Stoxreiter ein, ebenso den Videoanalysten Mario Baric. Zudem wird die Zusammenarbeit mit dem Psychologen Andreas Marlovits verstärkt. Der habe schon im Abstiegskampf wertvolle Dienste geleistet. Auch im Trainingslager im Zillertal, das jetzt beginnt, wird Marlovits dabei sein. Und noch jemanden wird Baumann wiedertreffen. Am Samstag beim Testspiel gegen 1860 München wird er ohne große Gefühle seinen Vorgänger Thomas Eichin wiedersehen, der ab 1. August bei den Löwen Geschäftsführer ist.

Konkrete Ziele für die kommende Saison gibt der gut strukturierte Baumann nicht aus. Er möchte nur nicht, dass künftig "der Klassenerhalt bejubelt wird wie ein Champions-League-Gewinn". So war es im Mai dieses Jahres. Das ist auch eine Aussage, die bedeutet: Es soll ein Jahr folgen, in dem der Werder-Weg wieder Stück für Stück nach oben führt. Wenn auch längst nicht so hoch wie 2004, als Frank Baumann die Kapitänsbinde trug beim Werder-Double.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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