Bundesliga-Mannschaften:Geisterdebatten im Geisterhotel

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„Wir haben keinen Sitz am Tisch“: Neven Subotic reist mit Union Berlin ins Trainingslager, sieht die DFL-Pläne aber skeptisch. (Foto: Matthias Koch/imago)

Die Klubs schotten sich für den Wiederanpfiff am kommenden Wochenende ab. Mit im Gepäck: Kritik und Sorgen.

Von Claudio Catuogno, München

Eine knappe Woche ist es noch hin, ehe die Erst- und Zweitligisten den Spielbetrieb wieder aufnehmen - und siehe da: Schon generiert der Profifußball positive Abstrahleffekte. Auch das Corona-gebeutelte Hotelgewerbe profitiert, und zwar von jener Passage im inzwischen weltberühmten DFL-Hygienekonzept, wonach "mindestens die letzten sieben Tage vor Saisonbeginn" als "Trainingslager in Quarantäne verbracht" werden sollen.

Der 1. FC Köln machte am Donnerstag den Anfang und bezog ein zentrales Hotel am Heumarkt, das Gros der Teams und Betreuerstäbe folgte übers Wochenende, ehe dann am Dienstag Werder Bremen dem örtlichen Parkhotel mal wieder auf legale Weise ein paar Gäste bescheren wird. In der Hauptstadt hat Hertha BSC zwei Etagen im Hotel Palace unweit des Ku'damms geblockt, in dem sich die Mannschaft auch in der Vergangenheit oft auf Heimspiele vorbereitete, bloß halt noch nie so lange. Die 7,5 Kilometer zum Trainingsgelände und wieder zurück wird unter Wahrung aller Sicherheitsabstände in mehreren Bussen zurückgelegt. Für das Training dazwischen gelten hingegen keine Abstandsregeln.

Der FC Bayern bezog am Sonntag ein Quartier im nahen Unterschleißheim. Der erste Gegner der Münchner, Aufsteiger Union Berlin, fuhr sogar mehr als 300 Kilometer von Köpenick nach Barsinghausen in Niedersachsen und logiert dort nun in einer Sportschule "ganz am Ende einer schmalen Straße", wie der Sportinformationsdienst notiert, der ebenfalls berichtet, dass zum Auftakt der kollektiven Wiedereingliederungsmaßnahme ein "Grillfest am Waldesrand" stattfand. Selbstverständlich ein Grillfest mit Mindestabständen, ehe es dann auf dem Trainingsplatz ohne Mindestabstände zur Sache ging.

Beim Zweikampf und im Laufduell, so die Corona-Logik der Deutschen Fußball Liga, komme man sich ja kürzer und flüchtiger nahe als im Bus oder im Speisesaal. Es sind auch Einschätzungen wie diese, die den Re-Start so umstritten machen.

Für Komfort ist hingegen wie immer gesorgt, wenn der Fußballtross sich irgendwo einquartiert, wobei Kölns Trainer Markus Gisdol schon darauf hinweist, dass es "ja auch ein Geisterhotel" ist, in dem man nun wohnt. Leere Gänge und so. Der Trainer Julian Nagelsmann, der mit RB Leipzig ins Quartier auf dem eigenen Trainingszentrum gezogen ist, hat aber immerhin "keine große Sorge, dass wir in der Quarantäne alle durchdrehen". Man sei schließlich "nicht im Gefängnis", sagte Nagelsmann. Unklar sei lediglich noch, deutete Nagelsmann an, ob das W-Lan ausreiche für die Computerspiele, die Stürmer Yussuf Poulsen noch für alle besorgt hat.

Da ist in Bezug auf das Gesamtkonzept deutlich mehr unklar. Die Debatte, ob der Wiederbeginn der Bundesligen am 16. Mai nun Hoffnungsschimmer oder Zumutung ist, ist jedenfalls überall mit im Gepäck.

Es mag in der Natur der Sache liegen, dass jetzt vor allem jene Mediziner und Politiker Interviews geben, die sich Sorgen machen, und weniger jene, die sich freuen, dass es wieder los geht. Dasselbe gilt für betroffene Spieler. Aber es ist bemerkenswert, dass sich auch aus dem Innersten des Betriebs weiterhin Skeptiker zu Wort melden, obwohl ihre Arbeitgeber die sofortige Fortsetzung der Liga zur alternativlosen Frage der Existenzsicherung erklärt haben. So klagte etwa Union Berlins Abwehr-Routinier Neven Subotic im Deutschlandfunk, dass alle Entscheidungen ohne Rücksprache mit den Spielern getroffen worden seien: "Wir haben keinen Sitz am Tisch, wir wurden nicht konsultiert." Sören Bertram vom 1. FC Magdeburg, der wie alle Drittligisten noch auf die Entscheidung wartet, ob die Saison fortgesetzt wird, sagte der Volksstimme: "Wir sind alle im Kopf nicht frei, weil wir nach einer Infektion für den Rest unseres Lebens Lungenprobleme haben könnten." Eine Befürchtung, die auch der Sportmediziner Ingo Froböse von der Kölner Sporthochschule teilt. Er sehe "große Gefahren auf die Spieler und die Trainer zurollen, dass mögliche Infektionen zu gravierenderen Schäden führen können", sagte er dem SWR. Die Spieler, meint Froböse, "werden schon ein wenig missbraucht".

Entsprechend eifrig versichern die Verantwortlichen, dass ja niemand mitspielen müsse. So stellte am Wochenende Schalke-Sportvorstand Jochen Schneider klar, "dass die Teilnahme am Trainings- und Spielbetrieb freiwillig ist". Abgemeldet hat sich allerdings auch in Gelsenkirchen bisher niemand.

© SZ vom 11.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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