Bundesliga:Hohe Spesen und eine Portion Ärger

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Berbatov, Ballack, Rosicky, Poulsen: Die Liga kämpft zunehmend vergeblich um ihre Attraktionen.

Philipp Selldorf

Im Laufe des Winters und in den Anfängen der Rückrunde machte man sich bei Bayer Leverkusen große Sorgen um Dimitar Berbatov, 25. Der bulgarische Angreifer wirkte traurig und galt als melancholisch.

Mit seiner Mannschaft hatte er sich dem grauen Mittelfeld der Tabelle angepasst, die Tendenz zeigte eher ab- als aufwärts.

In der Schützenliste der Liga rangierte Berbatov - seit Jahren als eines der vielversprechendsten Stürmertalente Europas gepriesen - mit sechs Treffern auf den anonymen Plätzen, sogar Thomas Brdaric hatte öfter getroffen.

Bei Bayer herrschte aber nicht nur deshalb Bedrückung, weil man Berbatov bedauerte. Beunruhigt war man auch über den Wertverlust, der durch die Formkrise drohte.

Um den Klub finanziell zu sanieren, brauchte man den zweistelligen Millionenbetrag, den der Verkauf des besten Bayer-Spielers einbringen sollte.

Dieser Tage nun, da sich die Leverkusener Elf zur besten Rückrundenmannschaft entwickelt und Berbatov zum besten Rückrundenschützen aufgeschwungen hat, meldete sich der im Februar herbeigesehnte Interessent.

Und eigentlich ist es den Leverkusenern jetzt gar nicht mehr recht, dass der englische Erstligist Tottenham Hotspur jene 15,7 Millionen Euro zu zahlen bereit ist, die als Ablöse für den Fall einer vorzeitigen Trennung in Berbatovs Vertrag festgelegt wurden.

"Es war ja immer klar, dass einige Vereine auf den Dimitar aufmerksam werden würden", sagt Rudi Völler und ein Seufzen begleitet seine Worte, denn der Bayer-Sportchef ist ein Bewunderer des bulgarischen Angreifers.

"Uns war klar: Ein Spieler wie Berbatov wird uns eines Tages verlassen. Das war bei Emerson, Zé Roberto, Lúcio und Ballack so, und das ist eben auch bei ihm der Fall", sagt Rudi Völler.

Diese bittere Wahrheit gilt aber nicht nur für Bayer 04, sondern für die ganze Bundesliga. Auch andere deutsche Spitzenklubs verlieren im Sommer gute Spieler an ausländische Vereine.

Michael Ballack wechselt vom FC Bayern zum FC Chelsea; der Dortmunder Tomas Rosicky ist bei Atletico Madrid eingeplant; Schalke 04 nimmt Abschied von Christian Poulsen, der sich dem AC Mailand anschließt. Während Dortmund das Geld für den Verkauf von Rosicky zur Schuldenreduzierung benötigt, haben die Bayern und Schalke vergeblich versucht, die Spieler zum Bleiben zu überreden.

Sowohl Ballack wie Poulsen sind zwar spezielle Fälle, weil sie aufgrund auslaufender Verträge unter diversen Angeboten wählen konnten.

Doch auch an ihren Beispielen erweist sich ein struktureller Nachteil der Bundesliga: Die besseren Klubs aus Italien, Spanien und England sind den deutschen Vereinen finanziell überlegen, woraus sich dann auch ein sportlicher Vorsprung ableitet.

Selbst der FC Bayern hat jüngst im Fall Sergio Aguero erlebt, wie begrenzt sein Spielraum ist. Den 17-jährigen Argentinier beobachteten Manager Uli Hoeneß und Trainer Felix Magath zweimal an Ort und Stelle, Chefscout Wolfgang Dremmler hatte die aufwändige Vorarbeit geleistet.

Aber das Interesse an der Verpflichtung erlahmte, als sich Atletico Madrid einschaltete und Bereitschaft erklärte, die von Agueros Klub Independiente Buenos Aires geforderte Ablöse von 15 bis 20 Millionen Dollar zu bezahlen.

Paradebeispiel für Hoeneß Irrtum

Außer Spesenkosten hat sich der FC Bayern somit nur eine Portion Ärger eingehandelt. Dass Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge jetzt erklärte, Independientes Präsident Julio Comparada habe eine persönliche Beteiligung am Transfererlös verlangt, hat selbigen dazu veranlasst, Rummenigge mit Klage zu drohen, wenn er den Vorwurf nicht zurücknehme.

Atletico Madrid ist im Übrigen ein Paradebeispiel für den Irrtum von Uli Hoeneß. Der Manager hatte in den Boom-Jahren um die Jahrhundertwende beharrlich geweissagt, dass die großzügige Misswirtschaft besonders der südländischen, aber auch englischen Vereine sich irgendwann in einen Vorteil für die vergleichsweise solide arbeitende Bundesliga verkehren werde. Doch die von Hoeneß prophezeiten Crashs sind ausgeblieben.

Zwar hat Atletico, vom verrückten Präsidenten Jesus Gil y Gil ins Chaos getrieben, einen gewaltigen Schuldenberg aufgetürmt - darunter zusammengebrochen ist der Traditionsverein aber keineswegs.

Auch die Millionen, die nun für Aguero und Rosicky anfallen, hat Atletico offenbar nicht flüssig. Wie Kenner in Spanien mutmaßen, investiert der Klub das Geld, das der Verkauf von Nationalspieler Fernando Torres bringen soll - angeblich ist der FC Chelsea an ihm interessiert.

In der Vergangenheit belebte vor allem Bayer Leverkusen die Bundesliga durch seine Brasilien-Transfers. Doch die Zeiten sind schwieriger geworden. "Was sich verändert hat, das sind die Verhältnisse in Südamerika", sagt Völler, "mittlerweile verlangen die Klubs in Brasilien Riesensummen für einen Spieler, der ein wenig geradeaus laufen kann."

Bezahlt wird das Geld nicht nur in den klassischen Spitzenligen, sondern auch in Osteuropa, in Russland und der Ukraine zum Beispiel, "das ist mittlerweile für die Brasilianer ein sehr interessanter Markt".

© SZ vom 12.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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