Bundesliga-Finale:Das Geldspiel

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Im Derby zwischen dem HSV und Werder geht es um die Perspektive der Rivalen. Und darum, wer demnächst auf Spielerkauf gehen kann.

Jörg Marwedel

Es ist nicht oft passiert in der 43-jährigen Geschichte der Fußball-Bundesliga, dass Spieler und Verantwortliche des SV Werder Bremen ihr hanseatisches Understatement vergessen und ein paar Kraftsprüche in Richtung Gegner herausgehauen haben. Vor dem Nordderby an diesem Samstagnachmittag beim Hamburger SV ist dieser Fall eingetreten.

Ailton und der HSV haben den zweiten Tabellenplatz fest im Visier. (Foto: Foto: dpa)

"Unserem Rivalen geht die Puste aus", stichelte etwa Werders Torhüter-Oldie Andreas Reinke im kicker und setzte nach: "Wir haben einen Lauf - im Gegensatz zum HSV." Nationalspieler Torsten Frings verstieg sich zu der Aussage: "Egal wie die Tabelle aussieht - Werder hat die bessere Mannschaft, das haben wir bewiesen."

Und der sonst so nüchterne Geschäftsführer Manfred Müller stellte sich gar vor, "dass den Hamburgern schon vor Angst der Speichel aus dem Mund läuft".

Ungewohnte Verbaloffensive

Die ungewohnte Verbaloffensive hat einen doppelten Grund: Sportlich sitzen die Bremer dem nach fast 60 Pflichtspielen etwas ausgelaugten HSV vor diesem Endspiel um die direkte Qualifikation für die Champions League tatsächlich im Nacken; mit einem Sieg können sie noch am derzeitigen Tabellenzweiten vorbeiziehen.

Wirtschaftlich aber ist die Situation genau umgekehrt: Mit dem frischen sportlichen Erfolg im Rücken gewinnt der Rivale aus der größeren Hansestadt nach Jahren der Agonie auch finanziell zunehmend an Potenz.

"Der HSV hat aufgeholt", gibt Werders Manager Klaus Allofs zu, obwohl die Bremer ja selbst seit längerem kaum Fehler im Management gemacht haben. "Wir sind schon auf Augenhöhe mit Werder", vermeldet dazu Hamburgs Vorstandschef Bernd Hoffmann selbstbewusst.

Das direkte Duell könnte diesen Trend entweder etwas bremsen oder aber noch verstärken. "Das Geld liegt auf dem Rasen", titelte der Weser-Kurier, was durchaus ein stimmiges Bild ist.

Wer Zweiter wird, kann einkaufen

Wer die Saison als Zweiter hinter dem FC Bayern abschließt, darf mit garantierten Einnahmen von mindestens zehn Millionen Euro aus der Champions League auf Einkaufstour gehen - wer Dritter wird, lebt bis zum Ende der Qualifikationsrunde am 23. August im Ungewissen und muss seine Personalpolitik mit geringerer Planungssicherheit betreiben.

Zum Symbol des Hamburger Überholmanövers könnte ausgerechnet Werders Stürmer Ivan Klasnic, 26, werden. Schon zweimal in den vergangenen Jahren wollte der HSV den in Hamburg aufgewachsenen Kroaten gern verpflichten. Zweimal scheiterte das Vorhaben an den damals noch ungewissen sportlichen Perspektiven des HSV und am Geld.

Noch vor zwölf Monaten klagte HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer, man habe mit Werders Offerte für eine Vertragsverlängerung bis 2007 nicht mithalten können, während Klasnic lästerte, der HSV habe sich "etwas dumm angestellt". Auch im Buhlen um die Nationalspieler Miroslav Klose und Patrick Owomoyela blieb den Hamburgern das Nachsehen.

Jetzt stellt sich die Situation erstmals anders dar. Auf der Suche nach internationalen Topstürmern hat der HSV den Sohn der Stadt erneut ins Visier genommen, und man ist offenbar entschlossen, diesmal Nägel mit Köpfen zu machen.

Auf zum "Endspiel"

Zwar dementieren Spieler und Klub vor dem Derby Kontakte, doch Hoffmann raunt vielsagend: "Wir werden sehen, was nach dem 14. Mai realisiert wird." Klasnic wiederum, der Hamburg gern "die schönste Stadt der Welt" nennt, ließ unlängst beiläufig fallen, der HSV sei "immer eine Option". Pikant an dieser Konstellation ist, dass Klasnic selbst mit seiner Leistung in diesem "Endspiel" den Geschäftsgang womöglich mit beeinflussen könnte.

Siegt er mit Werder, haben die Bremer nicht nur finanziell weiter beste Argumente, andernfalls wird der HSV eine noch lukrativere Adresse.

Nicht auszuschließen ist also, dass das beste Angriffsduo der Liga (Klose traf 24 Mal und bereitete elf weitere Tore vor, Klasnic traf 14 Mal und gab sieben Torvorlagen) in der Hamburger Arena zum letzten Mal gemeinsam im Bremer Papageien-Dress spielt.

Klose und Micoud sprechen vom Wechsel

Zudem drohen weitere wichtige Puzzle-Teile des attraktiven Teams verloren zu gehen. Während sich Klose nach der WM einen Wechsel ins Ausland vorstellen kann und es den dritten Stürmer Nelson Valdez zu Borussia Dortmund zieht, sorgt auch Regisseur Johan Micoud für wachsende Unruhe.

In der französischen Sportzeitung L'Équipe bekräftigte der 32-Jährige (Vertrag bis Juni 2007) den Wunsch, in sein Heimatland zurückzukehren. "Zum ersten Mal, seit ich in Bremen bin, habe ich das Gefühl, nach Hause zu wollen", zitiert ihn das Blatt.

Interesse an Micouds Diensten haben Girondins Bordeaux und Paris St. Germain. Auf Klaus Allofs, so scheint es, kommen turbulente Wochen zu.

© SZ vom 13.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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