Bundesliga:"Ein FC Bayern lässt sich nicht permanent vorführen"

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Manager Uli Hoeneß über die Signalwirkung der Vertragsverlängerung von Willy Sagnol, einen Bösewicht und die deutsche Politik.

Klaus Hoeltzenbein und Philipp Selldorf

SZ: Herr Hoeneß, die Kanzlerin Angela Merkel hat zum Jahreswechsel eine Offensive der Ideen für ein besseres Deutschland ausgerufen. Was kann der FC Bayern dazu beitragen?

"Da fühl' ich mich wie in einer Familie. Da hocken dann die Franzosen und die Südamerikaner mit den Deutschen und dem Holländer, und das ist richtig schön. So habe ich mir immer Bayern München vorgestellt." (Foto: Foto: dpa)

Hoeneß: Dazu kann nur einer beitragen: der Mensch selbst. Jeder muss halt für sich sehen, dass er die Dinge etwas zuversichtlicher anpackt und nicht immer schaut, ob das Glas nur halb leer ist. Ich habe das Glas immer halb voll gesehen, mein Leben lang, das brauche ich mir nicht vorzunehmen. Ich habe das auch in meiner Weihnachtsansprache vor der Mannschaft gesagt: Das Schiff FC Bayern ist ein gutes Vorbild für Deutschland. In all den Jahren, in denen es links und rechts Probleme und Rückschläge gab, sind wir immer geradeaus gefahren.

SZ: Und Sie halten Kurs?

Hoeneß: Natürlich, und dazu habe ich mir für 2006 eines vorgenommen: dass wir uns auf diesem Niveau hinterfragen, in jeder Abteilung. Dazu werden wir im Frühjahr ein Führungskräfteseminar abhalten, wo jeder Verantwortliche sagen soll, wie er Verbesserung erreichen will.

SZ: Ein Fortschritt wäre, wenn die Vertragssache Michael Ballack geklärt würde. Wie ist der Stand nach den Ferien?

Hoeneß: Wie vorher: Da müssen Sie nicht mich, sondern Michael fragen. Wir warten ab, was passiert.

SZ: Das Angebot des FC Bayern besteht aber nicht mehr, oder?

Hoeneß: Nein, im Moment gibt es gar nichts. Es gab ja ein konkretes Angebot, das jede Einzelheit berücksichtigt hat. Laufzeit, Gehalt, Werbesituation - alles war geregelt. Dieses haben wir, wie bekannt, am 14. November zurückgezogen.

SZ: Und wie geht es weiter?

Hoeneß: Entweder er wird uns mitteilen, dass er irgendwo unterschrieben hat. Oder er möchte die Verhandlungen mit uns neu aufnehmen.

SZ: Haben Sie eine Frist gesetzt?

Hoeneß: Nein. Wir sind gerüstet für die Zeit ohne ihn. Aber wir würden ihm auch nicht die Tür zuschlagen und sagen: Jetzt ist es vorbei. Wir werden immer gesprächsbereit sein - doch wie die Gespräche dann laufen sollen, dazu habe ich im Moment keine klare Idee. Eines ist aber klar: Wir haben nun Gelder verlagert, auf andere Spieler, die wir unbedingt halten wollten. Willy Sagnol zum Beispiel.

SZ: Der schon unterschrieben hat?

Hoeneß: Seine Zusage hatten wir schon vor Weihnachten.

SZ: Oder Lúcio und Deisler.

Hoeneß: Wenn Michael unterschrieben hätte, hätten wir vielleicht bei dem einen oder anderen die Grenze tiefer gesetzt. Aber wir wollten Erfolgserlebnisse und zeigen, dass der FC Bayern eine Adresse ist und seine Spieler beieinanderhalten kann. Unsere Spieler sind stark nachgefragt. Erst diese Woche hat sich der AC Mailand wegen Sagnol gemeldet.

SZ: Zu spät. Aber wieso fragen die überhaupt an, sie hätten doch auch ohne Umweg auf den Spieler zugehen dürfen?

Hoeneß: Des guten Verhältnisses wegen ist das üblich. Wir haben die Kölner ja auch informiert, dass wir mit Lukas Podolski sprechen. Aber er hat kein Angebot erhalten, sondern nur die konkrete Absichtserklärung, dass wir ihn gern hätten. Das ist ein Unterschied. Wir haben bis heute nicht über Geld gesprochen.

SZ: Berührt das Zaudern von Michael Ballack Ihr Ehrgefühl?

Hoeneß: Es wirkt vielleicht so, aber ich habe kein Problem damit. Dass er mal ins Ausland wechseln will, hat er schon gesagt, als er 2002 zu uns kam - das gehört zu seiner Lebensplanung. Deswegen ist ja auch in all den Gesprächen keine einzige Härte aufgekommen. Das Störende ist, dass er so lang braucht. Sehen Sie, der Franz Beckenbauer hat ihn in den Ferien beim Stanglwirt getroffen. Er hat ihn gefragt, was er macht, und Michael hat gesagt, dass er sich nicht entschieden hat. Franz hatte das Gefühl, dass er das sehr ehrlich meint.

SZ: Wenn er geht, dann zu Real.

Hoeneß: Hängt vom neuen Trainer in Madrid ab. Wir waren jedenfalls immer gut informiert, wie die anderen ticken. Die Zusammenarbeit der großen Klubs ist inzwischen sehr gut.

SZ: Es sei denn, Juventus Turin ist im Spiel. Deren Werben um Willy Sagnol ging doch wohl im Geheimen vor sich - und hätte fast Erfolg gehabt. Wie haben Sie Sagnol zum Bleiben überredet?

Hoeneß: Willy ist ein spezieller Fall, ein sehr emotionaler Typ. Bei unserem ersten Gespräch hat er viel Geld verlangt. Wenn wir ihm das bezahlt hätten, hätte er wohl sofort unterschrieben. Aber das konnten wir nicht gleich machen, ich hab' Bedenkzeit erbeten. Dann hat er wohl gedacht: Das bezahlen die sowieso nicht, jetzt entscheide ich mich anders. Er hat ja lauter Pläne, und er meinte, er müsse noch mal was anderes machen, bevor er später nach Korsika zieht. Ich glaube, der entscheidende Punkt war, dass ich ihn angerufen und das Angebot aufrechterhalten habe, nachdem er uns abgesagt hatte. Das hat ihm unheimlich imponiert, dass wir nicht die Tür zugeschlagen haben.

SZ: Das war dann wohl der Heimweh-Faktor - obwohl er noch nicht weg war.

Hoeneß: Das ging ja dann erst richtig los. Mit den Fans, die ihn gefeiert haben, und in der Mannschaft, in der Willy unglaublich beliebt und der Leader der Ausländer ist. Spieler sind zu mir gekommen und meinten, wir müssten Willy unbedingt halten. Und seit er nicht mehr in Grünwald, sondern in der Stadt wohnt, ist er Münchner geworden. Genau wie Bixente Lizarazu, seitdem er im Hotel mitten in der Stadt wohnt. Der sitzt immer in seinem Lokal, meistens ist ein Tisch reserviert, er isst seinen Fisch und seinen Spinat, und auf einmal spricht er deutsch und liebt München wie seine zweite Heimat.

SZ: Das sind aber weit reichende Prozesse, um die Spieler zu überzeugen.

Hoeneß: Es ist halt ein Problem, wenn der Herr Capello (Trainer Juventus Turin) extra nach München kommt, und der Herr Moggi (Manager Turin) im Privatjet anreist. Da muss ich sagen, es ist einfach nicht in Ordnung, wenn man einen Spieler eines anderen Klubs vor der offiziellen Frist am 1. Januar so intensiv anspricht. Da kann man doch mal anrufen. Chelsea hat im Fall Ballack angerufen, Manchester, Milan auch - Juve hat wegen Sagnol nie angerufen, obwohl sie am konkretesten mit ihm verhandelt haben.

SZ: Wollten Sie Juve mal zeigen, dass Sie mithalten können, nachdem Turin im letzten Jahr Robert Kovac weglockte?

Hoeneß: Die durften uns nicht wieder eine Flanke aufreißen mit ihren Fernsehgeldern, die sie dort reingeschaufelt bekommen, ohne was dafür zu tun. Wir wollten Flagge zeigen: Ein FC Bayern lässt sich nicht permanent vorführen. Das haben wir uns was kosten lassen.

SZ: Weil sich die Hand voll Spitzenklubs stets um die gleichen Spieler balgt?

Hoeneß: Mit einer Ausnahme, und das ist der Herr Abramowitsch. Der spielt in einer eigenen Liga, da können wir nicht mithalten. Wenn der sagt, ich will den Sagnol, dann schüttet er ihn solang zu, bis er zu Chelsea kommt. Aber ich hab' da keinen Groll: Es ist ja sein eigenes Geld.

SZ: Willy Sagnol ist demnach aber die programmatische Personalie, die eigentlich Ballack sein sollte?

Hoeneß: Richtig.

SZ: Wenn Ballack jetzt auch noch ,Ja' sagen sollte, erfüllt sich eine mittel- bis langfristige Personalplanung. Wo wollen Sie künftig neue Reize durch neue Spieler in der Teamhierarchie setzen?

Hoeneß: Sollen wir, wenn Michael kommt, sagen: "Nee, die Tür ist zu?" Wir sind überzeugt von diesen Spielern. Deshalb haben wir mit Deisler verlängert, mit dem sich der FC Arsenal beschäftigt hat, und mit Lúcio. Das waren Signale.

SZ: Juventus hat auf die Klagen aus München angemerkt: Was können wir dafür, wenn die Bayern mit zehn offenen Verträgen in die Saison gehen?

Hoeneß: Der Vorwurf war teilweise berechtigt. Darüber hatten wir hier auch einen kleinen Dissens. Der eine meinte, die Preise gehen noch ein bisschen runter, der andere meinte, dass das nicht passiert - und die Preise sind nicht runtergegangen. Deswegen hatten wir einen heißen Herbst. Das war eine heiße Kiste, die haben wir noch einigermaßen geregelt - aber das wird uns nicht mehr passieren.

SZ: Und jetzt müssen Sie sich mit Werder Bremen und dem Hamburger SV kabbeln. Auch diese beiden Klubs wollen Lukas Podolski. Wird der Norden frech?

Hoeneß: Ach was, das ist völlig legitim, dass die jetzt Führungsanspruch in Deutschland anmelden. Es ist doch noch gar nichts passiert, es sind noch keine Summen aufgerufen. Erstmal muss sich doch der Spieler erklären, was er will.

Geschachere um Michael Ballack: "Wir sind gerüstet für die Zeit ohne ihn." (Foto: Foto: dpa)

SZ: Podolski ist 20, er hat bescheidene vier Tore in der Hinrunde erzielt. Sind Sie überzeugt von seinen Fähigkeiten?

Hoeneß: Er ist auf jeden Fall das größte deutsche Stürmertalent. Aber er leidet unter dem Druck, der tagaus, tagein auf ihn einwirkt. Dem ist er nicht gewachsen. Sebastian Deisler hat das gut beschrieben, wie er damals der Alleinunterhalter für die Yellow Press in Mönchengladbach und Berlin gewesen ist. Die breiten Schultern, die es hier in der Mannschaft gibt, würden Podolski gut tun, dann könnte er sich mal wieder auf Fußball konzentrieren.

SZ: Finanziell hätte der FC Bayern wohl Vorteile.

Hoeneß: Dass sich der HSV bemüht, ist ja legitim. Die große Frage ist, ob die - wenn's drauf ankommt - in die Festgeld- oder in die Kreditabteilung gehen müssen, um den Spieler zu bekommen.

SZ: Und der Festgeldspeicher des FC Bayern wird immer voller, oder?

Hoeneß: Nein, aber er ist auch nicht leerer geworden.

SZ: Trotz der neuen Personalien?

Hoeneß: Zahlen wir aus dem Cashflow.

SZ: Ballack auch?

Hoeneß: Ja.

SZ: Podolski?

Hoeneß: Die Ablöse käme vom Festgeld, Gehalt nicht. Aber unsere liquiden Mittel liegen zwischen 120 und 150 Millionen Euro, die werden nicht weniger.

SZ: Was wollen Sie mit dem vielen Geld noch anstellen?

Hoeneß: Gar nichts. Liegenlassen. Und immer vermehren. Immer vermehren. Oder sollen wir's rausschmeißen?

SZ: Der FC Bayern könnte sich geheime Wünsche erfüllen. Stattdessen bleibt die Mannschaft komplett, einschließlich Oliver Kahn. Auch bei ihm hat es ja geheißen, er wolle noch mal ins Ausland.

Hoeneß: Mir war klar, dass Oliver nicht in Japan spielen kann. Wenn der in Tokio zwei Stunden im Verkehr festsitzt, wird er wahnsinnig. Als wir da im Sommer gespielt haben, wusste ich: Um Kahn müssen wir uns gar keine Sorgen machen. Der Guido Buchwald (Trainer in Tokio) hat uns erzählt, dass er jeden Tag drei Stunden im Auto sitzt.

SZ: Warum haben Sie dann gleich um zwei Jahre mit Kahn verlängert?

Hoeneß: Er wollte das so. Da haben wir gar nicht diskutiert. Wir können einem so verdienten Mann nicht sagen, wir wollen nur ein Jahr, und es womöglich daran scheitern lassen.

SZ: Und jetzt sind alle, einschließlich Trainer Felix Magath, zufrieden mit der neuen, alten Mannschaft?

Hoeneß: Sehr. Felix hat ja eingeführt, dass am Abend vor dem Spiel um halbzehn an der Bar zusammen ein Bier getrunken wird. Und da fühl' ich mich wie in einer Familie. Da hocken dann die Franzosen und die Südamerikaner mit den Deutschen und dem Holländer, und das ist richtig schön. So habe ich mir immer Bayern München vorgestellt.

SZ: Was fehlt?

Hoeneß: Es muss uns halt nur gelingen, aus dieser guten Stimmung noch mehr Leistung rauszuholen. Felix sagt, er bräuchte eigentlich noch einen Spieler, vor dem die anderen Angst haben. Einen bösartigen. Einen Roy Keane oder Frank Lampard oder John Terry.

SZ: Kann es auch ohne so einen Typen in der Champions League weitergehen, im Achtelfinale gegen den AC Mailand?

Hoeneß: Ja, unsere Mannschaft kann an einem guten Tag jeden Gegner schlagen. Das haben wir hier beim 2:1 gegen Juventus gesehen, in einem der besten Spiele seit Jahren. Der kleine Nachteil gegen Milan ist, dass wir zuerst zu Hause spielen müssen: Du musst vorlegen - und danach kommst du in die Höhle des Löwen. Ich hätte aber, wenn alle gesund sind, auch gegen Real, Barcelona oder Chelsea keine Angst.

SZ: Wovor dann?

Hoeneß: Dass die Mannschaft, wenn sie vermeintlich alles erreicht hat, wie beim Rückspiel in Juve, oder zuletzt in Brügge, noch schwächelt. Dass bei vermeintlicher Überlegenheit nicht alles abgerufen wird. Dieser Killerinstinkt, der fehlt. In Dortmund war zuletzt auch so ein schlimmes Spiel, ein Gurkenspiel in der ersten Halbzeit. Da hatte man alles erreicht, super, wir waren Herbstmeister, was fehlte, war der Eigenantrieb, einer, der sagt: Wouh! Los jetzt! Noch mal.

SZ: Warum denn?, wird sich manch einer fragen. Wo doch 2005, trotz des Umzugs aus dem Olympiastadion in die Arena, daheim nicht ein Punkt verloren wurde.

Hoeneß: Das ist die Gefahr: Du kennst die Niederlage, du kennst dieses Gefühl nicht mehr, zu verlieren. Und dann kriegst du plötzlich mal fünf Stück in einem Spiel. Das kann passieren.

SZ: Wäre vielleicht sogar hilfreich.

Hoeneß: Wenn's nicht in Mailand ist.

SZ: Auch dort muss die Bösewichtrolle aus der Summe der Darsteller erwachsen. Oliver Kahn hat ja auch oft...

Hoeneß: ... aber der Torwart kann doch nicht eingreifen. Der Torwart kann eher negative Signale setzen, wenn er übermotiviert einen über die Klinge springen lässt, gibt's Elfmeter, Rote Karte, bringt nichts. Das muss das Kollektiv lösen, mal der, mal der - aber wir sollten das jetzt nicht auf die Rolle des Bösewichts fokussieren. Da fehlt halt noch ein Spieler, der auch mal die Kollegen in den Hintern tritt und nicht alles so laufen lässt wie beim Gurkenspiel. Roque Santa Cruz hat mir mal gesagt: Manager, ich kann nur gut spielen, wenn es mir Spaß macht. Ich hab geantwortet: Es muss dir auch Spaß machen, gut zu spielen. Das ist der wichtige Unterschied.

SZ: Das ist Dialektik.

Hoeneß: Wenn ich jetzt an einen Zlatan Ibrahimovic denke, von Juve, wie der dir weh tut. Und wenn ich unseren Roy sehe, wie der dir eben nicht weh tut.

SZ: Müssen Sie Roy Makaay Dampf machen?

Hoeneß: Müssen wir mal beobachten. Er hat sicherlich über seine Hinrunde nachgedacht, und er hat sicher auch darüber nachgedacht, dass sein Vertrag bisher nicht verlängert wurde. Das ist auch ein Signal: dass er wissen muss, dass es so nicht geht. Er muss dahinkommen, wo er war: dass er nicht nur Tore schießt, sondern auch mitarbeitet. Dass er in der Mannschaft wieder ein Faktor wird.

SZ: Noch ein Exkurs zu Frau Merkel: Die Bundeskanzlerin arbeitet an blühenden Landschaften. Können Sie helfen?

Hoeneß: Ich habe gelesen, sie sei ein Fußball-Fan und sehe gern den FC Bayern. Da hat sie ja ein wunderbares Beispiel, wie man über vier Jahre diese blühenden Landschaften zusammenbasteln kann. Wir wären gerne bereit, ihr bei einem Abendessen zu erklären, wie wir das hier gemacht haben. Vor allem weil ich ihre bisherige Arbeit sehr schätze.

SZ: Sie sollten Sie zu Ihrem Führungskräfteseminar einladen.

Hoeneß: Noch lieber würde ich mich mit Herrn Müntefering treffen. Der macht mir am meisten Spaß.

SZ: Wie das?

Hoeneß: Das ist so ein Typ mit Haken und Ösen, und er ist mit Herz bei der Sache. Der gefällt mir im Moment von allen Politikern am besten.

SZ: Franz Müntefering hat Ihren Lieblingspolitiker Joschka Fischer abgelöst?

Hoeneß: Nee, Fischer wird immer mein Liebling bleiben. Aber ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich sehe: Müntefering, Steinbrück, der wird ein guter Finanzminister sein - Eichel konnte gar nichts. Wir haben jetzt eine Regierung, die in der Lage sein wird, ihre Chancen zu nutzen. Aus einem katastrophalen Zustand nach der Wahl ist der kleinste gemeinsame Nenner geworden.

SZ: Sie haben doch nicht etwa anders gewählt als sonst? Warum schwärmt der bekennende CSUler für SPD-Personal?

Hoeneß: Der beste Mann am besten Ort. Das müssen wir lernen, dass nicht die Partei entscheidend ist, sondern die Persönlichkeit. Auch der Gerhard Schröder ist jetzt am richtigen Platz, ich finde es unmöglich, dass er als Aufsichtsrat bei Gazprom so sehr kritisiert wird. Einfach nur Neidkultur. Mir ist es doch lieber, unseren ehemaligen Kanzler an dieser wichtigen Stelle zu wissen. Dazu nur der alte Spruch aus Österreich: "Lass andere Kriege führen - du, glückliches Österreich, heirate. Tu, felix Austria, nube."

SZ: Im politischen Herbst, kurz nach der Wahl, hatten Sie den Zustand des Landes mit dem der Nationalmannschaft unter Jürgen Klinsmann verglichen - und ihn als katastrophal bezeichnet. Hat sich da ihr Urteil ähnlich gewandelt?

Hoeneß: Ich hab' beschrieben, was ich sah, und da konnte mir keiner widersprechen, der die Spiele gegen Holland, die Slowakei, die Türkei oder China gesehen hatte. Ich halte nichts davon, den Mantel der Nächstenliebe über alles zu decken.

SZ: Das Gewitter hat gereinigt?

Hoeneß: Ich maße mir jetzt nicht an, dass ich mit meiner Kritik was bewirkt hätte. Jetzt sollten wir Gas geben: Der Bundestrainer hat unsere volle Unterstützung! Wir werden alles einbringen, was der FC Bayern zur Verfügung hat, um Deutschland zu helfen. Und ich hoffe, dass wir gemeinsam Erfolg haben, denn ein Erfolg der Nationalmannschaft färbt auch auf Bayern München ab.

SZ: Ist diese Linie mit Felix Magath abgestimmt? Ihr Trainer hat ja oft sehr eigenwillige Kommentare zur Arbeit von Jürgen Klinsmann abgegeben.

Hoeneß: Wir haben das Jahr 2006 zum Jahr der Kooperation erklärt, und nicht der Konfrontation.

SZ: Das ist ja mal ein Beitrag aus dem Land der Ideen. Das wird die Klinsmann-Parole für 2006 noch beflügeln: Wir wollen Weltmeister werden! Wird da nicht viel zu viel versprochen?

Hoeneß: Nein. Man muss das als Zielsetzung ausgeben, man braucht Schlagworte in unserer Gesellschaft. Die Medien brauchen das, das Volk auch, und wenn du verkündest: Wir wollen ins Viertelfinale! - damit kann keiner was anfangen. Du musst das oberste Ziel ansetzen, um ein Mindestziel zu erreichen.

SZ: Scheitern mit Glanz und Gloria?

Hoeneß: Warum? Wenn Deutschland mit dieser relativ leichten Vorrunden-Auslosung in Schwung kommt, die Mannschaft zusammenwächst, dann geht immer was. Es ist ja immer nur ein einziges Spiel. Die Brasilianer sind vielleicht müde am Ende der Saison, die Engländer auch - und die Deutschen werden getragen von Begeisterung. Eine Heimmannschaft hat halt gewisse Impulse, die andere nicht haben. 1974, das WM-Endspiel, das durften wir doch auch nicht gewinnen, so, wie die Holländer gespielt haben. Trotzdem haben wir"s gewonnen. Weil eben ... da geht halt was.

© SZ vom 7.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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