Bundesliga:Die Fünf-Minuten-Meister

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The same procedure as every year: Eine Mannschaft darf sich für ein paar Minuten als Meister fühlen. Zumindest aber als ernsthafter Jäger. Nach 90 Minuten des 34. Spietags aber stehen wieder die Bayern vorne.

Jürgen Schmieder

81 Sekunden! Nicht einmal zwei Minuten! So lange durften sich die Spieler des HSV als Bayern-Jäger fühlen. Um 16.50 Uhr am Samstag war das. Um diese Uhrzeit nämlich führten die Hamburger gegen Dortmund mit 2:1, Bayern München lag in Duisburg 0:1 zurück.

Der Abstand in der Blitztabelle betrug drei Punkte. Nicht viel, das hätte in den verbliebenen sieben Spieltagen noch aufgeholt werden können. Prima, endlich wieder Spannung in der Liga. Dann schlug es wieder zu, das Ding, das so viele Namen trägt: Schicksal, Pech, Bayern-Dusel, der Fußballgott, das "Meister der Herzen"-Phänomen.

Denn es kam, wie es immer kommt: Bayern München zündete für etwa 30 Minuten den Turbo, während der Verfolger im kollektiven Freudentaumel einen Gang zurückschaltete. Das Resultat ist bekannt: Hamburg verliert, Bayern gewinnt. Abstand nach 90 Minuten: neun Punkte, quasi uneinholbar.

The same procedure as every year. Nur die Mannschaften, die für wenige Minuten das Hochgefühl des Bayernjägers erleben, sind austauschbar. Im vergangenen Jahr war es Schalke 04. Die waren nach dem 27. Spieltag sogar noch punktgleich mit den Münchnern. Und dann? Reden wir nicht drüber.

Überhaupt traf es die Schalker am Schlimmsten: In der Saison 2000/2001 waren die Schalker mehrere Male Deutscher Meister. Während des 33. Spieltages schon, in der 80. Minute. Dann aber verloren die Schalker in Stuttgart, Alexander Zickler traf für die Bayern gegen Kaiserslautern. Aber es blieb ja noch der 34. Spieltag.

Schalke gewinnt gegen Haching, der HSV führt gegen Bayern. Internetportale vermeldeten bereits, dass die Schale auf Schalke übergeben würde. Doch nach 90 Minuten in Hamburg feierten die Bayern und die Schalker bekamen den undankbaren Titel "Meister der Herzen" zugesprochen.

Lange Liste der Kurzzeit-Meister

Ein Jahr zuvor erwischte es Bayer Leverkusen. Nach dem 33. Spieltag uneinholbar vorne - ein mageres Pünktchen in Unterhaching musste her. Es klappte nicht, Bayer verlor durch ein Eigentor von Michael Ballack das Spiel und die Meisterschaft. Kein Wunder, dass der Mittelfeldspieler zwei Jahre später nach München floh. Er wollte eben auch mal Meister werden.

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen: der FC Köln 1989/90, Kaiserslautern 1993/94, Leverkusen 1996/97.

Werder Bremen hatte in den achtziger Jahren traumatische Erlebnisse. Höhepunkt war der Elfmeter von Michael Kutzop am 22. April 1986. Beim Elfmeterpfiff waren die Bremer Meister. Dann kamen ein Schuss, ein Pfosten, ein 0:0. Nach 90 Minuten des 34. Spieltags feierten die Bayern.

Warum das so ist? Das weiß wohl keiner. Deshalb gibt es ja diese Begriffe wie "Meister der Herzen" oder "Meister für fünf Minuten". Das Wort "Meister" ohne Zusatz aber bleibt meist den Bayern vorbehalten. Obwohl: Der FC Bayern führt den Titel "Rekord-" vorneweg.

Man kann also Gary Linekers Spruch gerne auch auf die Bundesliga umwandeln: Fussball ist ein Spiel von 22 Leuten, die rumlaufen, den Ball spielen, und einem Schiedsrichter, der eine Reihe dummer Fehler macht, und am Ende gewinnt immer Bayern München.

Außer manchmal.

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