Bundesliga-Auftaktspiel:Einfach immer weiter

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Auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit brilliert der Titelverteidiger aus München mit einem Kantersieg - und lässt beim 8:0 gegen komplett hilflose Schalker sogar noch etliche Chancen ungenutzt.

Von Sebastian Fischer, München

Die neue Saison begann mit dem Zusammenspiel jener Protagonisten, die auch am Ende der vergangenen Spielzeit zusammen Musik gemacht haben. Es ist weniger als einen Monat her, dass der FC Bayern im Finale um die Champions League Paris Saint-Germain besiegte und Joshua Kimmich und Serge Gnabry den Gewinn des Triples feierten, indem sie mit einer Trommel und singend durchs leere Stadion in Lissabon zogen.

Am Freitag, als der FC Bayern am ersten Spieltag der 58. Bundesliga-Saison den FC Schalke 04 empfing, waren nun gerade mal vier Minuten gespielt, da hob Kimmich im Mittelfeld den Blick, er spielte einen hohen Pass hinter die Schalker Abwehrkette, Gnabry verarbeitete den Ball im Lauf, drehte sich, spielte Benjamin Stambouli aus und traf zum 1:0. Es war der Auftakt zu einem beeindruckenden 8:0 (3:0). Es geht also beim deutschen Meister offenbar weiter wie gehabt - nur dass jetzt noch jemand mitspielt, der auch schon so wirkt, als könnte er mit seinen Kollegen demnächst auch schon ein bisschen trommeln und singen: Leroy Sané, 24, gab sein Debüt im Münchner Trikot. Wie sehr er schon ins Offensivspiel passte, das war eine der Geschichten des Abends.

Tatsächlich ist zum Saisonstart beim FC Bayern ja nicht nur von Euphorie nach dem Gewinn des Triples die Rede. Die Themen sind der öffentlich ausgetragenen Streit um die weiterhin ausstehende Vertragsverlängerung von Abwehrchef David Alaba, der gegen Schalke mit muskulären Problemen im linken Oberschenkel fehlte, oder der Abschied von Mittelfeldspieler Thiago zum FC Liverpool, der sich lange angedeutet hatte, aber Trainer Hansi Flick unter der Woche dennoch beschäftigte. "Wir verlieren noch mal einen Qualitätsspieler", sagte er. Und so lenkte er den Blick darauf, dass vor dieser Saison, in der es durch die Pandemie noch weniger Pausen als sonst geben wird, der Kader des FC Bayern noch kleiner als vorher ist.

Zwar soll auch der Zugang des Außenverteidigers Sergiño Dest von Ajax Amsterdam kurz bevorstehen, laut Informationen der Bild soll sich der FC Bayern mit Ajax Amsterdam über einen Transfer einig sein, doch Flick wünscht sich noch ein paar Ergänzungen mehr - es verdichteten sich gleichzeitig ja auch die Anzeichen für einen Weggang von Defensivspieler Javi Martínez zu Athletic Bilbao. Gegen Schalke füllten Chris Richards, 20, und Jamal Musiala, 17, sowie die beiden Torhüter Sven Ulreich und Alexander Nübel die Ersatzbank auf. Auf dem Platz machten sich mögliche Engpässe allerdings noch überhaupt gar nicht bemerkbar. Musiala erzielte gar das 8:0.

In der Startelf fehlte neben Alaba auch Alphonso Davies auf der linken Abwehrseite, für ihn spielte Lucas Hernández. Rechts verteidigte wieder der in Lissabon angeschlagene Benjamin Pavard, sodass Kimmich nach vorne auf die Sechserposition neben Leon Goretzka rückte. Der hatte unter der Woche angedeutet, dass sich in dieser voraussichtlich kraftraubenden Saison die Münchner Spielweise etwas ändern könnte: womöglich weniger Pressing, ein paar mehr Ruhephasen. Doch auch davon war noch nichts zu sehen.

Die Bayern rückten so weit nach vorn, dass Schalke zu Beginn tatsächlich ein paar Mal konterte und Torwart Manuel Neuer mitspielen musste. Vor allem dominierte der Rekordmeister aber derart, dass das 3:0 zur Pause die Überlegenheit noch längst nicht widerspiegelte. Goretzka erzielte nach Vorlage von Thomas Müller nach 19 Minuten das 2:0. Und als Robert Lewandowski nach einer halben Stunde per Elfmeter traf, hatte er schon ein paar Gelegenheiten vergeben, die ihm Sané aufgelegt hatte. Kurz vor der Pause traf gar Verteidiger Niklas Süle den Pfosten. Und Flick ärgerte sich über jede einzelne ausgelassene Chance.

In der zweiten Halbzeit war es dann vor allem Sané, der dafür sorgte, dass die Münchner weniger Gelegenheiten vergaben. Das 7:0 erzielte er selbst, zweimal legte er brillant für Gnabry auf. "Es hat sich sehr, sehr gut angefühlt, endlich mit den Jungs zusammen Fußball zu spielen", sagte Sané, der nach seiner Auswechslung ausgiebig gekichert hatte, später bei Dazn. "Es war ein sehr guter Tag, ein gutes Spiel, viele Tore. Wir haben nichts anbrennen lassen. Ich bin sehr glücklich." Weil die Schalker ihre Gegenwehr in den Zweikämpfen immer mehr aufgaben, immer schüchterner spielten und tiefer standen, sahen die Münchner Spielzüge in der letzten halben Stunde wie im Training aus; wie in einem Mannschaftstraining, das beim FC Bayern wohlgemerkt erst seit rund einer Woche wieder stattfindet. Das 6:0 durch Müller bereitete Lewandowski mit einem Rabona-Trick vor: Er schlug die Flanke hinter dem Standbein. Es war die endgültige Demütigung der Gäste aus Gelsenkirchen. Schalkes Bastian Oczipka war bedient: "Dass es schwer wird, gegen den Triple-Sieger zu bestehen, war klar. Allerdings ist das Ergebnis scheiße, das kann man nicht anders sagen." Sein Klub ist nun seit 17 Bundesliga-Spielen ohne Sieg.

Die Stimmung im Stadion war nicht so, wie zumindest die Münchner sich das gewünscht hatten; eigentlich hätten wieder ein paar Fans da sein sollen, wie es in anderen Bundesliga-Stadien an diesem Wochenende ist. Doch anstelle von 7500 Zuschauern waren in der Arena wegen steigender Corona-Infektionszahlen in München wie in den vergangenen Monaten keine Zuschauer erlaubt. So hörte man die berühmt gewordenen lauten Anweisungen von Thomas Müller an seine Mitspieler, und auch seine Worte erzählten die Geschichte des Abends: Sein neuer Kollege Sané beteiligte sich bereits wie selbstverständlich am Verteidigen am gegnerischen Strafraum. "Bravo, Leroy!", rief Müller.

Willkommen bei den Unersättlichen.

© SZ vom 19.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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