Brose Bamberg:Energielieferant und Identitätsstifter

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Voller Entschlossenheit: Nach acht Jahren in Göttingen fühlt sich der Basketball-Trainer Johan Roijakkers bereit für eine neue Herausforderung in Bamberg. (Foto: Swen Pförtner/Imago)

Vom neuen Trainer Johan Roijakkers erhofft sich der Basketball-Bundesligist Brose Bamberg vor allem emotionale Impulse. Dass er mit bescheidenen Mitteln arbeiten kann, hat der Niederländer bereits bewiesen: Nun fühlt er sich bereit für ein höheres Niveau.

Von Joachim Mölter

Die modernen Medien machten es möglich, dass der Basketball-Bundesligist Brose Bamberg in dieser Woche seinen neuen Trainer präsentieren konnte, obwohl der gar nicht präsent war. Johan Roijakkers saß noch an seinem bisherigen Arbeitsplatz in Göttingen, rund 220 Kilometer Luftlinie entfernt; er war zu einer Videokonferenz zugeschaltet worden, wie das in diesen Zeiten mittlerweile üblich ist. Aber der 39-Jährige versprach, noch in dieser Woche leibhaftig in Bamberg vorbeizuschauen. Bei der Gelegenheit bekommt er einige Wohnungen gezeigt, von denen er eine demnächst beziehen wird. Im Idealfall bleibt er dann drei Jahre.

Solange haben die Oberfranken den Niederländer verpflichtet, und den schreckt es nicht, dass er innerhalb von drei Jahren bereits der sechste Chefcoach ist, den Brose vorstellt: "Bamberg hat in der Vergangenheit auch gezeigt, dass es Kontinuität auf dem Trainerposten haben kann", erinnerte er an Kollegen wie Dirk Bauermann, Chris Fleming, Andrea Trinchieri. Die wirkten sieben, sechs bzw. vier Jahre und holten in dieser Zeit jene neun Meistertitel, mit denen sich die Stadt nun schmückt.

An diesen Erfolgen muss sich Johan Roijakkers nicht messen lassen, auch nicht an den Meriten seines unmittelbaren Vorgängers Roel Moors. Der Belgier war als Champions-League-Trainer des Jahres aus Antwerpen gekommen und nach nur einer Saison in der Basketball-Bundesliga (BBL) wieder entlassen worden, gleich nachdem Brose beim Finalturnier in München in der ersten K.-o.-Runde ausgeschieden war. "Es hat aus verschiedenen Gründen nicht so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben", sagte Geschäftsführer Arne Dirks.

Was sie sich in Bamberg vorstellen, fasste Dirks kurz so zusammen: "Kampf und Leidenschaft." Jedenfalls waren das die zwei meist gehörten Wörter bei Roijakkers Vorstellung am Mittwoch. "In Bamberg spricht man immer von Leidenschaft, das ist hier sehr wichtig", hat ja auch Sportdirektor Leo De Rycke schnell festgestellt, der 2019 mit Moors aus Antwerpen gekommen war, im Gegensatz zu diesem aber bleiben darf. Als De Rycke das Anforderungsprofil beschrieb, mit dem er nach einem Nachfolger für seinen Landsmann fahndete, war herauszuhören, woran der gescheitert war: "Wir waren auf der Suche nach einem Coach, der Erfahrung hat in der BBL und bestenfalls auch Deutsch kann."

Beides kann Roijakkers nachweisen, er kam 2012 zur BG Göttingen, als die gerade aus der Bundesliga abgestiegen war. 2014 führte er den Klub zurück in die höchste Liga, in der er fortan regelmäßig um den Verbleib kämpfte. "Er hat es zwar nie in die Playoffs geschafft", sagte De Rycke über den neuen Coach, "aber er hat immer nur mit niedrigen Budgets gearbeitet." Trotzdem kam Roijakkers mit seinen Göttingern beim Münchner Turnier genauso weit wie Bamberg, nämlich ins Achtelfinale. Platz sieben im Abschlussklassement dieser Corona-Saison ist Göttingens bestes Ergebnis seit der BBL-Rückkehr.

"Ich war ready für eine neue Herausforderung, für ein höheres Niveau", erklärte Roijakkers nun und versicherte: "Für mich ist Bamberg immer noch ein Topverein." Auch wenn der künftig sparen muss, wie es der Gesellschafterchef Michael Stoschek angekündigt hat, so dürfte Roijakkers immer noch über einen deutlich höheren Etat und damit größere Möglichkeiten verfügen als zuletzt in Göttingen.

Große Ziele wollte er trotzdem nicht ausrufen, "erst mal sehen, was für eine Mannschaft wir auf die Beine stellen können", sagte er. Dirks und De Rycke hatten ihn bereits in die jüngsten Entscheidungen einbezogen. Kurz bevor Roijakkers willkommen geheißen wurde, waren Kapitän Elias Harris, Center Asem Marei und Flügelspieler Tre' McLean verabschiedet worden: Bei Harris war der Vertrag ausgelaufen (wie zuvor schon bei Louis Olinde, Jordan Crawford und Retin Obasohan), bei den anderen beiden wurde er aufgelöst. Das passt zwar ebensowenig zum verordneten Sparkurs wie die Trennung von Trainer Moors, aber "die Verträge sind so gestaltet, dass es für beide Seiten Möglichkeiten der Auflösung gibt", erklärte Dirks: "Natürlich kostet das Geld, aber wir haben trotzdem entschieden, einen neuen Weg zu gehen." Den zuletzt in Bamberg überstrapazierten Begriff vom "Reset" vermied auch Roijakkers, er sprach lieber von "neuer Energie". Auch ihm war aufgefallen, "dass am Ende nicht mehr genug Emotion in der Mannschaft war". Das wolle er ändern, sagte er: "Ich denke, Bamberg ist auf der Suche nach einer neuen Identität, und ich glaube, dass ich die mit meinem Staff bringen kann."

Sein Staff, das sind der Co-Trainer Hylke van der Zweep, der Athletiktrainer Domenik Theodorou sowie der Scout Julian Meier. Das Trio ist in Göttingen bereits verabschiedet, in Bamberg aber noch nicht unter Vertrag genommen worden. Es seien noch Details zu klären, heißt es. Auch über einige Profis wird erst abschließend beraten, vor allem über Spielmacher Paris Lee. Der hat zwar noch einen gültigen Vertrag für nächste Saison, sich aber zuletzt auch mit abfälligen Äußerungen in den Sozialen Medien unbeliebt gemacht. Was die Klubverantwortlichen zuletzt sagten, klang nicht so, als wollten sie Lee mit aller Gewalt zum Bleiben überreden. Zumal sie ihrem neuen Coach bescheinigen, "große Erfolge bei der Spieler-Akquise" gehabt zu haben, und offensichtlich die Überlegung besteht, aus Göttingen auch noch den einen oder anderen Profi zu holen. Man wird sehen. Jetzt muss erst mal Johan Roijakkers kommen.

© SZ vom 03.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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