Bremen gegen Sofia 2:0:Die Hallo-wach-Brasilianer

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Naldo und Diego schießen Werder Bremen zu einem routinierten 2:0 gegen Levski Sofia.

Ralf Wiegand

Es ist besonders faszinierend an einer Menge von 36642 Menschen, die an einem Ort versammelt ist, wenn diese Menschen gemeinsam zu schweigen beginnen. In einem Fußballstadion passiert das eher selten, das sind normalerweise Orte der Anti-Stille. Wenn aber langsam das rhythmische Klatschen erstirbt, die Gesänge verebben, am Ende nicht mal jemand mehr in seine Tröte tröten will und schließlich ein Hüsteln genau zu orten ist, dann ist das eine erstaunliche gruppendynamische Leistung. Laut sein kann ja jeder.

Leider ist es kein gutes Zeichen für das Fußballspiel in solch einem Stadion. Das Bremer Publikum war Mitte der ersten Halbzeit im Champions League Spiel gegen Levski Sofia sehr leise. Niemand konnte mit dieser zähen Gemengelage auf dem Rasen etwas anfangen, wo sich die Bulgaren als ausgebuffte Räumezusteller erwiesen und die Bremer ungewohnt einfallslos nach dem letzten Pass suchten, ihn aber nicht fanden. In die Stille hinein platzte Naldo.

Ronaldo Aparecido Rodrigues, 24, ist die eine Hälfte der (in Stollenschuhen) übereinander gestapelt gut vier Meter hohen Innenverteidigung von Werder Bremen. Der immer fröhliche Brasilianer war schon in der vergangenen Saison eine Stütze der insgesamt eher wankelmütigen Bremer Abwehr. Seitdem aber neben dem 198-Zentimeter Mann ein ebenso langer, ähnlich schlaksiger und mit der gleichen Gabe zur Antizipation gesegneter Partner spielt - Per Mertesacker -, scheint Naldo noch sicherer geworden zu sein.

Mittlerweile sieht man ihn auch mal durch Mittelfeld dribbeln, und gelegentlich wendet er sogar die zwei Arten, auf die er Tore zu erzielen versteht, im Wettkampf an. Naldo kann es per Kopf, oder indem er auf den Ball von ganz weit weg ganz feste druff donnert.

Wie am Mittwoch gegen Sofia. Wenigstens fast. Sein Freistoß in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit war zwar in der Absicht getreten, dem Torwart mindestens die Handschuhe von den Pranken zu schießen, verkümmerte aber unterwegs etwas, schlich sich daher verstohlen durch die bulgarische Abwehrmauer, hoppelte gegen den Innenpfosten - und weckte, weil er ins Tor fiel, das Publikum umgehend aus seiner eigenartigen Lethargie. In der Pause hatten sie bei Bratwurst und Bier wenigstens dieses 1:0 zu besprechen.

In der Champions League kann es eben nicht schaden, wenn man - wenn schon das übliche Spektakel im Weserstadion wegen spürbarer Gegenwehr des Gegners ausfällt - an die Stelle der Show die Geduld setzt. Sofia kam zwar mit der kaum schmeichelhaften Empfehlung von 1:8 Tore aus zwei Spielen nach Bremen, hatte in der heimischen Liga aber noch kein einziges Gegentor kassiert (bei 26 eigenen Treffern).

Diego bannt die Gefahr

Entsprechend unangenehm war sie zu spielen, die Mannschaft um den etwas moppelig gewordenen Ex-Löwen Daniel Borimirow, die nur auf Konter spekulierte, welche sie allerdings ohne jede Konsequenz setzte. Werder hingegen fiel relativ schnell relativ wenig ein, nachdem Klose eine schöne Chance zu Beginn hatte (5.). Nachdem Pierre Womé mit ungefähr fünf Flanken von links innerhalb von drei Minuten alles mögliche traf, nur nicht den Geschmack des Publikums oder den Fuß eines Mitspielers, sickerte besagte Stille ins Stadion.

Naldos Hallo-Wach-Schuss kurz vor der Pause wirkte insofern beruhigend, als er den Bremern den größten Druck nahm. Ein Sieg war Pflicht, um irgendwelche Chancen aufs Achtelfinale zu wahren, ähnlich vorsichtig gingen sie Durchgang zwei an.

Thomas Schaaf allerdings reagierte auf die schwache Leistung Womés, wechselte für ihn Stürmer Ivan Klasnic ein und baute damit kurzerhand die ganze Mannschaft um: Klasnic besetzte die Sturm-Mitte, sein junger Konkurrent Aaron Hunt rückte ins Mittelfeld, Christian Schulz vom Mittelfeld in die Abwehr, auf Womés Posten. Den Bremern machen solche Ad-hoc-Runderneurungen nichts aus, sie beherrschten das Spiel sehr routiniert.

Die Gefahr, dass es bei dieser Routine auch in der zweiten Halbzeit ziemlich leise hätte werden können, bannte Diego. Der ist auch Brasilianer, dribbelt manchmal durchs Mittelfeld und kennt sehr viele Arten, ein Tor zu erzielen. Gegen Sofia entschied er die Partie mit einem eher trockenen Schuss. Nach dem 2:0 verstand man im Weserstadion sein eigenes Wort kaum noch.

© SZ vom 19.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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