Boxen:Krieger mit Hut

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"The Bavarian Sniper": Der Traunreuter Boxer Serge Michel vertrat Deutschland bei den Olympischen Spielen in Rio. Jetzt, im besten Boxeralter, will er bei den Profis um einen WM-Gürtel kämpfen. (Foto: imago/Marianne Müller)

150 Kämpfe als Amateur hat der Traunreuter Serge Michel in sechs Jahren absolviert, 115 davon gewonnen. Nach der Enttäuschung bei den Olympischen Spielen in Rio hat er sich mit 28 Jahren entschlossen, Profi zu werden.

Von Karl-Wilhelm Götte

Serge Michel wollte bei Olympia in Rio hoch hinaus, aber er verlor im Achtelfinale und schied vorzeitig aus dem olympischen Boxturnier aus. "Natürlich war ich enttäuscht", sagt er. Besonders die Qualifikation für Rio ist ein Kraftakt gewesen, ein wahrer Boxmarathon. "Ich musste zehn Kämpfe in drei Monaten absolvieren, um noch dabei zu sein", erinnert sich Michel gut an diese harte Zeit im vergangenen Jahr. Neun von den zehn Kämpfen gewann der Halbschwergewichtler aus Traunreut. Die schmerzliche Niederlage in Brasilien war sein letzter Kampf als Amateur, jetzt ist er ins Profilager gewechselt.

Bei seinem ersten Profikampf Anfang März in Dachau schlug er seinen bosnischen Gegner gleich dreimal zu Boden, bis der Ringrichter den ungleichen Kampf in der zweiten Runde beendete. "Ich suche die Gegner nicht aus", meinte Michel nach dem Kampf beinahe entschuldigend. Er hätte den Fans gerne mehr geboten. Der Traunreuter gehört zum Dachauer Boxstall von Alexander Petkovic und Nadine Rasche. Die wollen ihren Kämpfern grundsätzlich keine schlechten Boxer vorsetzen. Beim ersten Gegner von Michel hatten sie offenbar etwas danebengegriffen. Andererseits schien Michel auch froh darüber zu sein, dass ihn sein erster Profigegner nicht übermäßig beanspruchte. "Ich habe nach Olympia drei Monate nichts gemacht", erzählt der Boxer. "Ich habe mich zunächst wieder aufs harte Training vorbereitet."

Zu seinem Vater sagt er Trainer statt Papa

150 Kämpfe als Amateur hat Serge Michel in sechs Jahren absolviert. Jetzt ist er 28 Jahre alt. Zu spät, um Profi zu werden? "Nein, perfekt", findet Michel. "Besonders für das Halbschwergewicht passt das gut." Er zehrt von seinen Boxkämpfen als Amateur: 115 Siege, 63 Mal durch K.o. "Ich habe so manche Schlacht geschlagen. Diese Erfahrung kann mir niemand nehmen", sagt Michel. Seine Promoter wollen ihn nun nach ihrem Plan auf den Weg bringen. "Man kann den Amateurboxer des Jahres 2016 in Deutschland nicht wie einen normalen Profineuling behandeln", findet Nadine Rasche. "Uns ist klar, dass Michel nicht vorsichtig aufgebaut werden kann. Er muss gleich Farbe bekennen." Michel sieht das auch so: "Alle drei Monate ein Kampf wäre gut." Natürlich denkt er über einen WM-Kampf schon einmal nach. "Das ist mein Ziel", sagt er und zählt die Weltmeister im Halbschwergewicht der vier, fünf Weltboxverbände auf. Keiner scheint ihm unschlagbar zu sein.

Serge Michel wird weiterhin von seinem Vater Eduard Michel trainiert. "Er ist der Chef", sagt Michel. Vater und Sohn kommen, was das Boxen betrifft, offenbar gut miteinander aus. "Ich nenne ihn Trainer, nicht Papa", erzählt der Sohn. Eduard Michel gründete 1998 die Boxabteilung beim TuS Traunreut. Der Vater war mit Familie und dem damals sechsjährigen Sohn aus dem fernen russischen Osten gekommen, von der Insel Sachalin. Der Junge fand sich in der neuen Heimat zunächst nicht zurecht. Mit 15 Jahren flog er von der Schule und landete auch im Gefängnis. Dort montierte er in der Zelle einen Sandsack. Michel kam wieder in die Spur. Er holte mit 23 Jahren den Realschulabschluss nach.

Als Amateurboxer gehörte er zur Sportfördergruppe der Bundeswehr. Die Bundeswehr ist jetzt Werbepartner des Petkovic-Boxstalls. Der feilt noch am Image von Michel. Zu sehen ist er mal mit einem Tirolerhut, dann gibt er sich martialisch. Bei seinem Profidebüt kam er mit dem "Krieger"-Song von Danyál in den Ring. Michel findet: "Das Lied ist mir auf den Leib geschnitten."

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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