Boxen:Immer aufs Auge

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Der nächste Treffer: Marco Huck setzte seinem britischen Gegner Ola Afolabi zu. (Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty)

Mit der Präzision einer Nähmaschine: Marco Huck beweist neue Stärke und sichert sich gegen Ola Afolabi den IBO-Titel durch K. o.

Von Benedikt Warmbrunn, Halle/München

Die schlimmsten Treffer, die ein Boxer kassieren kann, sind die, die er spürt, bevor sie gelandet sind. Die schlimmsten Treffer sind also die, die er nicht kommen sieht, weil plötzlich die Faust des Gegners aus dem Sichtfeld verschwunden ist und er dann nur noch warten kann, bis diese verschwundene Faust landet, weil das ja eine der wenigen Gewissheiten im Boxen ist, dass eine Faust, die verschwindet, auf jeden Fall wieder auftauchen wird. Ola Afolabi wusste daher am Samstagabend in 24 langen Minuten immer wieder, dass ihn gleich wieder eine dieser verschwundenen Fäuste treffen wird. Und er wusste in diesen acht langen Runde gegen Marco Huck auch, dass er am Ende seinen WM-Titel nach Version des Verbandes IBO verlieren wird.

Huck, bis vergangenen Sommer sechs Jahre lang Weltmeister des Verbandes WBO, erwischte den Titelverteidiger in der zweiten Runde erstmals schwer mit seiner rechten Faust, es war ein Schlag, den Afolabi noch kommen sah. Es war ein Schlag, nach dem das linke Auge des Briten zuschwoll. Es war aber zugleich auch ein Schlag, der die neue Stärke des Marco Huck zeigte, der Afolabi durch einen technischen Knockout besiegte.

Der 31-Jährige war lange ein Boxer, dessen Stil eher dem eines Kneipenschlägers glich. Er kämpfte, um seinen Stolz zu wahren, wild, wütend, oft unkontrolliert. Hucks Kämpfe gerieten so oft zu spektakulären Prügeleien, in denen viel los war, ohne dass wirklich etwas passierte. Huck warf seine Fäuste, aber er zielte nicht. Oft verlor er im Ring die Ruhe, um einer Strategie folgen zu können.

Am Samstag aber, an dem er nach zuvor zwei Siegen und einem Remis zum vierten Mal auf Afolabi traf, stand da ein veränderter Huck im Ring. Er war beweglich auf den Beinen, gerade in den ersten Runden wich er immer wieder den Schlägen Afolabis aus, indem er flink ein paar Schritte nach hinten machte. Seine Fäuste setzte Huck mit der Präzision einer Nähmaschine ein. Ganz besonders nachdem Afolabis linkes Auge zugeschwollen war. Huck traf dann mit seiner rechten Faust überlegt, er sah eine Lücke, zielte in sie, und Afolabi konnte sich nicht wehren. Er sah Hucks rechte Faust ja kaum noch. Nach der zehnten Runde stoppte der Ringarzt den Kampf; Huck hatte bis dahin bei allen drei Punktrichtern jede einzelne Runde gewonnen. "Ich habe mich von Beginn an komisch gefühlt und hatte regelrecht Angst vor mir selbst, weil es so gut lief", sagte Huck.

In seinen nächsten Duell würde der neue IBO-Weltmeister gerne gegen Krzystof Glowacki antreten. Gegen den Polen hatte Huck im August seinen WBO-Titel verloren, in einem Kampf, der seinen Stolz schwer beschädigt hat. Er hatte den Kampf kontrolliert, keine Wunde beschränkte seine Sicht, und dennoch verlor er durch einen Schlag, den er nicht hatte kommen sehen.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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