Boxen:Boxer in Uniform

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Talent-Förderer: Kai Melder, leitender Verbandstrainer, beim Training mit Jan Richmeier vom Boxclub Eichstätt. (Foto: oh)

Die Landespolizei Bayern hat das Olympische Boxen in ihre Spitzensportförderung aufgenommen. Herausragende Nachwuchstalente sollen erst zu den Spielen - und dann in den Dienst.

Von Johannes Müller, München

Laute Musik dröhnt aus den Boxen, leichter Schweißgeruch liegt in der Hallenluft. 19 Boxerinnen und Boxer haben sich an einem Samstagvormittag zu einem Lehrgang des Bayerischen Amateur-Box-Verbandes (BABV) in Günding im Dachauer Hinterland eingefunden. Auf dem Programm stehen Partnerübungen: gegnerische Schläge antizipieren, reagieren und dabei stetig in Bewegung bleiben. Unter den bayerischen Talenten ist auch Jan Richmeier vom Boxclub Eichstätt. Der 17-jährige Fliegengewichtler ist auf den ersten Blick keine eindrucksvolle Erscheinung, in der Gruppe geht er zunächst unter. Sobald aber geboxt wird zeigt sich: Richmeier, der dem Nachwuchs-Bundeskader angehört, ist den Konkurrenten seiner Altersklasse weit voraus. Zu schnell, zu präzise sind seine Bewegungen.

Damit außergewöhnlich leistungsstarke Nachwuchsboxer wie Richmeier in Bayern zukünftig besser gefördert werden, haben sich der BABV und der Deutsche Boxsport-Verband auf eine Kooperation mit der Landespolizei verständigt. Seit April ist das Olympische Boxen Teil der seit 2012 bestehenden Spitzensportförderung der Polizei.

Die Idee: Die Athleten erhalten möglichst ideale Rahmenbedingungen, um sich ganz auf den Leistungssport zu konzentrieren, für die Zeit danach sind sie aber finanziell abgesichert. In Dachau absolvieren sie eine Ausbildung zum Polizeibeamten im mittleren Dienst, wobei die Ausbildungsdauer von zweieinhalb auf fünf Jahre verlängert wird. So bleibt viel freie Zeit, um zu trainieren und an nationalen wie internationalen Wettkämpfen teilzunehmen. Auch nach der Ausbildung werden die Polizeisportler für sportliche Großereignisse freigestellt, für die Vorbereitung auf Olympia bis zu einem Jahr. Haben sie ihre sportliche Laufbahn beendet, nehmen sie den regulären polizeilichen Dienst auf.

Im September beginnt nun die Ausbildung für die ersten beiden Boxer. Neben Jan Richmeier wird auch Mittelgewichtler Gianni Dedic, 19, dabei sein. Und für das kommende Jahr ist in Jessica Vollmann mindestens eine junge Frau in der Planung vorgesehen.

"Ich selbst habe leider nie die Möglichkeit einer solchen Förderung bekommen", sagt Initiator Mario Stanislaw

Dass das Olympische Boxen Teil der Spitzensportförderung wurde, ist wesentlich Mario Stanislaws Verdienst. Er war selbst Polizist und ist heute als Ausbilder bei der Polizei tätig. Außerdem leitet er die Boxschule Dachau und ist Landestrainer beim BABV. Er sagt: "Ich lebe fürs Boxen." Zusammen mit Kai Melder, der seit 2019 als leitender Verbandstrainer beim BABV angestellt ist, hat Stanislaw das Förderkonzept ausgearbeitet. Richmeier und Dedic werden individuell in Stanislaws Boxschule Dachau betreut. Für Partnerübungen und Sparrings sollen qualitativ hochwertige Trainingsgruppen aus dem Pool an Landes- und Bundeskaderathleten im Großraum München zusammengestellt werden.

"Ich selbst habe leider nie die Möglichkeit einer solchen Förderung bekommen", sagt Stanislaw. Er war mehrfach oberbayerischer Meister und hat es im Kickboxen sogar zum deutschen Meistertitel gebracht, bevor er sich dazu entschied, sportlich kürzer zu treten und Polizist zu werden: "Jeder, der keine sportliche Förderung in Aussicht hat, entscheidet sich für ein ordentliches berufliches Standbein." Ein Vollzeitjob und der Spitzensport lassen sich allerdings kaum vereinbaren. Wer Leistungssport betreibe, müsse mindestens ein Trainingspensum von 25 Wochenstunden ableisten, sagt Kai Melder, Wettkämpfe kämen noch dazu: "In der freien Wirtschaft finanziert ihnen das niemand."

Tatsächlich erfolgt die Förderung des Spitzensports in Deutschland zumeist durch Bundespolizei, Bundeswehr, Zoll oder eben durch die Landespolizei. Wobei sich die regionalen Förderprogramme ganz wesentlich unterscheiden. In einigen Bundesländern wird eine Förderung der Landespolizei, anders als in Bayern, nicht für den mittleren Dienst, sondern nur parallel zu einem Studium für den gehobenen Dienst angeboten.

"Wir haben festgestellt, dass die Sportler im Polizeiberuf eine sehr gute Arbeit leisten."

Eines jedoch muss allen Aspiranten im Vorhinein klar sein: Die Polizei erwartet von ihnen, dass sie nach der Förderung auch ihren Dienst aufnehmen. Das betont Wolfgang Barth, Leiter der Geschäftsstelle Spitzensport im Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Die finanziellen Ausgaben sollen sich schließlich rentieren. Es gehe nicht nur darum, dass erfolgreiche Polizeisportler für eine positive Außendarstellung sorgten. Sie zeichneten sich durch hohe Disziplin und Leistungsbereitschaft aus, Attribute, die sie im Spitzensport ausgebildet hätten. "Wir haben festgestellt, dass die Sportler im Polizeiberuf eine sehr gute Arbeit leisten", so Barth.

Mit dem Polizistenalltag muss sich Jan Richmeier noch nicht beschäftigen. Am Wochenende landete er bei der Deutschen U19-Meisterschaft auf dem zweiten Platz. "Boxerisch und allgemein athletisch erfüllt Jan alle Voraussetzungen", sagt Melder, "aber er zeigt auch ein extremes Maß an Disziplin außerhalb der Halle." Der Trainer ist überzeugt: Richmeier hat das Potenzial, auch international für Furore zu sorgen.

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