Borussia Dortmund:Eine Hymne auf die Pensionäre

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Thomas Doll stellt sich dank der wiederbelebten Dortmunder Finanzkraft einen neuen Kader zusammen. Mit überwiegend älteren Herrschaften wie Robert Kovac.

Freddie Röckenhaus

Gut möglich, dass im Dortmunder Stadion bald der Gassenhauer "Mit 66 Jahren" von Udo Jürgens einen festen Platz im Unterhaltungsprogramm bekommt. Die Hymne aller Pensionäre würde tonlich jedenfalls zur Dortmunder Nachricht der Woche passen: Robert Kovac, in die Jahre gekommener Klasse-Verteidiger, wechselt von Juventus Turin zum BVB. Dort soll der 33-Jährige mit dem ebenso jung gebliebenen Christian Wörns, 35, die vermutlich älteste Innenverteidigung der Bundesliga-Historie bilden, nachdem Christoph Metzelder, 26, zu Real Madrid verschwunden ist.

Robert Kovac bringt Erfahrung mit nach Dortmund. Und eine Turiner Sonnenbrille. (Foto: Foto: dpa)

Vor kaum mehr als einem Jahr hatte Borussia Dortmund reihenweise die Rekorde gebrochen, als der Altersschnitt der Mannschaft durch den Einbau immer neuer Talente so sehr sank, dass die Rivalen in Schalke spöttelten, der klamme BVB greife zu Kinderarbeit, um über die Runden zu kommen. So ändern sich die Strategien im Fußball in Windeseile: Vom damaligen BVB-Kindergarten sind fast nur noch ein paar junge Reservisten wie Nuri Sahin und Marc Kruska übrig.

Mit Doll und der Aufrüstung im Kader stellen sich Ansprüche ganz von selbst

Auch sonst hat Borussia, nach verunglückter Saison, mit überwiegend ausgewachsenen Herren den Kader angehübscht, um endlich wieder standesgemäße Platzierungen angreifen zu können: Torjäger Diego Klimowicz wird in zwei Wochen 33 und soll die Kopfballdefizite des Angriffs beheben, Torjäger Mladen Petric, erst 26, kommt vom FC Basel und soll - weil die Verpflichtung eines Spielmachers scheiterte - als Regisseur hinter den Spitzen spielen, und Giovanni Federico, bald 27, war mit dem Karlsruher SC Torschützenkönig der zweiten Liga und soll dies nun in seiner alten Heimat bestätigen. Dazu kommt, als Alters-Ausreißer, der Pole Jakub Blaszczykowski, 21, dessen komplizierten Namen die BVB-Fans zum Kürzel "Kuba" verdichteten. Ein Extremtalent wie einst Tomas Rosicky dürfte Kuba nicht sein, aber er soll - ein Novum unter Dortmunds Mittelfeldspielern - besonders schnell sein.

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke, dem im Laufe der vergangenen Saison eine wirtschaftlich-finanzielle Glanzleistung mit der Sanierung des extrem verschuldeten Klubs gelang, gibt sich Mühe, keine Ansprüche in Richtung Europapokal-Teilnahme zu verkünden. Doch mit dem neuen Trainer Thomas Doll und der kräftigen Aufrüstung im Kader stellen sich solche Ansprüche beinahe von selbst. "Ab 2008", so immerhin ließ sich Watzke zitieren, "wollen wir wieder auf Augenhöhe mit Klubs wie Bremen, Schalke und Stuttgart sein."

Für Doll dürfte das ohnehin Minimalziel sein. Die jüngsten Transfers sind penibel mit ihm abgestimmt worden. Petric beispielsweise, der einen guten Ruf genießt, aber auf wundersame Weise stets beim fußballerisch weniger bedeutenden FC Basel und in seiner Schweizer Heimat steckenblieb, soll "um die 20mal beobachtet" worden sein. Statt Robert Kovac, früher bei Leverkusen und dem FC Bayern ein Weltklasse-Mann, war der Tscheche David Rozenahl (Paris St. Germain) eigentlich erste Wahl, doch schon in dieser Kategorie stellte sich heraus, dass die wieder belebte Finanzkraft Dortmunds so weit denn doch nicht reicht. Rozenahl geht für 5,5 Millionen Euro Ablöse nach Newcastle. Kovac ist ablösefrei.

Dennoch investiert der BVB wieder. Der Kader soll derzeit fast 31 Millionen Euro an jährlichen Kosten verursachen. Wenn es den Dortmundern gelänge, von Doll weniger erwünschte Spieler wie Matt Amoah, Delron Buckley, Steven Pienaar oder auch Lars Ricken noch von der Gehaltsliste zu bekommen, dann würde Doll gerne noch Piotr Trochowski vom HSV holen. Doch bislang ist für sein Gehalt kein Platz mehr im ohnehin überstrapazierten Dortmunder Budget.

Dass Dortmund sich überhaupt so schnell von Finanzkollaps, Beinahe-Konkurs und Überschuldung erholt hat, mutet fast wie ein Wunder an. Doch die Bilanz lügt nicht, wenn Dortmund keine Bankschulden mehr ausweist. Zwei Kapitalerhöhungen und die Umschuldung in der Stadionfinanzierung haben den Klub wieder flüssig gemacht. Watzke berichtet von zehn Millionen Euro Gewinn, die der BVB in der abgelaufenen Saison gemacht hat, nicht zuletzt durch vier Millionen Ausschüttung für die Teilnahme von drei WM-Spielern (Metzelder, Kehl, Odonkor) und den Transfer von David Odonkor zu Betis Sevilla. Zudem boomt das Dauerkarten-Geschäft wie seit Jahren nicht mehr: Die Marke von 50000 ist nicht unrealistisch. "Wir verfügen wieder über Festgeld-Reserven", sagt Watzke, "wir verdienen an Zinsen."

Ob Borussia und Doll auch über das Gespür für den optimalen Kader verfügen, muss sich aber noch herausstellen. Doll profitierte bei seinem Engagement knapp vor dem Saisonende von der großen Erleichterung in Dortmund, dass der Abstieg verhindert wurde. Ab sofort werden an ihn andere Erwartungen gerichtet. Selbst Spieler wie Ricken, die sich von Doll ausgemustert fühlen, belobigen die "herausragende" Arbeit des Trainers. Ob Dolls psychologisch geschickte Ansprache und das attraktive Training allerdings auch zu Siegen führen, ist nicht garantiert. Schließlich hatte Doll seinen Job beim HSV im Februar nicht ganz ohne Vorgeschichte verloren. Auch der brillanteste Trainer kann Erfolge nicht garantieren.

© SZ vom 23.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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