Bob:Gegen die Wand

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Bobfahren - schnell und dynamisch: Mariama Jamanka bei der WM in Altenberg, im Zweierbob. (Foto: Matthias Schrader/AP)

Mariama Jamanka muss den ungeliebten Monobob beherrschen, um ihren Olympia-Erfolg zu wiederholen. Für die Ausbildung ist das neue Gerät sinnvoll, für Olympia nicht

Von Volker Kreisl

Womit lässt sich das jetzt vergleichen? Mit einem Auto, das man alleine anschieben muss. Oder ein Schrank, den man verrücken will. Etwas sehr Schweres, sagt Mariama Jamanka. Vielleicht so schwer, als müsse man eine Wand anschieben. Dabei ist es ein Monobob.

Der steht zwar auf Eis, wiegt aber mindestens 162 Kilogramm. Und anders als mit dem Zweierbob kauert Pilotin Jamanka hier beim Starten nicht an der Seite, sondern schiebt hinten an, und zwar allein. Bewegt sich dann der Bob, folgt eine gefühlt sehr lange Startstrecke, auf der sie aufpassen muss, dass sie nicht nachlässt, immer den maximalen Widerstand sucht, dass es also ordentlich wehtut. Kein Explodieren, Sprinten und Fliegen ist das, wie sie es mit Bremserin Anabel Galander im Zweierbob erlebt. Sondern eher Schieben in Zeitlupe - und dann: gemächliches Weiterfahren.

Die Anschieberinnen? Helfen beim Schleppen und schauen zu

Es wird deutlich, Jamanka mag den Monobob nicht. Auch nicht nach dessen erster Weltcupsaison. Andererseits hat sie auch eine maximale Einstellung, wechselte einst aus der Leichtathletik zum Bobfahren, zog aus der Heimat Berlin nach Oberhof um, wurde Olympiasiegerin und denkt sehr professionell. Dem Mono kann sie nicht ausweichen, sie muss sich ihm stellen, will ihn beherrschen. Allein schon deshalb, "weil ich nicht jede Woche im Fernsehen blöd dastehen will".

Denn im Einer, da schauen auch die Besten aus wie Anfänger. Obwohl er für einen einsamen Anschieber höllisch schwer ist, wird er kurz darauf in der Bahn federleicht. Mangels Tempo und Gesamtgewicht driften die Fahrerinnen schnell mal schräg dahin, rutschen quer übers Eis, rempeln die Bande, alles was Bob-Einsteigern so widerfährt. Und auch am Wochenende, bei der Monobob-WM-Premiere in Altenberg, wird dieser Wettkampf eher keine Werbung sein für hochklassigen Sport.

Aber es hilft ja nichts: Wer 2022 an den Olympischen Spielen in Peking teilnehmen will, muss diesen ungemütlichen Weg gehen. Und deswegen ist noch gar nicht sicher, dass Titelverteidigerin Jamanka in Peking dabei ist. Drei dürfen antreten, der deutsche Verband BSD hat derzeit aber vier gleichstarke Frauen-Bob-Teams: Team Kim Kalicki, Team Laura Nolte, Team Stephanie Schneider und Team Jamanka. Wobei: In Zeiten des Monobobs denkt man weniger in Teams, als in Personen. Denn der Weltverband IBSF schreibt vor, dass nur die qualifizierten Zweier-Bob-Pilotinnen auch im Monobob bei Olympia starten. Was bedeutet, dass die mono-skeptische Jamanka fahren muss und ihre Anschieberin dieses nicht darf, obwohl sie vielleicht talentiert wäre und gerne fahren würde. Stattdessen muss sie nun beim Tragen helfen, vom Ziel zum Laster, und oben vom Laster zum Start.

Jamanka findet das "einfach falsch", kann aber nichts dagegen tun. Sie muss sich nun darauf konzentrieren, die richtige Einer-Ideallinie zu finden, was auf der kurzen, schnellen, kurvenreichen Altenberger Bahn nicht leicht ist. Denn die Linie, die sie im Zweierbob fährt, ist für den Monobob nicht geeignet. Sie muss wegen der instabileren Fahrlage defensiver lenken, um zu verhindern, dass sie in einer Steilkurve vom eigenen Heck überholt wird.

Der Frauen-Viererbob wäre echte Gleichberechtigung, wurde aber abgelehnt

Bei allem weiß auch Jamanka, dass der Einführung des Kompaktbobs sinnvolle Absichten zugrunde lagen. Denn der Ruf nach einer zweiten Wettkampfserie auch für die Frauen wurde immer stärker, und angesichts des Ringens um Gleichberechtigung sah sich auch das IOC gezwungen, etwas zu unternehmen. Eine Initiative lag ja bereits vor. Angeschoben von der Kanadierin und heutigen US-Bobfahrerin Kaillie Humphries wollten die Pilotinnen gerne das bekommen, was die Bob-Männer schon immer lieben: den noch schnelleren, anspruchsvolleren, attraktiveren Vierer-Bob-Wettkampf. Zu gefährlich, zu schwer zu tragen, zu wenige Interessentinnen, hieß es vor fünf Jahren. Es waren in etwa jene Einwände, die noch vor jeder - letztendlich erfolgreichen - Einführung eines Frauen-Wettbewerbs erhoben wurden.

Für die Olympia-Veranstalter ist der Monobob nun jedenfalls ein gelungener Kompromiss. Die Elite hat sich damit abgefunden und übt fleißig, so wie Jamanka, die allerdings noch hinterher fährt. Tatsächlich können hier auch Neulinge mitmachen, sogar bei Olympia. Der Schlitten ist ein Einheitsmodell, das niemanden bevorteilen soll, auch wenn wohl nicht alle ganz gleich sind, denn dies ist ja keine Auto-Serienproduktion. Und dass nun auch exotische Bobfahrerinnen beim wichtigsten Wettkampf dieses Sports dabei sein dürfen, ist natürlich immer zu begrüßen.

Die Frage bleibt aber, ob das grundlegende Ziel der Ringe-Bewegung nicht ein anderes ist. Nämlich, dass sich die Besten der Welt messen und dabei weiterentwickeln, bei Männern wie Frauen. Mit dem Viererbob der Frauen wäre das möglich gewesen. Der Wettkampf wäre spannender, athletischer und gleichberechtigter geworden. Stattdessen fährt man nun - bei Olympia - einen Anfängerbob.

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