Betrug beim ÖSV:In der Endlosschleife

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Er sei der Architekt von Dopingplänen: Walter Mayer (links). (Foto: dpa)

Die neuerliche Verurteilung des Langlauf-Trainers Walter Mayer verweist auf ein weit verzweigtes Betrugsproblem im Österreichischen Ski-Verband.

Von Thomas Kistner, München

2009 war es das Strafgericht Wien, 2011 das Wiener Oberlandesgericht. Nun trat das Innsbrucker Landesgericht in Aktion. Auch sonst trug die neuerliche Verurteilung des Langlauf-Trainers Walter Mayer Züge einer Endlosschleife: Alles wie gehabt, klägliche Unschuldsbeteuerungen und Teilgeständnisse, wo nichts zu machen ist, letztlich auch der Schuldspruch. Wegen Dopingvergehens und Betrugs wurde der ehemalige Medaillenschmied des immer schillernderen Österreichischen Ski-Verbands ÖSV zu 15 Monaten bedingte Haft verurteilt, mit dreijähriger Probezeit. Mayer hatte unter anderem gestanden, das Blutdopingmittel Epo und Wachstumshormon besorgt zu haben - aber nur für den Eigenbedarf, erzählte der 63-Jährige.

Warum er bei der Vernehmung einiges mehr eingeräumt hatte? Nun, behauptete Mayer, das habe er nur getan, weil ihn die Polizisten so bedrängt hätten. Diese taten das im Zeugenstand als "Schwachsinn" ab.

Je mehr Tradition Mayers wolkige Auftritte vor der Justiz erlangen, desto deutlicher wird, wie verbreitet das Betrugsproblem im ÖSV sein dürfte. Hinter der patriotisch aufgeladenen Wintersportkulisse lauert wohl noch manche Tretmine.

Architekt von Dopingplänen - das erkannten Richter schon früher

Mayer war diesmal eher beiläufig aufgeflogen: Er geriet in die Ausläufer der Operation Aderlass um das Blutdoping-Nest des Erfurter Sportarztes Mark Schmidt. Einige Schmidt-Klienten sind schon verurteilt; die bei der Nordisch-WM ertappten Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf, ihr Ex-Coach Gerald Heigl und Johannes Dürr, der als Kronzeuge das Netzwerk hatte auffliegen lassen. Letztere hatten auch Mayer massiv belastet. Dieser soll von 2012 bis 2019 Athleten beim Dopen unterstützt, teils die Nadel selbst gesetzt und verbotene Substanzen wie HGH, Testosteron oder Humanalbumin an Sportler weitergegeben haben. Was in der Summe nicht nur für enorme Chuzpe spricht, sondern für eine notorische Unbelehrbarkeit des Sportsystems: Nach Aktenlage soll Mayer ja schon zwischen seinen beiden früheren Prozessen, in den Jahren 2011 und 2013, die Betrugsaktivitäten fortgeführt haben.

Mayer ist in Austria nicht irgendwer. Er war der Guru, der vor der Jahrtausendwende die Langläufer aus dem Nichts an die Weltspitze hievte. Dummerweise stieß eine Putzfrau in einer vom ÖSV-Tross für die Winterspiele 2002 in Salt Lake angemieteten Bleibe auf Bluttransfusionsgeräte. Das Internationale Olympische Komitee sperrte ihn, der ÖSV aber adelte Mayer 2004 erneut als Cheftrainer, für Langlauf und Biathlon. Bei den Turin-Spielen 2006 durfte er in der Unterkunft nächtigen. Die Carabinieri rückten an und fanden Spritzen, Schachteln; Spritzenbesteck flog aus dem Fenster. Mayers Flucht endete in einer Straßensperre in Kärnten. Es folgten die Prozesse, deren Schlussurteil heute so vertraut klingt: Mayer habe bis 2009 Sportler mit HGH, Steroiden, Epo versorgt. Er sei der Architekt von Dopingplänen.

Diesmal sind keine ÖSV-Statements überliefert. In Turin hatte Peter Schröcksnadel, der affärengestählte Verbandschef, den Medien noch ein Bonmot geliefert. "Austria is a too small country to make good doping" - die Betonung ist offenkundig nur auf das Wörtchen "good" zu legen. Mancher Schützling Mayers, wie Dürr, ist ja dann ins Schmidt-Lager gewechselt- wo ein alter Intimus Mayers eine Schlüsselrolle spielte: der kroatische Leichtathletiktrainer Dario Nemec. Der Staatsanwaltschaft Innsbruck ist es nun gelungen, ihn ausliefern zu lassen. Dieser Prozess dürfte spannend werden.

© SZ vom 06.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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