Berlin festigt Platz zwei:Mit Feuer und Finesse

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Wichtiges Tor zum Berliner Sieg: Damir Kreilach (Mitte) trifft gegen Paulis Torwart Philipp Heerwagen zum zwischenzeitlichen 2:0. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Nach dem wichtigen 2:1-Sieg im berauschenden Spiel beim FC St. Pauli muss sich Union Berlin langsam mit dem Gedanken an den Bundesliga-Aufstieg vertraut machen.

Von JÖRG MARWEDEL, Hamburg

Man kann sagen, dass Helmut Schulte den FC St. Pauli liebt. Dreimal war er für den Klub als Trainer und Manager tätig und schrieb sogar ein Buch: "Drei St. Pauli-Leben". Doch am Freitagabend jubelte er auf der Tribüne am Millerntor über den 2:1-Sieg des 1. FC Union Berlin. "Geiler Kick im Freudenhaus", entfuhr es ihm nach dem Schlusspfiff. Schulte ist seit Februar 2016 Leiter der Lizenzspielerabteilung der Berliner. Das Urteil des St. Pauli-Trainers Ewald Lienen nach dem Spiel lautete: "Union kann den Aufstieg direkt schaffen." Denn die Ost-Berliner hatten, da waren sich viele Beobachter einig, zum einem der besten Zweitligaspiele am Millerntor seit Jahren wesentlich beigetragen. Der Sieg war verdient, obwohl die Hamburger sich extrem wehrten. Auch der ehemalige Tabellenletzte zeigte nämlich die neu erweckten Qualitäten, die ihn in der Rückrundentabelle auf Rang drei katapultierten.

Die Berliner aus dem Stadtteil Köpenick verströmten aber noch mehr Klasse. Sie brachten unter der Führung ihres Coaches Jens Keller nicht nur Leidenschaft, sondern auch Fitness und feinere fußballerische Tugenden auf den Rasen. Selbst St. Paulis Profi Aziz Bouhaddouz räumte ein, Union sei derzeit "die stärkste Mannschaft" in Liga zwei. Berlins Nummer zwei hat die Erfolgsserie auf fünf Siege hintereinander ausgebaut, weshalb man nur noch zwei Punkte hinter Tabellenführer VfB Stuttgart liegt. Zudem hat der Klub erstmals am Millerntor gewonnen. Keller hatte den Profis vor der Partie eingebläut, Serien seien zum Brechen da. Dabei zahlten sich dann die Investitionen in den Spielerkader aus, die in dieser Saison mehr als drei Millionen Euro ausmachen - klingt im heutigen Fußball-Betrieb nicht nach viel, ist aber ein Rekord für Union Berlin, das neuerdings auch im Merchandising prima Geschäfte macht.

Die wichtigste Winterinvestition: Torjäger Sebastian Polter

Die wichtigste und teuerste Anlage war der neue Torjäger Sebastian Polter, 25, der erst am 10. Januar einen Vertag unterschrieb und seitdem in sieben Spielen vier Tore und drei Vorlagen beisteuerte. Der Mann, der zwei Jahre lang für den englischen Zweitligisten Queens Park Rangers tätig war, kehrte für eine Ablöse von 1,8 Millionen zurück zu jenem Klub, an den er in der Saison 2014/2015 schon einmal von Mainz 05 ausgeliehen war. Er verzichtete auf eine Menge Gehalt, um wieder dort zu spielen, wo es ihm besonders viel Spaß gemacht hatte und wo er die Fortschritte seit seiner Abwesenheit erkannte.

Auch am Freitag leitete er den Sieg ein mit seinem Führungstor in der 19. Minute. "Ein Billard-Tor", wie Lienen es beschrieb. Selbst der Schütze wusste nicht so genau, ob er den Ball nach einer Flanke des Mittelfeldherrschers Felix Kroos mit der Schulter, dem Rücken, dem Knie oder dem Oberschenkel im Kasten untergebracht hatte. Es war auf jeden Fall ein klassisches Torjäger-Tor, bei dem sein Gegenspieler Daniel Buballa den Überblick verloren hatte, wohingegen Polter mal wieder irgendeinen Körperteil an die richtige Stelle gebracht hatte. "Schön herausgespielte Tore kann er nicht", spottete sein Kollege Toni Leistner liebevoll. Und auch beim 0:2 in der 48. Minute durch Damir Kreilach nach Flanke von Christopher Trimmel war der 1,90 Meter große Polter wieder in der Nähe und verschaffte seinem Mitspieler den Raum.

Als St. Pauli nach dem Anschlusstor durch Aziz Bouhaddouz nach Vorlage von Waldemar Sobota (83. Minute) noch einmal verstärkt um den Ausgleich kämpfte, zeigten die Berliner mit großem Einsatz noch einmal ihre "gute Mentalität", wie Jens Keller meinte. Danach tanzten die Union-Profis auf dem Rasen. Und auch die Fans feierten mit, obwohl ja manche von ihnen mit der ersten Bundesliga Probleme haben, wie unlängst ein Plakat zeigte, auf dem stand: "Scheiße, wir steigen auf."

© SZ vom 12.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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