Belgien:8,1 Sekunden

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Der belgische Angreifer Christian Benteke stellt im WM-Qualifikationsspiel einen Rekord für ein blitzschnelles Tor auf - und das, obwohl Gegner Gibraltar Anstoß hat. Er stellt damit einen mehr als 20 Jahre alten Rekord ein.

Von Christopher Gerards, Faro/München

Davide Gualtieri ist vermutlich der einzige Fußballer auf der Welt, dessen größter sportlicher Erfolg eine 1:7-Niederlage ist. Am 17. November 1993 traf Gualtieri mit San Marino in der WM-Qualifikation auf England. Gualtieri, 22 damals, sah, wie Paul Ince für England traf, er sah, wie Ian Wright feierte, er sah, dass Les Ferdinand erhöhte. Ein Tor nach dem anderen schoss England, aber keiner dieser Treffer verhinderte, dass die beste Geschichte des Abends Gualtieri gehörte. Er schoss nämlich das allererste Tor, das 1:0 für San Marino, und zwar nach exakt 8,3 Sekunden. Es war der schnellste Treffer der Geschichte der WM-Qualifikation, und er hat Gualtieri zumindest so berühmt gemacht, dass Jahre später noch Fans in seinem Computerladen erschienen und nach Autogrammen fragten.

Gualtieris Rekord ist zwar 23 Jahre her, aber er ist wieder ein großes Thema in diesen Tagen. Seit Montagabend ist er nämlich kein Rekord mehr.

8,1 Sekunden: Der belgische Fußballer Christian Benteke, 25, hat nun einen neuen Beitrag zur Kulturgeschichte des sogenannten Blitztores geleistet. Nach Lage der Dinge war es ein sehr guter Beitrag. Schneller als er traf noch niemand in einem Spiel der WM-Qualifikation, halt auch nicht Gualtieri. Bentekes Tor war auch deshalb besonders, weil es unter erschwerten Bedingungen zustande kam. Es fiel zwar einerseits im Spiel gegen Gibraltar, einen Gegner, der qua Weltranglisten-Platzierung (205) nicht als vollkommen immun gilt gegen Tore, frühe wie späte. Andererseits lag der Ball beim Anstoß weder bei Benteke noch bei einem anderen Belgier. Der Ball lag bei Gibraltar. Und das Tor kam so: Lee Casciaro, hauptberuflich Polizist, spielte den Anstoß zurück auf Jamie Bosio, hauptberuflich Lehrer. Der leitete den Pass direkt weiter zu Ryan Casciaro, hauptberuflich Polizist, und auf dem Weg zu ihm überlegte sich der Ball es noch mal anders. Er rollte nicht zu Casciaro, sondern ein Stück hinter ihn. Benteke rannte heran, schneller als Casciaro, vorbei an Roy Chipolina (hauptberuflich Zöllner). Er rannte, schaute, rannte, schoss. Tor. 8,1 Sekunden waren vergangen, so hat die Uefa es letztinstanzlich festgestellt.

Belgiens Christian Benteke. (Foto: Rafael Marchante/Reuters)

Die Lage auf dem Markt der schnellen Tore gestaltet sich damit noch ein bisschen weniger übersichtlich als ohnehin. Zu viele Wettkampfklassen gibt es. Da ist zum Beispiel die Kategorie mit dem Namen "Bundesliga", und sie allein bietet schon zwei auffallend frühe Treffer an. Karim Bellarabi von Bayer Leverkusen benötigte am 23. August 2014 neun Sekunden gegen Borussia Dortmund. Und Kevin Volland, seinerzeit Angreifer der TSG Hoffenheim, traf im August 2015 nach ebenfalls neun Sekunden gegen den FC Bayern. Zur Ironie dieser Geschichte gehört, dass der FC Bayern noch 2:1 gewann - durch das Siegtor von Robert Lewandowski in der 90. Minute.

Zudem gibt es die Kategorie "Europameisterschaft". Spitzenreiter ist ein Mensch namens Dimitri Kiritschenko aus Russland, er traf 2004 beim 2:1 gegen Griechenland nach 67 Sekunden. In der Kategorie "Weltmeisterschaft" führt der Türke Hakan Sükür. Bei der WM 2002 traf er gegen Südkorea nach elf Sekunden. Und der gute, alte Lukas Podolski hält den Rekord bei DFB-Spielen, im Freundschaftskick gegen Ecuador 2013 schoss er das 1:0 nach weniger als zehn Sekunden.

"Wir haben nicht gegen eine große Mannschaft gespielt, aber ich beschwere mich nicht", wurde Benteke, Angreifer des britischen Klubs Crystal Palace, nach dem Spiel zitiert. Er hatte auch deshalb keinen Grund zur Beschwerde, weil er noch zwei weitere Treffer erzielte beim 6:0-Sieg. Sie fielen allerdings erst nach 43 und 56 Minuten.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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