Beckenbauer ist überall:Der Überfranz

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Wie es Beckenbauer gelingt, überall gleichzeitig zu sein.

Jan Grossarth, Frank Müller, Tanja Rest

Sind Beckenbauer Flügel gewachsen?

Beckenbauer in Berlin mit Kanzlerin Merkel. (Foto: Foto: dpa)

Ja, Hubschrauberflügel. Mit einem von der Fluggesellschaft Emirates gesponserten Helikopter des Typs Agusta 109 Power E schwirrt der Chef des Organisationskomitees mit 300 Stundenkilometern von Stadion zu Stadion. Zwei Piloten erklären ihm die Flugroute, auf der "komfortablen Vip-Bestuhlung in Leder" (so ein Sprecher der Fluggesellschaft) ist kurz Zeit zum Durchatmen. Bei einer Flughöhe von rund 600 Metern kann Beckenbauer beinahe jedes Würstchen auf jedem Grillrost jedes fußballverrückten Kleingärtners sehen.

Warum reist man im Helikopter am schönsten?

"Man lernt das Land erst richtig kennen aus dem Hubschrauber", sagte Beckenbauer im ZDF nach dem Spiel Schweden - Paraguay, das er natürlich im Stadion gesehen hatte. "Ich weiß, das ist sehr kostspielig. Aber ich kann nur jedem empfehlen, wenn er die Möglichkeit hat, sich das Land vom Hubschrauber aus anzugucken: Wir leben in einem Paradies, wir haben ein wunderschönes Land, das sieht man ganz deutlich im Hubschrauber!"

Was kosten seine Reisen?

17,40 Euro pro Flugminute nimmt etwa ein Verleih aus Schleswig-Holstein für ein vergleichbares Helikoptermodell. Bei angenommenen 6 Flugstunden pro Tag an 25 Spieltagen wären das 156.600 Euro gesamte Hubschrauberkosten. "Als ich im Fernsehen gehört habe, wie sehr Beckenbauer vom Hubschrauberfliegen geschwärmt hat, habe ich mich sehr gefreut", sagt der Verleiher und Pilot Torben Koopmann aus der Nähe von Elmshorn.

Ist Beckenbauer dem WM-Stress gewachsen?

"Unter bestimmten Bedingungen können Menschen außergewöhnlich hohe Belastungen über einen gewissen Zeitraum aushalten", sagt Michael Ertel, Stressforscher bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin. Offenbar sind diese Voraussetzungen im Fall Beckenbauers erfüllt: "Menschen sind leistungsfähiger, wenn sie sich selbst für die hohe Belastung entschieden haben und sie nicht von außen auferlegt bekommen."

Auch Anerkennung, wie der Applaus von Fans, Aufgehen in einer Tätigkeit und finanzielle Sicherheit steigern Ertel zufolge die menschliche Belastbarkeit.

Wirkt der Stress wie eine Droge?

Den stets sehr aufgeräumten Beckenbauer bringt auch während der WM wenig aus der Ruhe. Gelegentlich aber scheint ihn die Euphorie anzustecken, so etwa am Donnerstag Abend: "Das ganze Land feiert und freut sich, lass' uns doch freuen, lass' uns feiern."

Was hat er sonst noch so gemacht?

Am Abend nach dem Eröffnungsspiel feierte Franz Beckenbauer mit 550 Ehrengästen auf der Dachterrasse des Hotels Bayerischer Hof in München. Am zweiten Tag des Turniers weihte er eine 600 Quadratmeter große Lounge des Fifa-Sponsors Emirates am Münchner Flughafen ein. Dem Radio-Gong-Moderator Andi Wenzel gab er mehrere Interviews, die stückweise auf 32 Radiostationen gesendet werden ("Beckenbauer täglich").

Als ZDF-Partner beantwortet er während der WM insgesamt 13 Mal live Fragen zu den Spielen. Als Kolumnist schreibt er, wie seit über 20 Jahren, weiterhin für Bild ("Franz - Meine WM"). An diesem Samstag eröffnet er in Alsenborn ein Fritz-Walter-Denkmal. Auch für das Wochenende ist er als"Botschafter" von Emirates zu einem Fotoshooting eingeladen - dafür spendet die Fluggesellschaft für die Franz-Beckenbauer-Stiftung.

Mit wem guckt er sich die Spiele an?

Seine Tribünennachbarn würden jeden Außenminister ehren: Ghanas Staatspräsident, John Kufuor, Fifa-Chef Sepp Blatter, der tschechische Präsident Vaclav Klaus und Regierungschef Jiri Paroubek, das spanische Kronprinzenpaar Felipe und Letizia und Prinz William.

Beckenbauer scheute auch diplomatisches Glatteis nicht und fachsimpelte mit Irans Vizepräsident Mohammed Aliabadi. Aus der Innenpolitik waren neben ihm zu sehen: Horst Köhler, Angela Merkel, Edmund Stoiber, Ole von Beust, Klaus Wowereit, Franz Josef Jung, Heidemarie Wiezcorek-Zeul. Sie verriet, neben Beckenbauer zu sitzen sei sehr angenehm; er spreche viel über Spielzüge und -tempo.

© SZ vom 17.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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