BBL-Pokal:Unberechenbare Größe

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Aufbauspieler Ricky Hickman hat nach viel Kritik zu alter Form gefunden - nun soll er Bamberg am Sonntag zum Pokalsieg gegen Alba Berlin führen.

Von Matthias Schmid

Seine ersten Bälle warf Richard Marciano Hickman junior auf einen Mülleimer. Einen Basketballkorb gab es in dem Stadtviertel von Kernersville nicht, wo der Basketballer im US-Bundesstaat North Carolina aufgewachsen ist. "Daher kommt meine Liebe zu dem Spiel", hat der Spielmacher mal erzählt, und vielleicht liegt es auch in diesen eher ärmlichen Verhältnissen seiner Jugend begründet, warum sich Ricky Hickman, wie er von allen gerufen wird, niemals unterkriegen lässt, egal wie aussichtslos die Situation erscheinen mag. Auch in Bamberg, wo er seit Sommer 2017 unter Vertrag steht, hat der 33-Jährige einige Widerstände überwinden, ja öffentliche Demütigungen von Aufsichtsratschef Michael Stoschek aushalten müssen. Oder die unerfreuliche Nachricht, dass er den Klub bitteschön verlassen möge, weil der Trainer nicht mehr mit ihm plane. Der Verein hatte bereits ein Kommuniqué herausgegeben, in dem er mitteilte, dass im Hintergrund Gespräche laufen, "um eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung der Situation herbeizuführen".

Aber Hickman hat nicht aufgegeben, er läuft noch immer für Brose Bamberg auf. Und er ist für den neunmaligen deutschen Meister so wertvoll wie nie zuvor. Vor dem Pokalfinale an diesem Sonntag gegen Alba Berlin (15 Uhr/Sport 1) ist er der X-Faktor, die unberechenbare Größe im Team, der mit einem ansatzlosen Dreipunktespiel die Partie zugunsten Bambergs entscheiden könnte. "Ich freue mich auf das Endspiel", sagt Hickman, "denn es ist immer etwas Besonderes, wenn man um einen Titel spielt."

Dass er mit seiner Vorgeschichte noch immer das Bamberger Jersey überstreift, hat viele in der Branche verblüfft, nicht nur wegen seiner Operation am Fuß im Sommer samt folgender monatelanger Rehabilitation, sondern auch, weil er zu den bestverdienenden Profis in der Bundesliga gehört und so im Grunde nicht mehr ins deutlich reduzierte Bamberger Budget passt. Stoschek hätte Hickman im Sommer deshalb gerne vom Hof gejagt, weil er ihn fast zum Alleinschuldigen für die missratene vergangene Saison gebrandmarkt hatte, er hatte ihn vor den Fans öffentlich verunglimpft ("die Bamberg Dancers haben mehr Einsatz gezeigt") und ihn so zur Zielscheibe von Anfeindungen gemacht. Hickman kennt das alles, was über ihn berichtet wurde. Aber sonderlich beeindruckt oder gar verletzt scheint er davon nicht zu sein.

Er hat eine für ihn erträgliche Herangehensweise gefunden, um mit den ganzen Vorwürfen umzugehen. "Ich versuche, das alles zu ignorieren und auf mich zu schauen, alles andere kann ich sowieso nicht beeinflussen", findet Hickman. Er hat eine plausible Erklärung dafür parat, warum er so weit weg war von seiner Bestform, die ihn einst zu einem der prägenden Aufbauspieler in Europa machte. "Ich war ständig verletzt", sagt er. Und niemand thematisierte das im Klub, um ihn zu entlasten - auch er selbst nicht. Aber die Probleme an seiner linken Achillessehne waren gravierend: "Jeder Absprung, jede Landung waren eine Qual."

Seit Anfang Dezember kann er wieder beschwerdefrei seinem Beruf nachgehen, und dass er noch immer ein formidabler Basketballer ist, lässt sich auch in Zahlen dokumentieren. Nachdem sich der Klub von Stevan Jelovac getrennt hat, ist Hickman Bambergs drittbester Werfer mit 12,1 Punkten im Schnitt pro Spiel; dabei verteilt er noch drei Assists. "Ich kann der Mannschaft in hektischen Situationen mit meiner Ruhe helfen", sagt er vor dem Finale gegen die Berliner, die Bambergs Trainer Federico Perego als Favorit ausgemacht hat. "Keine Frage", beteuert der Italiener, "weil sie momentan gemeinsam mit München den besten deutschen Basketball spielen." Der 34-Jährige ist froh, dass er dabei auf Hickman zählen kann: "Es ist immer gut, wenn man Spieler wie ihn in seiner Mannschaft hat, die bereits unzählige Endspiele bestritten haben."

Hickman nähert sich rechtzeitig seiner vollen Schaffenskraft an, er war im Ligaspiel gegen Göttingen vor zwei Wochen mit 22 Punkten bester Werfer seines Teams. Er tritt dabei nicht so anarchisch und spektakulär auf wie sein Mitspieler Tyrese Rice, mit dem er vor fünf Jahren die Euroleague mit Maccabi Tel Aviv gewinnen konnte, er spielt schlichter, zurückhaltender. Aber auch er ist einer für die besonderen Momente, weil er über einen stabilen Distanzwurf verfügt und mit Geschwindigkeit zum Korb ziehen und den Angriff mit einem Floater oder Korbleger abschließen kann. Am liebsten würde er seiner schon erfolgreichen Karriere einen weiteren Titel hinzufügen. Dass das mit Bamberg geschehen könnte, findet er dabei gar nicht überraschend. "Ich wollte nie weg", betont Hickman. Die Pfiffe sind inzwischen verschwunden, die Fans haben ihn wieder akzeptiert und jubeln genauso über seine Punkte wie bei allen anderen Spielern.

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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