Bayern - HSV:"Natürlich Pech"

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Oliver Kahn springt am Ball vorbei ins Ungefähre, die Bayern verlieren erstmals seit 24 Jahren zuhause gegen den HSV - na und? Na ja: Es könnte der Anfang einer bescheidenen Rest-Saison gewesen sein.

Thomas Becker

Wenn man nur reinschauen könnte in die Köpfe! Was da wohl alles passiert, wenn die Reporter mit ihren Kameras und Mikros anrücken, so kurz nach dem Spiel. Und wenn sie dann noch einen Fabulierkünstler wie Oliver Kahn ergattert haben: wunderbar! Der meinte, dass man, also der FC Bayern, "selber schuld" sei an der Niederlage. Dass man auch mal mit einem einseins zufrieden sein müsse. Dass man sich zurückziehen müsse. Keinen Freistoß mehr zulassen dürfe. Und dass das mit dem 0:1 "natürlich Pech" war.

HSV-Spieler drehen nach Nigel de Jongs (2.v.r.), Siegtreffer über den FC Bayern jubelnd ab. (Foto: Foto: dpa)

Natürlich. Keine Chance gegen diesen Knaller von Guy Demel, den Nationalspieler des HSV. 47 Mal hat der Mann von der Elfenbeinküste für die Norddeutschen in der Bundesliga gegen den Ball getreten - und dabei nicht ein einziges Mal ins Tor getroffen. Auch in der 16.Minute des 24.Spieltags sah es nicht wirklich danach aus. Ballack hatte einen Van-der-Vaart-Freistoß dem Verteidiger Demel vor die Füße geköpfelt, und der schoss aus lauter Verzweiflung und sehr spitzem Winkel einfach mal aufs Kahn-Tor. Als habe es eine interne Verabredung gegeben, tauchte dieser nach rechts ins Ungewisse weg, machte das sogenannte kurze Eck frei - und leitete so den ersten HSV-Sieg in München seit 24 Jahren ein. Demel war damals ein paar Monate alt. Natürlich erinnerte er sich nicht mehr daran. Es machte ihm aber auch rein gar nichts aus. Wie zum Hohn erzielte ein weiterer bislang Torloser in der Schlussminute das entscheidende 1:2 nach Scholls fulminantem Ausgleich kurz zuvor: Nigel de Jong, bislang eher umstrittene Neu-Defensivkraft beim HSV. Noch nie haben ihn seine Spielkameraden so geherzt wie am Samstag um 17.20 Uhr.

Der FC Bayern hat ein Fußballspiel verloren. In der Allianz-Arena. Das gab's noch nie. Elf Heimspiele, elf Siege, 18 Pflichtspiele, 17 Siege, ein Remis - warum sollte diese Serie je reißen? Das einszwei gegen Hamburg war die erste Heimniederlage seit 17 Monaten, seit dem 0:1 gegen Schalke am 16. Oktober 2004. 2004! Wie überfällig war das denn wohl? Andererseits: Was soll's? Der Vorsprung auf Bremen und Hamburg beträgt neun Spieltage vor Saisonende immer noch acht Punkte - warum also aufregen? Außer Käptn Kahn tut das nach außen ja auch niemand. Chef Magath gab sich gewohnt kontrolliert: "Ich glaube nicht, dass diese Niederlage Auswirkungen auf das Spiel in Mailand haben wird. Dort werden wir viel konzentrierter auftreten. Es ist völlig wurscht, ob wir mit einer Niederlage nach Mailand fahren. Wir müssen daraufhin arbeiten, dass wir nicht den Hauch eines Zweifels am Weiterkommen aufkommen lassen." Auch bei ihm würden wir allzu gerne mal nachsehen, wie es im Oberstübchen tatsächlich aussieht.

Könnte sein, dass sich da auch ganz ander Szenarien abspielen: Der FCB scheidet am Mittwoch gegen die Mailänder Ergebniskönige aus der zum einzig wahren Saisonziel deklarierten Champions League aus, hat drei Tage danach höchste Nöte sich für die Partie in Wolfsburg zu einer ordentlichen Leistung aufzuraffen - und prompt schrumpft der ach so komfortabele Vorsprung nach Bremens Heimsieg gegen Hertha und Hamburgs Erfolg gegen Lautern auf überschaubare fünf Punkte - vor dem Spiel gegen den erstarkten Ex-Meisterschafts-Konkurrenten aus Schalke.

Aber so etwas würde Felix Magath natürlich nie sagen. Selbst wenn er es fast einmal so ähnlich gedacht hätte. Magath sagt derweil Sätze wie: "Wir hatten Mailand von Beginn an in den Köpfen. Deshalb haben wir schlecht ausgesehen am Anfang." Naja, und am Schluss ja irgendwie auch. Das Mailand-Spiel ist der Schlüssel für die Zukunft des FC Bayern. Sollten die Münchner rausfliegen (Milan gewann die Generalprobe gegen Abstiegskandidat Empoli mit 3:0), dürfte die Bayern-Motivation für die Rest-Bundesliga eher dürftig sein. Die Aussicht auf den 20. deutschen Meistertitel wird vergleichsweise wenig Zusatzkräfte frei setzen und auch einen Michael Ballack in seinen Wechselabsichten eher bestärken.

Aber, wer weiß? Vielleicht werden ihm irgendwann in London, Madrid oder sonstwo diese herrlichen Kahn-Sätze fehlen: "Die Mannschaft muss verstehen, dass wir um die deutsche Meisterschaft spielen und nicht um die Stadtmeisterschaft." Will sagen: Und wenn der FC Bayern selbst das nicht mehr schafft, dann ist das einzig und allein Pech. Natürlich.

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