Bayerischer Tennis-Verband:"Nur ein kleiner Teil der Profis hat wirklich Reserven"

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Geschäftsführer Hans Hauska über den plötzlichen Stillstand im zugesperrten Leistungszentrum in Oberhaching.

Interview von Gerald Kleffmann

Hans Hauska ist neben Peter Mayer einer der Geschäftsführer des Bayerischen Tennis-Verbandes und für den Profisport des Leistungszentrums in Oberhaching, der Tennis-Base, zuständig. Der 52-Jährige ist seit 2001 beim BTV in der Verantwortung und betreut die Bereiche Profisport und Marketing. Natürlich ist auch die Base aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen. Ein Gespräch über den Stillstand in der Akademie, Fitnesspläne für Profis und die wirtschaftlichen Folgen, wenn kein Tennis mehr gespielt werden könnte.

SZ: Herr Hauska, wie ist die Situation rund um die Base in diesen Tagen?

Hans Hauska: Wir haben seit vergangenem Dienstag geschlossen, wir halten uns komplett an die behördlichen Vorgaben. Wir haben auch geschluckt, aber sie ist nun zu. Auch das Internat, in dem ja die Talente wohnen, die hier zur Schule gehen, haben wir zugesperrt. Wir versuchen auf Distanz zu bleiben, viele sind im Home-Office, wo es umsetzbar ist. Wir praktizieren Online-Meetings und hatten in den vergangenen Tagen etliche Telefonkonferenzen, um die Krise bestmöglich zu managen. Aber das ist sicher eines der kleinsten Probleme. Anhand der Nachrichtenlage ist längst klar, dass es um Leben und Tod für immer mehr Menschen geht. Auch wir appellieren an alle bei uns: Bleibt zu Hause!

Sie und Herr Mayer müssen nun die Schließung des Leistungszentrums quasi ohne jede Vorbereitung für diesen Extremfall managen. Wie ist für Sie die Lage?

Es ist natürlich eine Herausforderung, für alle. Das, was bei uns stillsteht, ist die Vermietung von Plätzen. Das betrifft aktuell alle - Profis, Kaderspieler und Abonnenten. Die Spieler können also nicht trainieren, auch nicht in der Halle, wie normale Gäste, die meist abends Stunden buchen. Die Verwaltung geht teilweise ins Home-Office und läuft hier aber auch teils noch weiter. Und wir haben ja noch unsere Baustelle.

Es läuft die Endphase der zweiten großen Umbau- und Ausbauphase der Base, ein Millionenprojekt.

Ja, als Letztes steht das neue Verwaltungsgebäude an. Die Fertigstellung ist eigentlich für Anfang Juni geplant.

Ist der Termin noch einzuhalten?

Das können wir jetzt wie vieles nicht sicher sagen. Vieles hängt mit anderen Faktoren zusammen. Im Bau geht es auch um Lieferketten. Es ist wie beim Blick in die Glaskugel - da kann ich schlecht reinschauen. Mein Kollege Peter Mayer ist für den Bau hauptverantwortlich und natürlich ständig - je nach Entwicklung - mit Alternativszenarien beschäftigt. Das, was geht, wird noch gemacht. Das größte Problem ist die Unsicherheit, dass man nicht planen kann, wie lange dieser Shutdown-Modus aufrechterhalten bleibt. Wobei man klar sagen muss: Es trifft andere geschäftliche und gesellschaftliche Bereiche unmittelbar härter. Aber natürlich stellen wir uns die Frage, was passiert, wenn im Sommer nicht gespielt werden kann. Dann ist es egal, ob es Profi- oder Breitensport ist.

Wie groß sind Ihre Sorgen?

Klar machen wir uns Sorgen und besprechen daher alle möglichen Szenarien. Wie können wir vor allem Pläne nach hinten verlegen, wenn es etwa darum gehen sollte, noch mal vier Wochen oder eine noch längere Zeit zu gewinnen? Wir sind realistisch genug und hoffen nicht einfach: Es wird schon irgendwie vorbeigehen.

Wie ist die Stimmung?

Es ist eine Unsicherheit da, das merkt man. Die Stimmung ist bedrückter. Das merkst du bei Anrufen. Wenn jemand anruft mit einem Thema, das vor einer Woche wahnsinnig wichtig war, ist es jetzt schwer, sich darauf zu konzentrieren. Weil es jetzt um das große Ganze geht. Aber man darf nicht vergessen, dass es eine Zeit nach Corona geben wird, man muss trotz allem versuchen, fokussiert zu bleiben. Gerade jetzt gilt es, neben dem Management der Krise alles an Kreativität einzubringen, was geht.

Wie geht es den Profis? In der Base trainieren zum Beispiel Philipp Kohlschreiber, Cedrik-Marcel Stebe, Yannick Hanfmann, Maximilian Marterer. Und die Base ist Stützpunkt der DTB-Männerabteilung.

Das Gute ist, dass keiner unserer Spieler irgendwo im Ausland feststeckt, sondern alle sind wohlbehalten zu Hause. Wie die Fußballer des FC Bayern haben auch unsere Spieler individuelle Pläne erhalten oder können auf solche zurückgreifen. Aber dadurch, dass Tennisprofis Einzelsportler sind, haben sie jetzt in dieser Krise einen Vorteil: Sie sind es aus ihrem normalen Alltag gewohnt, für sich das Beste umzusetzen, um sich fit zu halten. Sie machen etwa, wenn sie reisen, ja selbständig ihre Fitnessprogramme. Sie müssen auf der Tour auch flexibel auf die jeweiligen Umstände reagieren. Nicht bei jedem Turnier ist ein Fitnessstudio aufgebaut. Spieler arbeiten dann eben allein mit dem Theraband oder machen Übungen mit eigenem Körpergewicht. Da sind die Sportler schon extrem mündig und wissen, was sie tun können. Wenn du es in der Mannschaft gewohnt bist zu arbeiten, ist es sicher schwieriger. Dann bist du es gewohnt, dass man, ich sage mal salopp, einen Vorturner hat. Ein guter Tennisspieler weiß ziemlich genau, was er tun muss, um fit zu bleiben.

„Ein guter Tennisspieler weiß ziemlich genau, was er tun muss, um fit zu bleiben“: Auch Philipp Kohlschreiber trainiert derzeit alleine. (Foto: Claudio Gärtner/imago)

Wie ist die finanzielle Lage der Profis?

Für den einen ist eine Auszeit gravierender als für den anderen. Das hängt davon ab, in welcher Phase jemand ist: Bin ich in einem Investitionszeitraum, in dem sich Einnahmen und Ausgaben gerade so ausgehen? Oder bin ich so weit vorne, dass ich bei Grand Slams regelmäßig mitspielen kann? Ein Spieler in den Top 50 wird diese Phase, auch wenn er hohe Einnahmen verpasst, sicher besser wegstecken. Für einen um Platz 200 der Weltrangliste oder niedriger, der sich nicht so viel oder nichts zur Seite legen konnte, sieht die Lage schon anders aus. Denn auch für ihn laufen Fixkosten wie die Miete zum Beispiel weiter.

Wie lässt sich diesen helfen beziehungsweise wie gehen Sie mit diesen möglichen Problemen Ihrer Spieler um?

Die Tennisprofis sind selbständige Unternehmer, die ihren Beruf vom einen auf den anderen Moment nicht mehr ausüben können, dementsprechend auch keine Einnahmen durch Preisgelder mehr haben. Vielleicht bleibt der ein oder andere Sponsorenvertrag. Aber da sitzen sie im gleichen Boot wie viele andere Selbständige auch und müssen da jetzt einfach durch und eventuell, wenn möglich, auch staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Nur ein kleiner Teil der Tennisprofis hat wirklich Reserven. Wir können da lediglich beratend und unterstützend wirken, einfach helfen, sie bestmöglich auf den Moment vorzubereiten, wenn es wieder losgeht.

Als Geschäftsführer müssen Sie auch die wirtschaftlichen Belange im Blick haben - wie bewerten Sie Ihre Lage?

Jeder hofft darauf, dass die jetzigen politischen Maßnahmen, die wirtschaftlich gesehen sehr hart sind, wirken. Da setzt jeder drauf. Jeder muss jetzt seinen Beitrag leisten, dass wir es schaffen, die Kurve der Infektionen abzuflachen. Die Lage ist, wie in so vielen Branchen, natürlich angespannt.

Können Sie einen groben Überblick geben, welche wirtschaftlichen Folgen sich für Ihre Base im Profibereich ergeben?

Baustelle Tennis-Base: Ob das neue Verwaltungsgebäude wie geplant Anfang Juni fertig wird, ist noch nicht sicher. (Foto: Juergen Hasenkopf/oh)

Grundsätzlich ist es im Profisport so: Wir haben auf der einen Seite variable Einnahmen. Einnahmen, die in der Höhe schwanken. Das sind konkret die erzielten Preisgelder der Profis, an denen wir bei unseren Spielern, die wir fördern und unterstützen, prozentual beteiligt sind. Und wir haben variable Ausgaben, das sind etwa die Reisekosten. Und die sind, man kann es sich bei Tennisprofis denken, nicht unerheblich.

Wie rechnen sich diese Posten gegen?

Der Unterschied zwischen den variablen Einnahmen und Ausgaben im Profisport ist unangenehm, aber verkraftbar. Aber unsere Fixkosten laufen ja wiederum ebenso weiter, wie Personal, Miete, das ist bei uns nicht anders als in jedem anderen Betrieb. Diese Aufgabe müssen auch wir bewältigen. Es ist nicht so, dass bei uns unmittelbar die Lichter ausgehen. Ein bisschen Luft haben wir. Andere im Tennis trifft es direkt und mit voller Wucht.

Wen meinen Sie zum Beispiel?

Denken Sie zum Beispiel nur an die Tausenden selbständigen Tennistrainer.

Und die Tennisklubs?

Vielleicht nicht unmittelbar. Die Klubs bauen in der Regel auf festen Mitgliedsbeiträgen auf, die meisten werden ihrem Klub die Treue halten. Die Fluktuation an Mitgliedern ist woanders sicher viel stärker, etwa bei Fitnessklubs, die jetzt unmittelbarer vom Lockdown betroffen sind. Aber dennoch gilt: Wenn über einen zu langen Zeitraum kein Tennis gespielt wird oder auch nach der Krise die Menschen weniger Geld für ihre Freizeit zur Verfügung haben, wird es für alle, die in dieser Freizeitbranche arbeiten, schwer. So vieles hängt jetzt mit vielem zusammen. Aber wir sind positiv, dass die drastischen Maßnahmen greifen. Wenn wir uns jetzt die nächsten Wochen massiv einschränken, haben wir auch eine Chance, dass alles gut wird.

© SZ vom 24.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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