Lukas Hradecky stutzte: "Äh, wann haben wir das letzte Mal verloren?", fragte der Leverkusener Torwart im Stadion-Souterrain in die Runde der Reporter. "Leipzig!", kam sogleich als Antwort. Das war Ende Oktober. Vor drei Monaten. Kein Wunder, dass das verblasst.
Ja, Hradecky und Bayer 04 Leverkusen sind gerade im Triumphmarsch-Modus (ausdrücklich nicht: Hradecky-Marsch!). Das 2:0 (1:0) am Mittwochabend gegen den VfL Bochum war ihr fünfter Bundesliga-Sieg in Serie, seit Ende Oktober haben sie sich von Platz 16 auf Rang acht hochgearbeitet. Sollten sie nun am Sonntag daheim auch noch Borussia Dortmund besiegen, würden sie bis auf vier Punkte an den ambtionierten BVB heranrücken. "Es beginnt besser auszuschauen", sagte Hradecky lakonisch.
Ende Oktober, nach jenem 0:2 in Leipzig, hatte sich das noch ganz anders angefühlt. Es war das sechste Pflichtspiel für den neuen Trainer Xabi Alonso - und bereits die dritte Niederlage. Bayers Sportchef Simon Rolfes beschwichtigte damals: "Wir haben gesagt: Es ist ein langer, harter Weg. Man kann nicht mit dem Finger schnipsen - und dann geht das." Seltsamerweise ist im Anschluss an die damalige Niederlage aber genau das passiert: Alonso hat geschnipst, und dann ging das. "Jetzt wollen wir oben angreifen", sagt nun der Keeper Hradecky mit Blick aufs Dortmund-Spiel.
Ein gleißendes Licht strahlte am Mittwochabend aus der Leverkusener Kabine, dort spiegelte sich das Deckenlicht in der Goldmedaille des argentinischen Weltmeisters Exequiel Palacios. Er hatte sie mitgebracht, jeder durfte sie mal anfassen. Vielleicht fährt jetzt ja auch noch ein weltmeisterlicher Geist in die Bayer-Kicker. Vielleicht brauchen sie den aber auch gar nicht mehr.
"Ich gebe zu: Ich hatte Angst", sagt der Torschütze zum 1:0.
Denn Xabi Alonso hat Stabilität in die einst vogelwilde Truppe gebracht. Zwei späte Gegentreffer beim 3:2 in Gladbach waren jüngst das Äußerste an noch übrigem Drama, Leverkusens Spektakelfußballer gewöhnen sich gerade eine nüchterne Gangart an. "Im Winter hatte jeder Zeit zu überlegen, wo wir stehen", berichtet Hradecky. Er nahm offenbar Demut und Buße wahr.
Als Signal eines neuen Selbstbewusstseins feierten die Leverkusener die achte Minute des Spiels gegen Bochum, als Edmond Tapsoba doch tatsächlich einen Foulelfmeter verwandelte. Was ironisch klingt, ist durchaus ernst, denn im Kalenderjahr 2022 hatten es Patrik Schick, Moussa Diaby und Kerem Demirbay fertiggebracht, jeweils zwei und damit sämtliche sechs Leverkusener Elfmeter zu verschießen. "Ich gebe zu: Ich hatte Angst", schilderte Tapsoba seine Emotionen beim Anlauf. Doch mit dem satten 1:0 ebnete er aber den Weg.
Das 2:0 (53.) durch Adam Hlozek bereitete mit Florian Wirtz dann auch noch jener Startelf-Rückkehrer vor, der zehn Monate pausieren musste. Mit seiner Genesung ist man bei Bayer fast vollends glücklich. Noch vermisst werden die verletzten Patrik Schick und Charles Aranguiz, deren Rückkehr auch für das Europa-League-Playoff gegen Monaco im Februar ersehnt wird.