Bayer Leverkusen:Der Nächste, bitte!

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Hüpfen, tanzen, springen: Die Spieler von Bayer Leverkusen feiern die Tabellenführung. (Foto: Pool/Sascha Steinbach - Pool/Getty)

Bender fällt aus? Dann kommt halt ein anderer und schießt ein Tor. Tabellenführer Leverkusen ist gerade so gut in Form, dass selbst Missgeschicke zu Glücksfällen werden

Von Ulrich Hartmann, Köln/München

Die Spieler tanzten extrovertiert vor dem leeren Gäste-Fanblock, so einen Überschwang muss man ohne Publikum erst einmal hinbekommen. Aber es gibt in diesen Tagen offenbar nichts, was dem Tabellenführer Bayer Leverkusen nicht gelingt. Nach dem historisch hohen 4:0-Sieg im Rhein-Derby beim 1. FC Köln zeigten die Leverkusener noch spätabends Symptome starker Adrenalin-Ausschüttung. Sie hüpften, filmten sich dabei selbst und formulierten Sätze voller Inbrunst und Angriffslust. "Wir haben einen Lauf", sagte der Torschütze Mitchell Weiser. "Wir haben eine breite Brust", sagte der offensive Mittelfeldspieler Nadiem Amiri. "Wir haben eine Next-Man-Up-Mentalität", sagte der defensive Mittelfeldspieler Julian Baumgartlinger über die stete Bereitschaft sämtlicher Reservespieler zum spontanen Notfalleinsatz.

Das war am Mittwochabend. Als es tags darauf um die Vorbereitung auf das Bundesliga-Spitzenspiel am Samstagabend ging, präsentierte der Trainer Peter Bosz allerdings eine Nachricht, auf die seine glückstrunkenen Fußballer irritiert und ungläubig reagiert haben könnten. Bosz behauptete: "Bayern München ist auch eine gute Mannschaft." Aha!

Man stellt sich also vor, wie die Leverkusener auch am Donnerstag noch hüpften und tanzten, und wie ihr Tanzen auf dem Trainingsplatz erst in jenem Augenblick erstarb, als ein Spaßverderber mit völlig übertriebenem Respekt diese Bayern erwähnte. Leverkusen ist nach sechs Jahren mal wieder Tabellenführer, hat seit dem 20. Juni (0:2 bei Hertha BSC) kein Bundesligaspiel mehr verloren; nur 2001 und 2003 hatte der Klub nach zwölf Spieltagen mehr Punkte als jetzt. Bayer gegen Bayern - so lautet am Samstagabend um halb sieben der treffliche Showdown dieser Bundesliga-Saison vor der Weihnachtspause, aber der unerschrockene Spielgestalter Amiri tat die erwartete Ankunft der vielleicht weltbesten Klubmannschaft lakonisch als Lappalie ab. "Bayern ist schlagbar", sagte er.

Wo sollen die Selbstzweifel aber auch herkommen, wenn sich sogar kleine Missgeschicke am Ende als unverhoffte Glücksfälle entpuppen? Der Rechtsverteidiger Lars Bender etwa verletzte sich am Mittwochabend beim Aufwärmen, weshalb spontan der zuletzt kaum noch berücksichtigte Weiser einspringen musste. Er erfuhr davon, als er auf dem Spielfeld gerade recht lässig mit "Ballhochhalten" beschäftigt war, einer kleinen Kunstübung für gelangweilte Ergänzungsspieler. Diese vermeintlich zu vernachlässigende Übung aber half ihm umso mehr in der 8. Minute, als er einen hohen Ball im gegnerischen Strafraum bis knapp über den Boden herunterkommen ließ, um ihn dann volley und aus dem Lauf heraus ins Kölner Netz zu dreschen.

"Next man up" - damit hat Baumgartlinger an diesem Abend vor allem jenen Reservemann Weiser gemeint, der seine Jugendfußballzeit einst beim 1. FC Köln verbracht hat und für den sein neuntes Bundesligator demnach ein besonderes war. Die Kameraden bejubelten ihn jedenfalls so überschwänglich, als beabsichtigte Weiser, unmittelbar nach dem Spiel seine Karriere zu beenden.

Dabei sollen die momentanen Leistungen doch erst der Anfang von etwas noch Größerem sein. Den Vertrag des 2:0-Torschützen Moussa Diaby hat der Klub soeben vorzeitig bis 2025 verlängert, den des Innenverteidigers Edmond Tapsoba sogar bis 2026, und auch das 17 Jahre alte Supertalent Florian Wirtz soll bis mindestens 2025 gebunden werden. Sie stehen in allen drei Mannschaftsteilen stellvertretend für die rosigen Aussichten des Vereins. Sie sind alle noch so jung und können alle noch so viel besser werden.

Das gilt besonders für Wirtz, aufgewachsen in der Kölner Nachbarstadt Pulheim, zehn Jahre lang fußballerisch ausgebildet beim 1. FC Köln und seit Januar nun aber die nächste große Hoffnung von Bayer Leverkusen nach dem Abschied von Kai Havertz. Wirtz hat es sich nicht nehmen lassen, seine Ambitionen mit dem Treffer zum 4:0-Endstand gegen Köln zu unterstreichen und dem ehemaligen Klub damit eine weitere Ohrfeige zu verpassen, nachdem dieser ihn schon für den Spottpreis von 200 000 Euro nach Leverkusen hatte ziehen lassen müssen. Sein Marktwert liegt derzeit wohl schon im zweistelligen Millionenbereich.

Grund zur guten Laune: Leverkusens Florian Wirtz, 17, dürfte seinen Marktwert inzwischen verhundertfacht haben. (Foto: WOLFGANG RATTAY/Pool via REUTERS)
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