Basketball:Warten auf die Philosophie

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Ende einer Saison in Schieflage: Für die Bamberger mit Tyrese Rice (in rot, gegen Vechtas TJBray) und Trainer Federico Perego war unerwartet schon nach dem vierten Spiel der Serie Schluss. (Foto: Imago)

Bei Bambergs Basketballern steht nach dem Viertelfinal-Aus viel Aufbauarbeit an.

Von Joachim Mölter

Leo De Rycke muss sich in diesen Tagen mehr mit Basketball beschäftigen als ihm lieb ist; im Grunde müsste er sich zerreißen. Am Freitagabend steht der bei den Telenet Giants Antwerpen fürs "Sportief Management" zuständige Belgier seinem Team zur Seite, wenn die im ersten Halbfinale um die nationale Meisterschaft den Klub Basic Fit Brüssel empfängt. Zur gleichen Zeit könnte auch sein künftiger Arbeitgeber Brose Bamberg seine Unterstützung schon gebrauchen.

Die Oberfranken laden am Freitagnachmittag ab 16 Uhr ihre Anhänger zum Saisonabschlussfest ins Trainingszentrum im Vorort Strullendorf. Viel zu feiern wird's nicht geben beim neunmaligen Meister nach dieser Saison, die der Spielmacher Nikos Zisis "sehr kompliziert" und "sehr, sehr seltsam" fand. Im Winter waren in kurzen Abständen der Geschäftsführer, der Trainer, der Sportdirektor geschasst worden; von einer drohenden Insolvenz war die Rede, der ganze Betrieb lief äußerst unrund. Zwischenzeitlich schien die Mannschaft wieder in der Spur zu sein, doch nun ist sie im Playoff-Viertelfinale entgleist, in der Best-of-five-Serie unterlag sie dem ersatzgeschwächten Aufsteiger Rasta Vechta 1:3. Die letzte Partie am Dienstagabend endete zu Hause 86:90 - nachdem es 92 Sekunden vor Schluss noch 86:82 stand.

Zuletzt waren die Bamberger vor fünf Jahren so früh ausgeschieden, damals folgte ein radikaler Schnitt, danach waren bloß noch zwei gestandene Profis und zwei Talente übrig. Ähnliches erwarten die Fans nun erneut, doch der neue Geschäftsführer Arne Dirks beschwichtigt vor dem Treffen in Strullendorf: "Dort wird niemand verabschiedet." Überhaupt sei in den nächsten ein, zwei Wochen nicht mit großen Neuigkeiten zu rechnen, fügt er hinzu: "Es wird Gespräche geben mit allen. Auch mit den Spielern, deren Verträge jetzt auslaufen." Also mit den alternden Guards Zisis, 35, Tyrese Rice, 32, Daniel Schmidt, 28, und Ricky Hickman, 33. Nur beim Letztgenannten darf man definitiv davon ausgehen, ihn nicht mehr im Bamberger Trikot zu sehen; der Amerikaner wird als eines der größten und teuersten Missverständnisse in die Klub-Geschichte eingehen. Der große Rest des Kaders ist noch bis zum Sommer 2020 gebunden, was aber nichts bedeuten muss, wie Bambergs Aufsichtsratschef Michael Stoschek bereits verlauten ließ.

Die letzte Partie gegen Vechta ist ein Spiegelbild der Saison

Vertragsgespräche sind für gewöhnlich Aufgabe des Sportdirektors, doch der 54 Jahre alte De Rycke tritt dieses Amt in Bamberg offiziell erst am 1. Juli an, und zumindest solange sein aktueller Klub noch um den Titel in Belgien kämpft, wird er die Planungen vor allem aus der Ferne vorantreiben. Wobei es bei der Kaderzusammenstellung zunächst "auf den Trainer und seine Philosophie ankommt", wie Arne Dirks zu bedenken gibt. Der aktuelle Coach Federico Perego, der den Job im Januar vom Letten Ainar Bagatskis übernommen hatte, ist noch in Gesprächen, wie der Geschäftsführer bestätigt: "Wir haben uns schon mit ihm zusammengesetzt, mehr kann ich im Moment nicht sagen.

Dem 34 Jahre alten Italiener wird offensichtlich zugute gehalten, dass er Brose im Februar zum Pokalsieg und im März in die Champions-League-Endrunde geführt hat. Dass der Kader suboptimal zusammengesetzt war, hat er nicht zu verantworten. Nach dem Playoff-Aus sagte Perego: "Wir müssen jetzt die letzten drei Monate vom Gewinn des BBL-Pokals bis zum Einzug ins Champions-League-Finale analysieren." Selbst Routinier Zisis rätselte beim Web-TV-Sender Magentasport, was nach dem Champions-League-Viertelfinale gegen Titelverteidiger AEK Athen schiefgegangen ist: "Wir haben es drei Monate unter Coach Perego gut gemacht, aber nach der AEK-Serie war die Mannschaft nicht mehr die gleiche, aus welchem Grund auch immer."

Insofern war die letzte Partie gegen Vechta ein Spiegelbild der gesamten Bamberger Saison, über die Zisis sagt: "Wir hatten ein paar gute Momente." Auch am Dienstag waren die guten Phasen eher mittendrin zu finden, als die Brose-Profis den Ball geschwind laufen ließen und ihre Überlegenheit unter dem Korb zu einer zweistelligen Führung nutzten (57:47/33.). Doch am Ende breitete sich erneut eine unerklärliche Unsicherheit und Ratlosigkeit aus, wie schon bei den Champions-League-Niederlagen im Halbfinale gegen den späteren Sieger Bologna (50:67) und im Spiel um Platz drei gegen De Ryckes Antwerperner (58:72). "Wir haben alles versucht, haben gekämpft, aber wir haben zu viele Fehler gemacht", fand Zisis, der selbst beim entscheidenden Fehler am Ende beteiligt war.

In Bamberg schauen sie jetzt genau hin, wie sich Rasta Vechta im Halbfinale gegen den Titelverteidiger FC Bayern München schlägt; zum ersten Vergleich in der Best-of-five-Serie kommt es am Sonntag (18 Uhr) im Audi Dome. Die Rasta-Männer sind zwar verletzungsbedingt nur noch zu siebt und mit ihren Kräften ziemlich am Ende. Aber wenn sie auch die Münchner ein bisschen in Schwierigkeiten bringen, wären sie in Bamberg wohl beruhigt: Dann waren sie ja vielleicht doch nicht so schlecht, wie es zunächst den Anschein hatte.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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