Basketball:Verschärfte Brautschau

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Die NBA beginnt mit der Verteilung vertragsloser Spieler. Die Mischung aus Datingshow und Karussellfahren ist spannender denn je, weil so viele Stars wie nie zum Kauf stehen.

Von Fabian Dilger

Die Geldscheinchen werden in Massen rascheln, die Alarmsirenen auf den News-Seiten schrillen, und Millionen Fans werden sich in gemeinsamer Andacht vor den Bildschirmen versammeln: Die ganze Basketball-Nation USA startet an diesem Sonntag in eine besondere Zeit. Die Free Agency beginnt um Mitternacht deutscher Zeit, die vertragslosen Spieler in der NBA dürfen sich dann offiziell neue Klubs aussuchen. Und diese Free Agency hat das Zeug, die Statik der Liga zu verändern. Binnen eines Tages können Dynastien stürzen und neue Kronprinzen auftauchen. Es sind nämlich so viele Starspieler wie nie auf dem Markt. Es wird die größte und teuerste Free Agency seit langem.

Kevin Durant. (Foto: Mark J. Terrill/AP)

Es ist wie eine Mischung aus Herzblatt-Datingshow und Karussellfahren: Wer will wen haben? Und wenn der eine dorthin geht, was macht dann der andere? Und welches Team steht am Ende am stärksten da? Die Stars sitzen in diesem Vergleich entspannt hinter der Schattenwand und können sich alle Angebote anhören. Jeder der großen Namen wird abkassieren, zwischen 30 und 40 Millionen Dollar Gehalt pro Saison werden rausspringen.

Sogar, wenn man nächste Saison ganz aussetzen muss, wie Kevin Durant (30, bisher Golden State Warriors). Das zeigt, wie hoch der Stellenwert von "Durantula", der menschlichen Spinne ist. Auf ewig dürfte diskutiert werden, wie das vergangenen Finale gegen Toronto ausgegangen wäre, wenn Durant fit gewesen wäre. Doch ohnehin angeschlagen, im Finale seine Achillessehne, weshalb er im schlimmsten Fall 19/20 ganz aussetzen muss.

Den Teams ist das egal, Durant wird von diversen Interessenten heftig umgarnt. Besonders die Klubs aus den großen Märkten New York und L.A., die Knicks, Nets und Clippers, wollen sich endlich mal wieder zum Titelanwärter hochkaufen. Und sie sind davon überzeugt, dass der Small Forward genauso stark zurückkehrt, als einer der Top 3-Spieler der Welt. Deswegen wird Durant einige sogenannte Maximal-Verträge angeboten bekommen, wahrscheinlich auch von den Warriors: vier oder fünf Jahre zu den oben genannten Bezügen.

Klay Thompson. (Foto: Ezra Shaw/AFP)

Außerhalb Kaliforniens hoffen die meisten, dass Golden State zwei Spieler verliert

Das Gleiche gilt auch für Durants Immer-noch-Teamkollegen Klay Thompson (29, bisher Golden State Warriors), der sich im Finale das Kreuzband riss. Vielleicht landen bei zusammen bei einem anderen Klub. Alles ist möglich. Ähnlich wie Durant wird der genialische Dreierschütze mit seinem abgesäbelten Band wahrscheinlich den Großteil von 2019/20 aussetzen. Angeblich wollen die Golden State Warriors Thompson unbedingt halten und bieten ihm 190 Millionen Dollar über fünf Jahre an, sagt der normalerweise bestens informierte Journalist Adrian Wojnarowski. Vielleicht bleibt dann ja auch Durant. Aber wenn einer von beiden geht, reißt das auch den anderen mit? Dann wäre die Allstar-Formation der Warriors um Thompsons Scharfschützen-Partner Steph Curry ordentlich geschwächt - worauf jeder außerhalb der Bay Area hofft.

Kawhi Leonard. (Foto: Ezra Shaw/AFP)

Derjenige, der im Finale gesund blieb und sich die Krone holte, ist ab 1. Juli auch wieder Single. Kawhi Leonard (28, bisher Toronto Raptors), Finals-MVP 2019 und derzeit bester Basketballspieler der Welt. Nachdem Leonard seine Raptors und ganz Kanada auf einen magischen Playoff-Run mitgenommen hat, bei dem er das Team in der Defensive und Offensive anschob und ganz maßgeblich war, dass es Champion wurde, ist er jetzt auf Brautschau. Will Leonard den Titel mit Toronto verteidigen? Oder zieht es ihn in die Heimatstadt Los Angeles, zu den Clippers zum Beispiel? Selbst halbgare Gerüchte sind bei Leonard schwer zu fabrizieren, denn der Small Forward und seine Absichten sind schwieriger zu entziffern als das Voynich-Manuskript. In den sozialen Medien kursierte ein Foto, was Raptors-Fans schon mal eifersüchtig werden ließ: Leonard wurde beobachtet, wie er sich angeblich Umzugskartons besorgte. Aber welcher Mensch, der in Zukunft solche Mengen Geld verdienen kann, holt sich schon selbst Umzugskartons?

Ebenfalls mit auf den Tanz kommen Kyrie Irving (27, bisher Boston Celtics), Jimmy Butler (29, bisher Philadelphia 76ers) und Kemba Walker (29, bisher Charlotte Hornets). Bei Irving ist es ziemlich wahrscheinlich, dass er Boston den Rücken kehrt. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen mit LeBron James bei den Lakers, genügend Gehalt unter dem Salary Cap haben die Lakers jedenfalls, nachdem sie die beiden Deutschen Moritz Wagner und Isaac Bonga weggetauscht haben. Die freie Stelle als Spielmacher bei den Celtics könnte dann Kemba Walker übernehmen, das Gerücht hält sich beständig. Angeblich wollen die Hornets Walker nämlich nicht genügend Geld anbieten. Ob Jimmy Butler die Stadt der brüderlichen Liebe verlassen will, ist unklar, die Sixers bieten immer noch recht gute Chancen im Osten. Nach einem anderen Szenario wollen die Houston Rockets Butler holen, um ihre Titelambitionen noch einmal zu bekräftigen. Es gibt also viele spektakuläre Szenarien, die jetzt in ein ordentliches Drehbuch überführt werden.

© SZ vom 30.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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