Basketball-Spitzenspiel:Maestro bezwungen

Lesezeit: 3 min

Nicht aufzuhalten: David Booker (links) setzt sich gegen Alba Berlins Spencer Butterfield durch. (Foto: Mario Stiehl/imago)

Bayerns Basketballer besiegen den Tabellenführer Alba Berlin deutlich mit 80:70. Trainer Djordjevic entzaubert auch seinen ehemaligen Lehrer - Erfolgscoach Aito Reneses.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es gibt kleine Details, die Einiges über Spielverläufe erklären. Manchmal ist es auch die Art der Garderobe. Bei einer seiner letzten Visiten in Berlin hatte der Trainer des FC Bayern, Sasa Djordjevic, noch sein Jackett ausgezogen, weil ihm in der Hitze des Gefechts der Schweiß ausbrach, weil er seiner Mannschaft zeigen wollte, dass auch er die Ärmel hochkrempelt. Am Sonntag behielt er das Sakko an, er ließ nur zwei Knöpfe offen und lockerte etwas die Krawatte. Denn seine Bayern eroberten auf abgeklärte Weise die Tabellenführung in der Basketball-Bundesliga. Beim bisherigen Top-Klub Alba Berlin kamen sie zu einem unangefochtenen 80:70.

Albas Topspieler Siva prägt das Spiel nur eine Halbzeit lang - dann übernehmen die Bayern

Damit erzielten die Münchner einen Erfolg in einem Spiel, das für beide Mannschaften als Gradmesser gegolten hatte. Das runderneuerte Alba hatte vor der Partie sieben, die Bayern sechs Siege zu Buche stehen; beide Teams mussten in dieser Saison jeweils eine Niederlage hinnehmen. Alba hatte überdies in der Vorwoche mit einem Sieg bei Meister Bamberg für Furore gesorgt. Doch es war eben nicht nur eine Reifeprüfung - sondern auch die erste Begegnung auf deutschem Boden zwischen Aíto García Reneses, dem neuen Trainer von Alba Berlin, und Djordjevic.

Die beiden sind alte Bekannte aus den Tagen, da sie in Spanien wirkten. Es gab auch eine denkwürdige Begegnung zwischen ihnen, im Jahr 2000, und sie tat Aíto richtig weh. Djordjevic war ein Jahr zuvor nach Madrid gewechselt, vom FC Barcelona, wo Aíto Trainer war. Im fünften Spiel des Best-of-Five-Finales der spanischen Meisterschaft trafen sie in Barcelonas Palau Blaugrana aufeinander: hier der legendäre Trainer, da sein ehemals privilegierter Point Guard. Djordjevic machte ein grandioses Spiel, besiegte Aítos Barça quasi im Alleingang.

Doch nicht das machte ihn zum Helden Madrids - vor allem, dass er im Palau den Titel so demonstrativ feierte, dass ein Barcelona-Spieler ihn in den Kabinentunnel stieß, während Djordjevic Arme und Zeigefinger gen Himmel streckte, um zu zeigen, wer die Nummer eins war. Solche Emotionen waren am Sonntag in Berlin nicht zu sehen - im Gegenteil. Djordjevic ging nach der Partie gemächlich auf Aíto zu und gab ihm respektvoll die Hand. Dem Mann, den er vor der Partie schlichtweg einen "Maestro" genannt hatte, der den Grund für den guten Saisonstart der Berliner darstelle.

Was Djordjevics Erfolg dann umso süßer machte: "Jeder Sieg ist wichtig, aber dies war ein Top-Sieg", sagte er, "wir haben gegen ein Team gewonnen, das Qualitäts-Basketball spielt und eine Menge Talent aufs Parkett bringt." Das mit der Berliner Talent-Menge sah Renesis hernach allerdings anders: "Die Bayern haben Spieler, die wissen, wie man Basketball spielt", sagte er, sein Team müsse noch lernen. Doch die Qualität des Alba-Spiels hat sich tatsächlich verbessert. Zuletzt standen sich Alba und Bayern sieben Mal in Pflichtspielen gegenüber, Djordjevics Münchner siegten sechsmal. So gesehen war es eine der wichtigsten Aufgaben des FCB-Trainers, bei seinen Spielern jede Erinnerung an damals zu löschen. Zumal sich Alba gut verstärkt hat. Er nannte an erster Stelle Luke Sikma, aber auch Peyton Siva, der "jetzt wieder der richtige Siva" sei, "er dominiert ihr Spiel". Auch gegen die Bayern traf das zu, allerdings nur eine Halbzeit lang. Da hielt er die Berliner mit Dreipunktewürfen im Spiel, als die Bayern davonzugaloppieren drohten. Bei fünf Versuchen kam er auf vier Treffer aus der Distanz.

Sivas Leistung war in dieser Phase umso kapitaler, als die Bayern vor 13 556 Zuschauern den besseren Start erwischt hatten. Sie wirkten nervenstärker, dank der Coolness von Milan Macvan und Nihad Djedovic, den die Anfeindungen der Alba-Fans, die ihm seinen Wechsel zu Bayern noch immer nicht verzeihen, offenbar antrieben.

Zu Beginn des zweiten Viertels hatten die Bayern einen Zehn-Punkte-Vorsprung herausgeworfen; auch dank einer grandiosen, aber extrem kräftezehrenden defensiven Leistung und zwölf Punkten von Jared Cunningham. Doch bis zur Halbzeit schaffte es Alba, das Blatt zu wenden - und erzielte eine knappe Führung (45:43).

Zu Beginn der zweiten Halbzeit erlangten die Bayern die defensive Intensität zurück. Es spielte ihnen aber auch eine äußerst umstrittene Entscheidung der Schiedsrichter in die Hände. Nach einem Dreier von Siva pfiffen sie ein Offensiv-Foul. Albas Euphorie über die ausgebaute Führung wich der Konsternation. Und Bayern legte einen 12:0-Zwischensprint hin, von dem sich Alba nicht mehr erholte. Siva ließ nach, andere Schultern für die Last der Partie fand Alba nicht mehr. Ins letzte Viertel gingen die Bayern mit einem Neun-Punkte-Vorsprung, den sie mit großer Ruhe ausbauten. Fünf Minuten vor Ende der Partie lagen sie mit 16 Punkten vorne (76:60) - und das ohne den am Fuß verletzten Forward Vladimir Lucic. Die Bayern konnten sich in der Schlussphase darauf konzentrieren, den Vorsprung gegen die junge Alba-Mannschaft über die Zeit zu tragen. "Es war sehr wichtig, hier zu bestehen und die Tabellenführung zu erobern", sagte Bayerns Nationalspieler Anton Gavel. Sie taten es mit solcher Abgeklärtheit, dass man am Ende meinte, die Bayern würden schon an die nächste Bewährungsprobe denken: Am 19. November empfangen sie Bamberg.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: