Basketball:Spielverderber!

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Der FC Bayern beendet Ulms Rekord-Siegesserie und präsentiert sich dabei als unangenehmer Gegner für die anstehenden Playoffs.

Von Joachim Mölter, Ulm

Kurz vor Schluss der Partie holten die einheimischen Fans unter den 6200 Zuschauern in der Ulmer Arena, also die überwiegende Mehrheit, noch einmal tief Luft, und dann brüllten sie den Spielern von Bayern München zur Erinnerung entgegen: "Die Nummer eins -, die Nummer eins -, die Nummer eins im Land sind wir!"

Das war zwar richtig, weil die Mannschaft von Ratiopharm Ulm weiterhin den ersten Tabellenplatz in der Basketball-Bundesliga (BBL) belegt. Aber bei aller Lautstärke klang der Gesang vor allem trotzig. Und hilflos angesichts des 17-Punkte-Rückstands (60:77), dem die Nummer eins im Land da gerade hinterherlief. Drei Minuten später war dann die Niederlage der Ulmer besiegelt, nach der BBL-Rekordserie von 27 Erfolgen nacheinander (inklusive eines über die insolventen Phoenixe aus Hagen, der aus der Tabellenwertung genommen worden ist) mussten sie sich am Samstagabend erstmals in dieser Saison geschlagen geben. Doch das war vermutlich nicht das Schlimmste für die sichtlich frustrierten Ulmer Fans. Am schlimmsten war, dass es ausgerechnet der FC Bayern war. Und ausgerechnet in eigener Arena. Und dann auch noch so deutlich, 68:83.

Münchens Trainer Aleksandar Djordjevic sprach hernach von einem "großen Sieg für uns" und von einer "großartigen Teamleistung". Sein Ulmer Kollege Thorsten Leibenath hingegen sagte gar nichts: Er war wenige Augenblicke vor dem Ende des dritten Viertels von den Schiedsrichtern der Halle verwiesen worden, und das war der Wendepunkt gewesen in einem bis dahin ausgeglichenen Spitzenspiel zwischen dem Ersten und dem Dritten.

Die Gäste aus München hatten stark begonnen, nach acht Minuten führten sie 12:4. Die Gastgeber aus Ulm hatten stark gekontert und noch vor der ersten Viertelpause ausgeglichen zum 12:12; später lagen sie ihrerseits mit acht Punkten vorn (36:28/19.). Am Ende des dritten Abschnitts hatten sich die Teams wieder eingependelt, als sich die Ereignisse überschlugen: Foul von Ulms Taylor Braun an Münchens Bryce Taylor; weil der Ulmer ein wenig gestikulierte, bekam er ein Technisches Foul obendrein; weil sich sein Trainer Leibenath darüber aufregte, kriegte der auch eins, und weil er nicht aufhörte, sich aufzuregen, kriegte er gleich das zweite hinterher, was dann den Spielausschluss samt Verweis aus dem Innenraum zur Folge hatte. Bryce Taylor verwandelte alle fünf Freiwürfe, die er zugesprochen bekam (zwei für das normale Foul, je einen für jedes Technische Foul); den anschließenden Ballbesitz nutzten die Münchner zu einem weiteren Korb - machte in Summe sieben Punkte binnen sechs Sekunden und aus einem 49:50 ein 56:50.

"Man kann von uns erwarten, eine andere Reaktion zu zeigen", sagt Ulms Per Günther selbstkritisch

"Das hatte großen Einfluss auf das Spiel, diese Szene hat uns das Momentum gegeben", resümierte FC-Bayern-Center Devon Booker, mit 15 Punkten bester Werfer seines Teams nach Bryce Taylor (19). Auch für Ulms Kapitän Per Günther war dieser Augenblick wegweisend. "Da haben wir uns ein bisschen aus der Ruhe bringen lassen", gab er zu. Seinem Coach wollte er die Schuld an der Niederlage nicht allein geben. "Das wäre zu einfach, zu sagen, er hat es verbockt", fand er und nahm das Team in die Pflicht: "Wir hätten einmal runterschlucken müssen und dann immer noch verteidigen können. Man kann von uns erwarten, eine andere Reaktion zu zeigen."

Die Reaktionen, die Ulm zeigte, waren Verunsicherung, Ratlosigkeit, Resignation. Die Münchner nutzten das, um davonzuziehen und das Spiel cool zu Ende zu bringen. Sie nahmen damit Revanche für die Hinspiel-Niederlage an Weihnachten (79:87) - und sie entpuppen sich zunehmen als Spielverderber. "Wir wollten heute ein Ausrufezeichen setzen, das ist uns gelungen", fand Devin Booker. Mit ihrer bissigen und aggressiven Abwehrarbeit hielten die FC-Bayern-Basketballer unlängst bereits den sonst so spielfreudigen Meister Brose Bamberg bei weniger als 60 Punkten (67:59), nun limitierten sie die potenteste Offensive der Liga auf 68 Zähler - knapp 25 unter deren Saisonschnitt.

"Alle zwölf Spieler haben ihren Körper eingesetzt", bilanzierte FC-Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic nach dem neuerlichen Triumph über einen der anderen Titel-Anwärter; die Rolle seiner Mannschaft als Spiel- und Spaßbremse gefällt ihm. "Das ist der Weg, wie wir in diesem Jahr erfolgreich sein können", glaubt er. Gegen Ulm brachte der FC Bayern jedenfalls schon Playoff-Intensität aufs Parkett, die Schiedsrichter ließen auch entsprechend viel laufen. "In den Playoffs geht es immer physischer zu", sagte Günther, "darauf müssen wir uns einstellen."

Obwohl die Münchner nun den direkten Vergleich gegen Ulm gewonnen haben, der bei Punktgleichheit am Ende über die Platzierung entscheidet, glaubt ihr Trainer Djordjevic nicht, dass sie die Hauptrunde noch auf dem ersten Platz beenden und sich so den Heimvorteil bis ins Finale sichern können: "Da sehe ich ehrlich gesagt keine Chance." Aber er weiß jetzt, dass sein Team in der Lage ist, sowohl Tabellenführer Ulm, als auch Titelverteidiger Bamberg zu bezwingen. Diese Klubs wiederum haben noch Zeit, sich auf ein Wiedersehen mit dem FC Bayern in den K.o.-Runden im Mai vorzubereiten. Bamberg hat die Strapazen der Euroleague hinter sich und kann sich erholen, Ulm erwartet in Zugang Casey Prather und in Rekonvaleszent Tim Ohlbrecht baldige Verstärkung. Der von den Münchnern recht kaltgestellte Top-Korbjäger Raymar Morgan (elf Punkte) hat die Niederlage auch nicht lang auf sich sitzen lassen. Er ging am Samstagabend aus der Arena direkt in die Trainingshalle zum Üben. Eine bessere Reaktion kann man kaum zeigen.

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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