Basketball:Seriöse Kunstgriffe

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"Wir müssen mit der Mentalität ins Spiel gehen, die Partie unbedingt gewinnen zu wollen": Svetislav Pesic will ins Eurocup-Halbfinale. (Foto: Sergei Ilnitsky/dpa)

Der FC Bayern bereitet sich mit einem Sieg in Bayreuth auf das Eurocup-Spiel bei Galatasaray Istanbul vor. Dort könnte dem Team Historisches gelingen.

Von Matthias Schmid

Nihad Djedovic hatte eine Jogginghose an, in die er zweimal reingepasst hätte. Basketballer lieben Klamotten in XXXL-Format, sie tragen sie gern zur Schau. Aber noch viel lieber tragen sie kurzen Jerseys und Hosen, auf dem Feld, wenn sie spielen. Doch Djedovic, Flügelspieler des FC Bayern, muss seit dem Pokalhalbfinale gegen Bamberg auf den Kick, den der Wettbewerb mit sich bringt, verzichten. Die Beschwerden an seiner Wade sind zwar mittlerweile so weit abgeklungen, dass er wieder leicht rennen darf. Für das Spiel am Samstagabend bei medi Bayreuth reichte es trotzdem nur für die Rolle des Balljungen in zu großer Hose. Beim Warmmachen stand er unter dem Korb, schnappte sich die Abpraller vom Brett und passte sie seinen Kollegen zu. Als das Spiel begann, musste Djedovic wieder auf der Ersatzbank Platz nehmen. Er erlebte einen entspannten Abend, weil die Münchner am Ende die Partie beim Tabellendreizehnten Bayreuth mit 92:69 (38:38) Punkten gewannen und so ihren zweiten Tabellenplatz festigten.

Spannung bezog die Partie fast allein aus der Tatsache, dass es für den FC Bayern die letzte Begegnung vor dem Rückspiel im Eurocup am Dienstag in Istanbul war. Mit einem Sieg gegen Galatasaray oder einer Niederlage mit weniger als zehn Punkten Abstand würde die Mannschaft von Trainer Svetislav Pesic nach dem 99:89-Erfolg zu Hause erstmals unter den letzten Vier in einem europäischen Wettbewerb stehen. "Wir müssen mit der Mentalität ins Spiel gehen, die Partie unbedingt gewinnen zu wollen", sagte Pesic. Er weiß aus leidvoller Erfahrung, dass ein Zehn-Punkte-Vorsprung schnell verspielt sein kann. Aus diesem Grund gefiel ihm, dass seine Mannschaft die vermeintlich leichtere Aufgabe in Bayreuth seriös löste und auch mit dem dafür notwendigen Arbeitsethos auftrat - bis auf eine kurze Orientierungslosigkeit kurz vor der Pause, als die Bayreuther mit einem 11:0-Lauf zum 38:38 ausgleichen konnten. "Wir haben gut gespielt, hatten aber auch etwas Glück, dass die Halbzeitsirene die Bayreuther Sturm- und Drangphase wieder beendet hat", bekannte der Serbe.

Diese etwas chaotischen Minuten vor der Pause mit fünf Ballverlusten, grotesken Abspielfehlern und wenig Körperlichkeit unter dem Korb öffneten den Blick für das, was sich die Münchner gegen Galatasaray nicht erlauben dürfen. "Wir müssen in Istanbul 40 Minuten lang mit der Energie spielen, die wir in der zweiten Hälfte aufs Parkett gebracht haben", sagte Bayerns Nationalspieler Maximilian Kleber. Der 24-Jährige sammelte am Ende zwölf Punkte und fünf Rebounds. Er war einer von sieben Spielern, die zweistellig punkteten, weil die Bayern in der zweiten Hälfte nun härter und leidenschaftlicher verteidigten und vorne mitunter kunstvoll trafen.

Auch Nihad Djedovic gefiel draußen, was er sah. Der gebürtige Bosnier mit deutschem Pass wird an diesem Montag ebenso im Flugzeug nach Istanbul sitzen wie Deon Thompson, den Pesic in Bayreuth geschont hatte. Der US-Amerikaner soll in jedem Fall auflaufen, ob es auch schon für Djedovic' erste Minuten reicht, ist noch ungewiss. Die Münchner werden nach dem Terroranschlag von Samstag mit einer etwas mulmigen Gefühlslage in die Türkei reisen. Fünf Menschen starben bei einem Selbstmordanschlag im Zentrum der Stadt. Das Spitzenspiel in der Basketball-Liga zwischen Galatasaray und Darussafaka wurde daraufhin abgesagt, weil die Gäste in einem nahe gelegenen Hotel die Terrorattacke erlebt hatten, nach Sport war ihnen danach nicht mehr zumute. Bayern-Trainer Pesic kann das nachvollziehen, er findet die Anschläge "sehr traurig". Aber auf die Partie am Dienstag hätten sie keinen Einfluss mehr, fügte der Serbe hinzu: "Das Leben muss ja weitergehen."

Im vergangenen Jahr hätte sich wohl auch Andreas Seiferth Hoffnungen gemacht, die Reise nach Istanbul mit den Basketballern des FC Bayern anzutreten. Doch in München saß der Center mehr auf der Bank, als er auf dem Parkett zu finden war. Mittlerweile spielt er regelmäßig für Bayreuth, am Samstag war er mit zwölf Punkten einer der auffälligsten Spieler. Selbst seine alten Kollegen schienen sich an diesem entspannten Abend mit ihm zu freuen. Als Bayreuths Geschäftsführer Philipp Galewski die Verlängerung von Seiferths Vertrag um zwei Jahr verkündete, entfachten die Zuschauer einen Lärm, als hätte Bayreuth das Spiel gewonnen. Und auf dem Parkett applaudierte Bayerns Alex Renfroe einfach mit.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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