Basketball:Schwindelige Krieger

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Einer der gefährlichsten Angreifer in der NBA, aber alleine chancenlos gegen robuste Verteidiger: Kevin Durant, 28, verzweifelt im ersten Saisonspiel. (Foto: Thearon W. Henderson/Getty)

Die als haushohe Favoriten gehandelten Golden State Warriors verlieren zum NBA-Auftakt gegen San Antonio.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die kommende Saison, das ist zumindest die Prognose aller Experten, wird die langweiligste in der Geschichte der NBA. Die Experten malen folgendes Szenario: Die Golden State Warriors werden alle 82 Saisonspiele gewinnen, in einigen Partien 150 Punkte schaffen und jeden Gegner schwindelig spielen. Danach dominieren sie die Ausscheidungsrunde der Western Conference und treffen in der Finalserie wieder auf die Cleveland Cavaliers, die im Osten erneut alles beherrschen. Die Warriors werden das Finale mit 4:1 Siegen gewinnen; das eine Spiel verlieren sie nur, weil Draymond Green nach einer Undiszipliniertheit gesperrt sein wird.

Solche Vorhersagen sind selbstverständlich Unsinn, nicht nur, weil die Warriors zum Auftakt in eigener Halle von den San Antonio Spurs schwindelig gespielt wurden und beim 100:129 laut Green "ordentlich auf die Fresse bekamen". Natürlich haben die Warriors in der vergangenen Saison 73 Spiele gewonnen und den 20 Jahre alten Rekord der Chicago Bulls um einen Sieg verbessert. Und ja, sie haben im Sommer Kevin Durant aus Oklahoma City geholt, ein Transfer astronomischen Ausmaßes. Auch führt die Zeitschrift Sports Illustrated in ihrer Liste der 20 weltbesten Basketballspieler vier Warriors: Durant, Green, Stephen Curry, Klay Thompson.

Das klingt für den Rest der Liga und für neutrale Zuschauer sehr dominant, es erinnert an die Showtime-Zeiten der Los Angeles Lakers in den Achtzigern, oder an die Bulls mit Michael Jordan, Scottie Pippen und Dennis Rodman Ende der Neunziger. Doch weshalb soll auf dem Parkett das, was sich auf Papier so wunderbar liest, genauso funktionieren? Wäre der FC Barcelona wirklich unbesiegbar, wenn neben Messi, Neymar und Luis Suárez auch noch Ronaldo in der Offensive herumtollen würde? Hat nicht Miami Heat trotz der sogenannten Big Three (LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh) die Finalserie im Jahr 2011 gegen die Dallas Mavericks verloren, obwohl zuvor alle Experten auf Miami getippt hatten?

Die Warriors haben, um Durant verpflichten zu können, ihren Stamm-Center Andrew Bogut nach Dallas abgegeben. Auf dieser Position sind sie nun mit Zaza Pachulia und Anderson Varejao nur dürftig besetzt. Das kann zu Problemen gegen physisch überlegene Mannschaften führen, auch wenn Trainer Steve Kerr nun mit Durant einen weiteren gefährlichen Schützen zur Verfügung hat.

Beim ersten Saisonspiel am Dienstag war zu sehen, dass eine Summe weit weniger prächtig sein kann als ihre Einzelteile. Nach dem Plan der Klubführung sollen die Warriors als spektakulärer Wanderzirkus durch die Hallen in Nordamerika touren. Zum Teil gelang dies auch schon. Doch vieles erinnerte noch an schlechten Slapstick. Die Warriors verloren insgesamt 16 Mal den Ball, bisweilen wirkten sie, als würden sie zum ersten Mal gemeinsam auf dem Parkett stehen. Ach ja: Die Spurs schafften 20 Rebounds mehr als die Warriors (55:35) und zeigten mit präzisem Passspiel immer wieder die Defizite in der Defensive des hochkarätigen Gegners auf.

"Das war eine ordentliche Blamage, die ich so nicht erwartet habe", sagte Trainer Kerr danach: "Ich hoffe, dass sich die Spieler genauso schämen, wie ich das tue. Viele Dinge sind zu langsam passiert, einige Dinge sind überhaupt nicht passiert. Es gibt einiges zu analysieren, es gibt aber auch noch 81 weitere Saisonspiele." Die Warriors sind das talentierteste Team der Liga, daran ändert auch diese Niederlage im ersten Saisonspiel nichts. Sie haben jedoch Schwächen, die erfahrene und eingespielte Teams wie die Spurs oder körperlich überlegene Mannschaften wie etwa die Los Angeles Clippers bloßlegen können. Die Unwucht im Kader der Warriors - zu wenige kräftige Akteure, zu wenige talentierte Ersatzspieler, zu wenige brauchbare Verteidiger - könnte zu taktisch hochinteressanten Partien führen wie eben gegen die Spurs.

Selbst wenn Golden State die Western Conference dominieren sollte, dürfte es in dieser Saison auf ein drittes Finalduell nacheinander gegen Cleveland hinauslaufen, das ebenbürtig ist. Nach Empfang der Meisterschaftsringe gewannen die Cavaliers am Dienstag 117:88 gegen die New York Knicks. Die Warriors gegen die Cavaliers, das wäre eine packende Serie, eine faszinierende Rivalität, die an die legendären Duelle zwischen den Los Angeles Lakers und den Boston Celtics vor drei Jahrzehnten heranreichen könnte.

Diese NBA-Saison dürfte also spektakulär werden, spielerisch hochwertig und spannend. Nur eines wird sie ganz sicher nicht: langweilig.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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