Basketball-Playoffs:Der Steph Curry der Basketball-Bundesliga

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Im Land der Riesen: Mit seinen 1,83 Metern ist Per Günther (am Ball) selbst für einen Aufbauspieler klein. Trotzdem hat er gute Chancen, ins Playoff-Finale vorzurücken. (Foto: imago/Jan Huebner)
  • Ulms Spielmacher Per Günther beeindruckt in den Halbfinal-Playoffs gegen Frankfurt.
  • Er zeigt, wie auch kleine Menschen große Basketballer werden können.

Von Matthias Schmid, Ulm/München

Natürlich, Stephen Curry. Per Günther lacht, als er die Vergleiche hört. Er kennt die Elogen der Internetgemeinde auf ihn nach dem Sieg im ersten Playoff-Halbfinale bei den Skyliners Frankfurt. Günther, 28, hatte seiner Mannschaft ratiopharm Ulm mit zwei Dreiern aus irrwitziger Entfernung in der Verlängerung die 1:0-Führung beschert, in der Best of 5-Serie um die deutsche Basketball-Meisterschaft. Pfiffige Basketballfreunde montierten hinterher die Haare von Curry auf Günthers Haupt und fragten sich, ob das wirklich Günther war, der da am vergangenen Freitag so frech und verwegen aufspielte - oder doch Curry, dieser überragende amerikanische Spieler von den Golden State Warriors. Das sah lustig aus und brachte die hohe Wertschätzung für den deutschen Basketballer zum Ausdruck.

Curry, 28, halten Viele für den besten Spieler in der NBA, seit Michael Jordan die nordamerikanische Liga verlassen hat. Zumindest ist Curry der radikalste und eigenwilligste von ihnen. Er hat mit seinen Dreiern, seinen Dribblings und seinen speziellen Würfen über die großen Spieler hinweg das Spiel der kleinen Leute "salonfähig gemacht", wie Günther findet. Es ist auch ein wenig sein Spiel. Wenn man so will, dann ist Günther tatsächlich der Curry der Basketball-Bundesliga.

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Der gebürtige Hagener ist noch ein paar Zentimeter kleiner als Curry, er misst bloß 1,83 Meter. Auch für einen Aufbauspieler ist das klein. Er sieht bisweilen auf dem Parkett wie ein schmächtiger Jugendlicher aus, der sich bei den Erwachsenen verlaufen hat. Dafür ist Günther spielerisch einer der Besten in der BBL, vielleicht im Augenblick der herausragende Deutsche neben dem Bamberger Daniel Theis. "Er spielt die beste Spielzeit seiner Karriere", sagt sein Trainer Thorsten Leibenath. Günther würde sich trotzdem niemals mit Curry vergleichen, der Dreipunktewürfe so einfach wie Freiwürfe aussehen lässt.

"Das, was er macht, gibt es nur einmal auf dem Planeten", bekennt Günther. Er schaut Curry freilich gerne zu, "weil seitdem auch manche meiner Würfe nicht mehr verpönt sind." Der sogenannte Floater zum Beispiel, ein Wurf des kleinen Mannes, bei dem der angreifende Spieler den Ball aus dem Dribbling heraus ansatzlos und einhändig mit einer hohen Flugbahn über den heraneilenden Gegenspieler loslässt. "Es gab einige Trainer, die das bei mir nicht gerne gesehen haben", erinnert sich Günther.

Günther hat seinen körperlichen Nachteil in einen Vorteil verwandelt

Er hat sich über die Jahre ein bemerkenswertes Repertoire an Techniken und Finten zusammengestellt. Er lässt das Spiel einfach aussehen, schwerelos, wenn er den Ball durch die Beine oder hinter seinem Rücken gleiten lässt. Seine größeren Gegenspieler fliegen oft ins Leere, wenn er in Hochgeschwindigkeit zum Korb zieht und abrupt abstoppt, um anschließend unbedrängt werfen zu können. "Ich war nie ein Überflieger im Basketball", gibt Günther zu. Doch er hat sich von vorschnellen Urteilen, die ihm in früheren Jahren die Bundesligatauglichkeit abgesprochen haben, nicht verunsichern lassen, im Gegenteil.

Günther hat seinen körperlichen Nachteil, die Größe, in einen Vorteil verwandelt, indem er einer simplen Maxime gefolgt ist: "Wenn du klein bist, brauchst du xy, um mithalten zu können." Beim ihm war xy immer sein erster schneller Schritt und sein Dreipunktwurf - der nur nie so beständig war wie in dieser Spielzeit. In den Playoffs kommt er auf eine bemerkenswerte Trefferquote von fast 57 Prozent. "Ich werde ja mit 28 Jahren langsamer und musste deshalb mein Spiel und mein Training umstellen", sagt Günther.

Er trainiert nicht nur gewissenhafter im Kraftraum, sondern ernährt sich auch bewusster. Und er ist nicht mehr so ungestüm wie noch vor zwei, drei Jahren, als er bei fast jeder Gelegenheit zum Korb stürmte in der Hoffnung, gefoult zu werden, um die Freiwürfe zu verwandeln. "Das mache ich nur noch, wenn ich merke, dass mein Wurf an diesem Tag nicht so fällt, wie ich mir das vorstelle."

Gegen Frankfurt wollte zunächst gar nichts fallen. Bis zum Schlussviertel kam Günther auf sechs Punkte. Doch dann, als es darauf ankam, verwandelte er plötzlich die Dreier, als sei das so einfach wie morgens beim Bäcker die Semmeln zu holen. Am Ende traf er sechs von sieben, ein neuer Karriere-Bestwert. Es sind diese Drucksituationen, die er braucht, um sein Spiel zu vitalisieren. "Mir gefällt es, die Würfe zu nehmen und so die Kontrolle über das Spiel zu haben", sagt Günther. Deshalb hat er auch die Angebote größerer Klubs stets ausgeschlagen, seit sieben Jahren streift er sich das Ulmer Trikot über. Er hat auch nicht vor, das zu ändern. "Ich habe eine tolle Rolle in einem tollen Verein. Es wäre deshalb das Nonplusultra hier einen Titel zu gewinnen", sagt Günther.

Die Chancen, dass die Ulmer ins Endspiel gegen Bamberg oder München vorrücken, stehen vor dem Heimspiel an diesem Dienstag gut. "Ich wünschte, jeder von uns wäre so cool wie Per", sagt sein Trainer Thorsten Leibenath, "aber das ist nun mal einzigartig. Wohl wahr: Günther schrieb am Tag nach dem Frankfurt-Spiel erst einmal eine Klausur in Volkswirtschaftslehre.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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