Basketball-Playoffs:Nur noch bergab

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Da gibt es kein Herankommen mehr: Der Münchner Reggie Redding (links) versucht vergeblich, Frankfurts gefährlichsten Angreifer Philip Scrubb am Wurf zu hindern. (Foto: imago/Eibner)

In der Viertelfinal-Serie gerät der Titelfavorit FC Bayern München durch eine verstörende Heimniederlage gegen Frankfurt in Rückstand.

Von Ralf Tögel, München

Vor der Partie ließen die Basketballer des FC Bayern München auf dem riesigen Videowürfel unter dem Hallendach die bisherige Saison in ein paar Bildern Revue passieren, die starke Vorrunde, den Pokalsieg, die schwere Verletzung von Schlüsselspieler Milan Macvan. Und einmal, ganz kurz nur, sah man einen Glatzkopf in feinem Zwirn durchs Bild laufen. Es dürfte derzeit einige geben, die sich den Mann mit dem markanten Haupt zurück an die Seitenlinie wünschen, aber bekanntlich wurde der Trainer Aleksandar Djordjevic Ende März freigestellt, seinen Posten hat Dejan Radonjic besetzt. Und der ist nun nur noch eine Niederlage entfernt vom Aus im Playoff-Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft. Denn die Fraport Skyliners Frankfurt haben am Samstagabend den Titelfavoriten überraschend in dessen Halle 86:83 (25:39) düpiert und führen nun in der Best-of-five-Serie 2:1. Schon beim Heimspiel am Dienstag (19 Uhr) können sich die Skyliners für das Halbfinale qualifizieren. Nach der Leistung des FC Bayern in den vergangenen beiden Spielen ist das nicht einmal unwahrscheinlich.#

Die Art und Weise, wie sich die Münchner Mannschaft am Samstag all ihre Vorteile wegnehmen ließ, war verstörend. Die erste Halbzeit war in Sachen Abwehrarbeit die mit Abstand beste unter Radonjic, der FC Bayern gestattete den Frankfurtern nur zwölf Punkte im ersten Viertel. Zwar gelang ihnen selbst nur einer mehr, was an einer nicht weniger engagierten Defense der Gäste lag - die dies aber im Gegensatz zum FCB auf Kosten zahlreicher Fouls bewerkstelligten. Im zweiten Viertel besserte sich die Wurfquote beim Gastgeber, die Offensive stabilisierte sich, der Favorit führte zur Pause 39:25. Frankfurt hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 16 Fouls gesammelt - zu viel für Skyliners-Coach Gordon Herbert. Der beschwerte sich auf dem Weg in die Kabine bei Schiedsrichterin Anne Panther über ihre kleinliche Spielleitung, kassierte dafür zwei Technische Fouls und durfte deshalb nicht mehr in die Halle zurück.

In hitzigen Momenten wirkt der neue Bayern-Coach überfordert: In Auszeiten spricht sein Assistent

14 Punkte Rückstand, viele Spieler mit mehreren Fouls belastet, ohne Trainer auf dem Kommandostand: Das waren die Voraussetzungen der Hessen für die zweite Halbzeit. Entsprechend gestaltete sich das Geschehen, plötzlich war bei den Bayern die Leichtigkeit zu spüren, die sie durch die so starke Vorrunde getragen hatte. Der Ball lief schnell durch die Angriffsreihen, bis ein freier Spieler gefunden war; in der Abwehr erkämpfte Bälle wurden schnell nach vorne getragen. Danilo Barthel legte nach dem ersten Fastbreak den Ball in den Frankfurter Korb, Trainer Radonjic hatte ja vor dem Spiel viele dieser leichten Zähler gefordert. Es sollte der einzige gelungene Gegenstoß bleiben. Mitten in diese kurze Phase, als der FC Bayern auf 44:25 wegzog, verwandelte Frankfurts Shawn Huff drei schnelle Dreier nacheinander.

Das genügte, sofort geriet der Favorit aus dem Tritt, es zeigte sich erneut, dass die Mannschaft jegliche Souveränität der Hauptrunde verloren hat. Je näher die Gäste kamen, desto haarsträubender wurden die Fehler: Stefan Jovic, vor einer Woche noch der gefeierte Künstler im Team, dribbelte sich den Ball auf den Fuß. Jared Cunningham, mit 20 Punkten Topscorer und einer der wenigen in Normalform, und Braydon Hobbs, bis dahin bester Ideengeber im Spiel, leisteten sich leichte Ballverluste - schon waren alle Vorteile der Münchner dahin, fortan zählten Willenskraft und mentale Stärke. Und die spricht derzeit für die Frankfurter. Jedenfalls fügten die ihren 25 Punkten aus der ersten Halbzeit 61 weitere hinzu, die Bayern konnten trotz erkennbarem Bemühen den Gegner nicht mehr stoppen.

Auch Trainer Radonjic hinterließ einen reichlich unglücklichen Eindruck, als er etwa bei Auszeiten fast schon teilnahmslos wirkte und seinem Assistenten Emir Mutapcic die Ansprache überließ. Der Montenegriner hat offensichtlich Sprachprobleme, seine Meriten hat er sich bisher ausnahmslos auf dem Balkan verdient, München ist sein erstes Engagement außerhalb dieses Biotops. In hitzigen Momenten, und Basketball-Playoffs sind voll davon, wirkt der neue Bayern-Coach überfordert. Ihm ist indes der geringste Vorwurf zu machen, vielmehr muss sich die sportliche Führung fragen lassen, ob es tatsächlich eine gute Idee war, den beliebten Djordjevic kurz vor den Playoffs auszutauschen. Ob es gut war, in dieser sensiblen Phase dem Team eine neue Ausrichtung zu verordnen. Geschäftsführer Marko Pesic sagt nach wie vor: ja.

Man habe einer Negativentwicklung entgegen wirken müssen, wiederholte Pesic. Er sehe Radonjic bei der täglichen Arbeit, das sei in Ordnung. Freilich weiß Pesic auch, dass Mannschaft und Verantwortliche "an Resultaten gemessen werden", weshalb es nun besonders wichtig sei, "die Reihen zusammenzuhalten. Wenn wir das jetzt schaffen, könnte es genau das sein, was die Mannschaft braucht". Undenkbar ist es jedenfalls nicht, dass der FC Bayern die Serie noch zu seinen Gunsten wendet, schon allein wegen der individuellen Qualität im Kader.

Eine Erklärung für das Geschehene hatten aber zunächst weder Geschäftsführer, Trainer noch Spieler parat. Die unglaubliche Serie von Frankfurts Dreiern im Schlussabschnitt führten Reggie Redding und Alex King ins Feld, sowie das eigene Wurfpech. Nihad Djedovic, mit 17 Punkten erneut verlässlicher Schütze, rätselte, "was mit unseren Köpfen los war". Es sei in der zweiten Halbzeit "nur noch bergab gegangen". Radonjic analysierte gewohnt knapp, man habe eine Halbzeit gut in der Defense gespielt, "dann waren wir zu soft". So habe man die Kontrolle verloren. Alex King hatte noch eine interessante These parat: "Jetzt liegt der Druck bei Frankfurt. Damit müssen sie erst einmal klar kommen." Ein Satz für einen Saisonrückblick.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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