Basketball:Pasta Carbonara, aber ohne Sahne

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Mit Liebe zum Detail bereitet Trainer Andrea Trinchieri die Münchner auf die Saison vor. Wegen der Pandemie-Einschränkungen muss er die Profis erst einmal auf das gleiche Fitness-Niveau bringen.

Von Joachim Mölter

Rein in die Gondel, rauf auf den Berg, die Welt von oben anschauen und den unverstellten, von keinem Wölkchen getrübten Ausblick auf sich wirken lassen. Bevor die Basketballer des FC Bayern München wieder heimfuhren von ihrem Trainingslager in den Dolomiten, genossen sie am Freitag noch für ein, zwei Stunden das örtliche Touristenprogramm auf dem Kronplatz, einem 2275 Meter hoch gelegenen Plateau oberhalb der Südtiroler Stadt Bruneck. Vor allem die fünf neuen Flachland-Amerikaner - die Guards Wade Baldwin und Nick Weiler-Babb sowie die Forwards JaJuan Johnson, Jalen Reynolds und Malcolm Thomas - erfuhren auf diese Weise ganz nebenbei, was von einem FC-Bayern-Angestellten erwartet wird: die höchsten Ziele anzugehen.

"Es gibt Spieler, die seit sechs Monaten nichts gemacht haben", hat Trinchieri festgestellt

Die Münchner Basketballer sind ja im Juni beim Finalturnier in eigener Halle als deutsche Meister entthront worden, in der bevorstehenden Saison soll die neu formierte Mannschaft nun wieder den Gipfel stürmen. Angeleitet werden sie von einem neuen Trainer, dem Italiener Andrea Trinchieri, der den glücklosen Oliver Kostic ersetzt. Der früher bei Brose Bamberg und danach bei Partizan Belgrad beschäftigte Trinchieri hat sich in München in gewisser Weise sofort als Bergführer betätigen müssen. "Die Spieler sind nicht auf dem gleichen Fitness-Level", hat er beim Trainingsbeginn festgestellt, "ich muss erst mal alle aufs gleiche Niveau bringen."

Wegen der durch die Corona-Pandemie bedingten Einschränkungen hatten gerade die amerikanischen Profis Mühe, sich in Form zu halten. "Es gibt welche, die seit sechs Monaten nichts gemacht haben, weil sie keine Möglichkeiten hatten, kein Gym, keine Halle, keinen Kraftraum", erzählte Trinchieri in Bruneck. Bevor die Münchner dorthin aufbrachen, absolvierten sie ihr erstes Testspiel, hinter geschlossenen Türen. Von der 74:82-Heimniederlage gegen den Eurocup-Klub Cedevita Olimpija Ljubljana ist wenig nach außen gedrungen, allenfalls, dass die Münchner im letzten Viertel schwächelten. "Wir sollen nicht darüber sprechen", sagte T.J. Bray, der in seine zweite Saison beim FC Bayern geht. Am nächsten Mittwoch wird sich zeigen, inwieweit die Münchner Fortschritte gemacht haben, konditionell wie spielerisch. Da messen sie sich erneut mit dem Klub, diesmal in der slowenischen Hauptstadt.

Bereits in dreieinhalb Wochen nehmen die FC-Bayern-Basketballer den Pflichtspielbetrieb auf: Am 1. Oktober startet die Euroleague in die neue Saison, Mitte Oktober folgen die Partien um den deutschen Pokal, die Bundesliga beginnt am 1. November. Da bleibt nicht mehr viel Zeit, aber genau das ist es, was die Mannschaft bräuchte. "Sie muss sich entwickeln", sagt Nihad Djedovic, der Dienstälteste im Münchner Kader: "Wir sind mit dem Trainer noch in der Kennenlernphase, und er verlangt sehr viel von uns." Das hat auch Geschäftsführer Marko Pesic beobachtet bei den Übungen in Bruneck. "Andrea ist ein sehr fordernder Trainer. Er unterbricht sehr viel, erklärt sehr viel." Wer wann wie in welchem Winkel zu seinem Gegenspieler stehen soll, zum Beispiel. "Er ist sehr detailverliebt", sagt Pesic, "er hat hier im Hotel sogar dem Koch schon erklärt, wie man Pasta Carbonara richtig macht." Nämlich ohne Sahne, nur mit Ei und etwas Öl.

Andrea Trinchieri kocht gerne, wie an seiner Figur unschwer zu erkennen ist, und er spricht auch gern in Bildern, die er aus der Gastronomie entlehnt. Bei der Zusammenstellung der Mannschaft vergleicht er sich beispielsweise mit einem Koch, der verschiedene Zutaten vor sich auf dem Tisch hat und diese nun zu einem schmackhaften Menü zusammenstellt. Und zwar immer zu einem neuen. "Man kann die gleiche Pasta kochen", erklärt er, "aber manchmal mit einem bisschen mehr von diesem Gewürz oder von jenem."

"Der Coach stellt sich viele Spielmacher vor" - einen Point Guard braucht er nicht

Für die Fans des FC Bayern heißt das: Sie werden nicht genau das Gleiche serviert bekommen, was Trinchieri in seiner Bamberger Zeit zwischen 2014 und 2017 im Angebot hatte. "Ich werde nicht mehr als fünf oder zehn Prozent übernehmen", verspricht er, "ich wäre nur ein durchschnittlicher Coach, wenn ich den Spielern hier in München die gleichen Spielzüge vorgeben würde."

Aber die Basis seines Systems, die Pasta sozusagen, wird er jetzt auch nicht neu erfinden. Andrea Trinchieri mag athletische Spieler, die auf verschiedenen Positionen agieren können und stark verteidigen. Einen klassischen Point Guard, einen Spielmacher also, braucht er nicht, hat er schon in Bamberg nicht gebraucht. "Wer spielt denn im Jahr 2020 überhaupt noch mit einem?", fragte er, eher rhetorisch. "Der Coach stellt sich viele Spielmacher in der Mannschaft vor", sagt Nick Weiler-Babb, der Trinchieris Anforderungsprofil so gut erfüllt wie kaum ein anderer. Es wäre keine Überraschung, wenn man ihn häufig am Ball sieht in der kommenden Saison.

© SZ vom 07.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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