Basketball:Mit Tempo zum Titel

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Spielwitz und Leichtigkeit: Nach bisher makellosen Turnierauftritten geht Alba Berlin als Favorit in die Finalspiele gegen die Riesen Ludwigsburg.

Von Ralf Tögel, München

Nur nicht das Gesicht verlieren, im vermeintlich letzten Saisonspiel. Rasid Mahalbasic hatte das angemahnt, vor dem zweiten Halbfinale gegen Alba Berlin, im Ringen um die deutsche Basketball-Meisterschaft. Nun kam der Oldenburger Center angeflogen und schlug Kenneth Ogbe bei dessen Korblegerversuch auf den Arm, dann hob er schuldbewusst die Hand, wie man das im Basketball nach einem absichtlichen Foul macht, schritt vom Feld, klatschte alle Teamkollegen ab und verabschiedete sich in die Sommerpause. Es war sein fünftes Foul, somit war der Center schon zu Beginn der zweiten Halbzeit aus dem Spiel. Man darf Mahalbasic durchaus Absicht unterstellen, schon vorher war ihm ob der augenscheinlichen Chancenlosigkeit eine gewisse Frustration anzumerken. Ohne den Motor im Oldenburger Team verloren die EWE Baskets auch das zweite Kräftemessen deutlich 59:81 und verabschiedeten sich aus dem Titelkampf.

Die Aussicht auf ein Weiterkommen war nach der deftigen 63:92-Niederlage im ersten Spiel ohnehin in den theoretischen Bereich geschrumpft, denn beim Finalturnier in München wird die K.-o.-Runde im Best-of-two-Modus gespielt, die beiden Ergebnisse also addiert. Und die Berliner machten von Beginn an deutlich, dass sie kein Interesse an einem ehrenvollen Abschied der Oldenburger hatten. Obwohl Alba-Trainer Aito Garcia Reneses sogar die gesamte Partie auf seinen bevorzugten Spielmacher verzichtete, er schonte in Peyton Siva den bislang besten Berlier Akteur. Kollege Mladen Drijencic blieb nichts anderes übrig, als zerknirscht einzugestehen, dass Oldenburg nun mal "keine Turniermannschaft" sei - zumal seine Anfangsformation einen "Altersdurchschnitt von 30 Jahren" auf das Parkett zu schleppen habe.

Die Berliner müssen ihre Urlaubsplanungen nun bis kommenden Sonntag verschieben, die Frage ist nur noch, mit welchem Gefühl sich dieses Team in die Ferien verabschiedet. Nach dem bisherigen Verlauf dieser Finalrunde muss man sich Mühe geben, um Gründe zu finden, dass diese Saison nicht mit dem Double für Berlin enden wird. Den Pokalsieg hat sich Alba bereits im Februar mit einem überzeugenden 89:67-Erfolg über Oldenburg gesichert. In München sind die Berliner das einzige Team, das bisher alle Spiele gewonnen hat, zudem scheinen Tempo, Spielwitz und Leichtigkeit von Partie zu Partie zuzunehmen. Und genau darin sieht Geschäftsführer Marco Baldi die größte Gefahr, denn das Spiel seiner Mannschaft lebe von der Geschwindigkeit und dem Spielfluss: "Was passiert, wenn das unterbunden wird? Hadert die Mannschaft, kommt Frustration auf, weil das nervt, oder sogar Resignation?" Denn exakt dies ist das Vorhaben des Finalgegners, wie Ludwigsburgs Center Hans Brase zugab: Die bevorzugte Taktik der MHP Riesen Ludwigsburg sei nämlich, das Spielsystem des Gegners zu zerstören.

Die Ludwigsburger werden für Alba "kein Spaziergang"

Als "eklig" charakterisierte Brase die eigene Spielweise, was zunächst nicht gerade sexy klingt, aber auf einer sehr intensiven und aggressiven Defensive beruht. Die Riesen haben allerdings im Turnierverlauf bewiesen, dass sie Basketball spielen können; zudem zeichnet sich die Mannschaft durch einen immensen Willen aus. Trainer John Patrick gelingt es immer wieder, eine besonders eingeschworenen Einheit zu formen, die niemals aufgibt. Da spiele es eine untergeordnete Rolle, dass die Berliner nominell deutlich besser besetzt sind, warnt Baldi vor dem ersten Finale am Freitagabend (20.30 Uhr). Bestes Beispiel sei Meister FC Bayern München, der im Viertelfinale nach zwei sehr intensiven Vergleichen mit den MHP Riesen seinen Titel los war. "Das wird kein Spaziergang", prophezeit der Alba-Manager, zumal sich die Riesen einen Tag länger ausruhen konnten.

Aber Ludwigsburg muss seinem fordernden Spiel und dem kleinen Kader Tribut zollen, neben Brase sind auch dessen Center-Kollege Jonas Wohlfarth-Bottermann sowie der bislang überragende Marcos Knight angeschlagen, Trainer Patrick erwartet erst am Spieltag eine Entscheidung, wer letztlich mitwirken kann. Gerade Knight wäre nicht zu ersetzen, über Ludwigsburgs Spielmacher sagt Alba-Coach Aito folgendes: "Ein Spieler, der alles kann: passen, punkten, rebounden, verteidigen, werfen, er spielt einfach exzellent." In der Tat ist der 30-Jährige der auffälligste Akteur des gesamten Turniers, zudem geht der unermüdliche Kämpfer voran und reißt die Teamkollegen mit.

Berlin aber hat den qualitativ besten und tiefsten Kader, ist folglich kaum auszurechnen. Resultat eines dreijährigen Aufbaus, wie Baldi sagt: "Die Mannschaft ist unheimlich gereift und zusammengewachsen und hat ein sehr, sehr großes Verlangen, diesen Titel zu gewinnen." In diesen drei Jahren erreichte Alba zweimal im Pokal und in der Meisterschaft sowie einmal im Eurocup das Finale, ging aber stets als Verlierer vom Platz. Baldi sieht darin keinen Makel: "Man muss erst einmal ein Finale erreichen."

Nun aber sei die Mannschaft reif für den Titel, hat sich mit dem Pokalsieg bereits belohnt und "einen großen Hunger" auf die erste Meisterschaft seit zwölf Jahren. Selbst die Nachricht, dass Center Landry Nnoko den Klub verlassen will, lächelte Alba-Trainer Aito entspannt weg: "Mich interessiert jetzt nur der Freitag."

© SZ vom 26.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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