Basketball:Keine Fragezeichen mehr

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Trotz aller Wucht immer mit Leichtigkeit: Münchens Forward Derrick Williams. (Foto: Antonio Calanni/AP)

Mit dem zweiten Auswärtssieg in der Euroleague gegen Mailand offenbart der FC Bayern München einen weiteren Schritt nach vorne.

Von Ralf Tögel

Der Blick. So hat man den Basketball-Profi Derrick Williams in dieser Saison noch nicht gesehen. Marko Pesic, der Geschäftsführer des FC Bayern, hatte zu Saisonbeginn erzählt, der US-Amerikaner sei wie ein Tiger im Käfig, als ihn der Trainer ob seines Trainingsrückstandes noch nicht aufs Spielfeld entließ. Mittlerweile tobt sich der 27-Jährige in den Hallen dieses Kontinents aus, doch nun saß er im Mediolanum Forum in Mailand auf der Münchner Auswechselbank. Und setzte einen Blick auf, dass man froh sein musste, dass Trainer Dejan Radonjic nicht in Bissweite stand. Denn auf dem Spielfeld drehte Gastgeber Olimpia Mailand gerade das Spiel. Erst traf Vladimir Micov, dann Nemanja Nedovic jeweils per Dreier, aus einer knappen Zwei-Punkte-Führung war ein Vier-Punkte-Rückstand geworden, eine Minute Spielzeit blieb den Bayern in diesem Euroleague-Spiel beim italienischen Meister noch. Dann ließ Radonjic Williams wieder von der Leine.

Eine gute Idee, denn der in unzähligen NBA-Spielen gereifte Forward, der sich trotz seiner immensen Athletik so schnell und behände bewegen kann, setzte sich bei einem Konter gegen zwei Gegner trotz Foul durch und führte sein Team mit einen Drei-Punkte-Spiel (nach dem Korberfolg bekam er noch einen Freiwurf zugesprochen) zum Sieg. Nihad Djedovic stellte kurz darauf mit einem Freiwurf den Endstand her. Den 80:78-Triumph allein an Williams, seinen 21 Punkten - natürlich Bestwert des Abends - und sechs Rebounds festzumachen, würde indes den Teamkollegen nicht gerecht. Allein die letzte Aktion dieses nervenaufreibenden Duells war beispielhaft für die Münchner Mannschaftsleistung. Da machte sich nämlich das Ass auf Seiten der Mailänder auf, um mit einer Einzelaktion auszugleichen, doch der ebenfalls NBA-erfahrene Mike James wurde von einer Münchner Wand geblockt: James, Williams, Danilo Barthel und Stefan Jovic, der die Aktion mit einem Brummschädel bezahlte, weil er James' Knie an den Hinterkopf bekam, purzelten wild durcheinander, ehe der Ball vom Ring der Münchner und damit aus der Gefahrenzone befördert werden konnte.

In der umkämpften Schlussphase trafen die Münchner die richtigen Entscheidungen

Es wurde vieles richtig gemacht auf Seiten der Bayern, die ja mit einigen Fragezeichen angereist waren: War die Energieleistung vom Sonntag beim knappen Sieg gegen Verfolger Berlin in der Bundesliga verdaut? Wie sind die unerwarteten Ausfälle von Braydon Hobbs und Alex King, die beide von einem Virus ins Bett gezwungen wurden, zu kompensieren? Wie wird sich die Reboundschwäche der Münchner gegen einen Gegner wie Mailand, der in dieser Disziplin die Nummer zwei der gesamten Liga ist, auswirken? Zumal in Milan Macvan und Devin Booker die besten Rebounder verletzt fehlen? Die Antworten: Bestens. Problemlos. Gar nicht. Denn die Arbeit unter dem Brett gestaltete sich so gut wie nie in dieser Euroleague-Saison. Mit vereinten Kräften hielten Williams, Djedovic, Nemanja Dangubic und Leon Radosevic nicht nur dagegen, die Münchner waren mindestens gleichwertig. Vor allem Leon Radosevic, der von Bamberg gekommen ist und in München lange nach seiner Form gesucht hat, wird immer besser und steuerte neben vier Rebounds auch zehn Punkte bei. Radonjic gab seiner zweiten Reihe mehr Einsatzzeit, was ihm Robin Amaize und Marvin Ogunsipe mit wichtigen Beiträgen zum Sieg dankten. Gerade Amaize, immerhin als Stammspieler in Bayreuth und Jung-Nationalspieler an die Säbener Straße gewechselt, durfte eine Kostprobe seiner Fähigkeiten geben. Ein Muster, das angesichts der gewaltigen Belastungen öfter zur Anwendung kommen sollte, gerade wenn Spieler wie Hobbs oder King wieder mit von der Partie sind.

Denn Pausen sind im Spielplan der Bayern nicht vorgesehen, vielmehr steht in der Partie gegen Euroleague-Champion Real Madrid der nächste internationale Höhepunkt unmittelbar bevor: An diesem Freitagabend gastiert der Euroleague-Champion (20 Uhr) im Audi Dome, mit einem wahrhaft königlichen Ensemble. Spieler wie Rudy Fernandez, Gustavo Ayon oder Anthony Randolph weisen eine Vergangenheit in der NBA auf, der Titelverteidiger hat ohnehin ausschließlich europäische Spitzenkräfte in seinen Reihen.

Die Bayern haben mit ihrem zweite Auswärtssieg in Mailand einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Ihr Reboundspiel hatte Königsklassenniveau, und es waren die Münchner, die in der heiß umkämpften Schlussphase abgeklärt agierten, die richtigen Entscheidungen trafen. Petteri Koponen (13 Punkte) etwa war im rechten Moment mit seinen Distanzwürfen zur Stelle, Regisseur Jovic nahm im rechten Moment Tempo und Risiko aus dem Spiel. Und dann war da ja noch Williams, dieser so hoch veranlagte Forward, der mit seiner großen Klasse den Unterschied ausmachte. Dabei ist er ein Teamplayer, arbeitet leidenschaftlich in der Defense, kämpft um jeden Ball und bringt sich in Mannschaft und Spiel ein, wo es nur geht. Wenn man ihm zusieht, sieht man trotz aller Wucht eine wunderbare Leichtigkeit, Williams wurde ja jahrelang in der NBA ausgebildet. Und dabei hat immer ein Lächeln auf den Lippen - außer er sitzt in einer wichtigen Phase auf der Bank.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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