Basketball:Kein Schauspieler

Lesezeit: 3 min

Trainer Ainars Bagatskis soll Brose Bamberg zurück an die deutsche Spitze führen. Er geht dabei ideologiefrei vor.

Von Matthias Schmid

Ainars Bagatskis schwärmt von Riga, als würde in der Hauptstadt Lettlands Milch und Honig fließen. Die mittelalterliche Altstadt? Ein Traum. Die Ostsee-Bucht? Hinreißend. Und die Schokolade? Die beste der Welt. "Sie müssen unbedingt mal nach Riga kommen und sie probieren", preist er seine Heimatstadt wie ein überschwänglicher Reiseführer an. Die beruflichen Verpflichtungen bringen es aber mit sich, dass Bagatskis, 51, die vergangenen 20 Jahre als Basketballspieler und -lehrer hauptsächlich im Ausland und nicht in Riga verbracht hat. Zuletzt war er in der Ukraine, Russland, der Türkei und in Israel beschäftigt, ehe er im Sommer einen Zweijahresvertrag beim neunmaligen deutschen Meister Brose Bamberg unterzeichnete. "Ich vermisse im Ausland vor allem meine Kinder, meine Freunde - und die lettische Schokolade", sagt Bagatskis.

Seit ein paar Tagen nun hat der neue Cheftrainer die Mannschaft zur Vorbereitung auf die neue Saison in der Strullendorfer Halle versammelt, wo die Bamberger ihr Trainingszentrum haben. Der erste Eindruck sei sehr positiv, erklärt Bagatskis. Vor allem von der Einstellung der Spieler sei er verblüfft: "Sie sind sehr motiviert, strebsam und lernbegierig." Michael Stoschek, der Aufsichtsratschef, wird das gerne hören. Er hatte nach der verstörenden Halbfinalniederlage in der vergangenen Saison gegen den späteren Meister FC Bayern für die neue Spielzeit einen Neustart ausgerufen, eine Übergangsjahr, in der sich der Verein auf seine früheren Werte zurückbesinnen müsste, die ihm einst zur Blüte verhalfen. "Mit jungen, hungrigen Spielern" will der Coburger Unternehmer zurück an die deutsche Spitze.

"Wir müssen nicht diese Saison, aber in der nächsten um den Titel mitspielen", sagt Stoschek

Sportlich moderieren soll den Umbruch mit sechs neuen Profis und sieben Spielern, die 22 Jahre und jünger sind, Bagatskis. Sie trauen dem Mann aus Riga diese verantwortungsvolle Aufgabe zu. Sportdirektor Ginas Rutkauskas kennt ihn unter anderem aus gemeinsamen Zeiten beim litauischen Spitzenklub Zalgiris Kaunas, wo dieser als Spieler und Trainer erfolgreich gewirkt hat. Zuletzt hatte Bagatskis 2017 in Israel Maccabi Tel Aviv zum Pokalsieg geführt, eher er dort entlassen wurde. "Ainars hat bewiesen, dass er Spieler entwickeln kann", betont Rutkauskas. Wichtig ist dem neuen Cheftrainer dabei vor allem die Haltung, die die Spieler mitbringen. "Du kannst als Coach die tollste Taktik der Welt haben", hebt er hervor, "wenn sie nicht dazu bereit sind, mit dir zu arbeiten, ist das aber nichts wert." Er will deshalb eine gedeihliche Arbeitsatmosphäre schaffen, er sei kein Trainer, der sich verstellen würde, um die Spieler zu erreichen. Bagatskis sagt: "Ich bin kein Fake, kein Schauspieler, sondern immer direkt." Nachdem als letzter Zugang am Donnerstag noch der frühere Bayern-Profi Tyrese Rice eingetroffen ist, gehe es nun darum, dass er die Spieler kennen lerne und die Spieler ihn.

Die Struktur des aktuellen Kaders mit ein paar älteren und sehr vielen jungen Spielern findet er gelungen. Über Bamberg und die vergangenen Saison hat er sich natürlich informiert, über die sportlichen Probleme und die Entfremdung der Mannschaft mit Teilen der Anhänger. "Vielleicht war das Team nicht unbedingt satt, aber etwas zu alt", glaubt er. Bagatskis verspürt aber keine große Lust, über die Vergangenheit oder die Zukunft zu reden. "Im Basketball lebst du nur im Hier und Jetzt", sagt er. Dass der FC Bayern enteilt zu sein scheint, interessiert ihn nicht. "Auf dem Papier haben sie die besten Spieler in Deutschland, aber entscheidend ist auf dem Parkett." Er will deshalb seine Profis so formen, dass sie voll konkurrenzfähig sind, falls die anstrengende Euroleague die Bayern mehr schlauchen sollte, als es ihnen lieb ist. Für ihn ist es dabei in der Entwicklung auch kein Nachteil, dass Bamberg nur in der zweitklassigen Champions League antritt. "Das ist ein seriöser Wettbewerb", sagt Bagatskis, "und für die jungen Spieler ist es egal, wo sie spielen, Hauptsache sie spielen."

Mit drei Adjektiven beschreibt er den Basketball, der ihm vorschwebt und mit dem er erfolgreich sein will. Er soll schnell sein, aggressiv und smart. Dahinter verberge sich keine ideologische Spielphilosophie, kein streng akademischer Überbau wie unter seinem Vorvorgänger Andrea Trinchieri. Sondern ein pragmatischer Ansatz mit schnellen Abschlüssen, lästiger Verteidigung und richtigen Entscheidungen im richtigen Moment. "Ich richte meine Taktik nach meinen Spielern aus", erklärt Bagatskis. In den nächsten Wochen bis zum Saisonstart Ende September in Würzburg will er genau beobachten, was die passende Lösung ist. Im Postulieren eines Saisonziels hält er sich deshalb zurück. "Ich kann niemand etwas versprechen", bekennt er, "aber glauben Sie mir, dass die Spieler und ich Titel gewinnen wollen."

Michael Stoschek hat dagegen schon genaue Vorstellungen davon, wann die Bamberger spätestens wieder titelreif sein sollten. "Jeder weiß, dass wir den zweithöchsten Etat in Deutschland haben", sagte der 70-Jährige beim Trainingsauftakt: "Daraus ergibt sich, dass wir noch nicht in dieser, aber schon in der nächsten Saison klar um den Titel mitspielen müssen." Ainars Bagatskis ist schlau genug, um das nicht zu kommentieren.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: