Basketball:"Kein guter Tag für meine Nerven"

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Alba Berlin setzt dem FC Bayern im Playoff-Viertelfinale mehr zu als erwartet - muss auch Uli Hoeneß feststellen. Die anderen Duelle sind ebenfalls eng.

Von Ralf Tögel, München

Dieses Mal hatte Thomas Päch in den Angriffsmodus geschaltet. Am Ende seiner Einlassung zum Playoff-Viertelfinale beim FC Bayern bemerkte er spitz: "In der Schlussphase haben mir ein paar Pfiffe gefehlt." Die Botschaft des Berliner Basketball-Trainers: Hätten die Referees konsequent gepfiffen - wer weiß, was möglich gewesen wäre für Alba Berlin.

Noch vor Wochenfrist war Päch an gleicher Stelle fast schüchtern aufgetreten, da hatte er allerdings auch eine verstörende Pleite seiner Mannschaft zu erklären gehabt. Päch war in Berlin kurz zuvor sehr überraschend auf den Chefsessel gerutscht, weil sein Vorgänger Ahmet Caki nach einer enttäuschenden Vorrunde durch ihn, den bisherigen Assistenten, ersetzt worden war. Tatsächlich reanimierte der Ersatzcoach die Albatrosse, die am vergangenen Donnerstag prompt in heimischer Halle zum 1:1 in der Best-of-five- Serie ausglichen. Und zeigten, dass sie entgegen aller Prognosen doch in der Lage sind, dem Favoriten aus München ein Bein zu stellen. Die Bestätigung erfolgte nun auch in München: Alba setzte dem FC Bayern trotz der 73:80-Niederlage arg zu.

Gegen Ende des dritten Viertels etwa führten die Gäste mit neun Punkten, die Münchner wirkten in dieser Phase kopflos. Bis in die Schlussminuten hielt Berlin das Spiel offen, und wäre Nationalspieler Niels Giffey der Ball nicht zwischen den Händen durchgerutscht, hätte Center Elmedin Kikanovic sich selbigen nicht an den Fuß geprellt - wer weiß. So aber ließ Alba zweimal die Gelegenheit zum 75:75-Ausgleich aus, Münchens Reggie Redding traf im Gegenzug mit einem eigentlich unmöglichen Wurf aus höchster Bedrängnis. Die beiden Berliner Unzulänglichkeiten waren dem Schiedsrichter-Team allerdings nicht anzulasten, weshalb Pächs Schelte nach dem Spiel ein Stück weit ins Leere lief.

Ulm führt gegen Ludwigsburg, Bamberg führt gegen Bonn

Dass auch sein Münchner Kollege Aleksandar Djordjevic mit der Leistung des spielleitenden Trios nicht einverstanden war, musste er erst gar nicht erwähnen. Das war für die 6553 Menschen in der nicht ganz ausverkauften Halle schwer zu übersehen, im dritten Viertel handelte sich der Serbe ein technisches Foul ein, der Gegner erhielt dadurch Freiwürfe und anschließend Ballbesitz. Es ist ein probates Mittel des sportlich Verantwortlichen, sein Team so aufzurütteln. Zunächst nutzte Alba diese Phase zur deutlichen Führung. Doch letztlich hatte Djordjevic Erfolg, die Münchner bissen sich zurück in die Partie - und haben nun zwei Möglichkeiten (Dienstag in Berlin und wenn nötig Donnerstag in München), um das Halbfinale zu buchen.

Man muss den Berlinern fast schon dankbar sein, denn durch ihre sportliche Wiederauferstehung haben sie diesem Duell erst die Würze verliehen. Die Trainerentlassung in der sensiblen Saisonphase, eine böse Verletzung von Kapitän Dragan Milosavljevic, dem zweifellos besten Berliner Spieler, dann der Galaauftritt der Bayern im ersten Spiel: Außerhalb der Hauptstadt wollte niemand mehr an Spannung in diesem Vergleich glauben. So aber gab es auch in München eine hitzige, enge und nervenaufreibende Partie, inklusive einem kleinen Scharmützel mehrere Spieler auf dem Weg in die Halbzeitpause. Anders ausgedrückt: Playoff-Atmosphäre.

Auch Bayern-Präsident Uli Hoeneß wollte das gut gelaunt bestätigen, er war eilig aus Leipzig angereist, den Siegtorschützen Arien Robben im Gepäck. "Kein guter Tag für meine Nerven", befand der FCB- Patron, dem freilich nicht entgangen war, wo das Hauptmanko in seiner Auswahl zu suchen ist: Die Mannschaft, die so souverän durch die zweite Saisonhälfte marschiert war, wirkt in engen Phasen oft unsicher, kein Akteur weiß in solchen Momenten die Führung des Spiels an sich zu reißen. Am besten gelang dies noch Kapitän Bryce Taylor, der in der Schlussphase Verantwortung übernahm und entscheidende Punkte erzielte. Neben Taylor (13) punkteten noch Vladimir Lucic (14) und Nihad Djedovic (10) zweistellig, auf Gästeseite gelang das nur Center Kikanovic (12).

Auch Augustine Rubit (rechts, gegen Ludwigsburgs Jack Cooley) und das Team von Ulm mühen sich mehr als zu erwarten war. (Foto: Hansjürgen Britsch/imago)

Die Münchner Abwehrleistung gab einmal mehr wenig Anlass zur Kritik, problematischer sah es auf der Spielmacher-Position aus - nicht zum ersten Mal in einem K.o.-Spiel. Nick Johnson scheint mit solchen Aufgaben überfordert zu sein, der nachverpflichtete Dru Joyce ist noch nicht so weit. Es sind Veteranen wie Redding und vor allem Anton Gavel, die dieses Defizit am Samstag auszugleichen wussten - und den Bayern im Rennen um den Titel zumindest realistische Ambitionen erhalten.

Denn weder Vorrunden-Primus Ulm, der mit dem 87:76-Heimsieg (nach der überraschenden Heimpleite im ersten Spiel) nun 2:1 gegen Ludwigsburg führt, noch Meister Bamberg, der sich mit einem 76:63-Zittersieg zum 2:1 gegen Bonn mühte, präsentieren sich nach dem Fehlstart in die Playoffs in der starken Form der Vorrunde. Den Bayern, die nach dem ersten Endrunden-Spieltag zwischenzeitlich als eine Art Titelfavorit galten, ist diese Leichtigkeit ebenfalls abhanden gekommen. Es bleibt spannend auch in ihrem Viertelfinale, nach diesem Erfolg mit dem Rücken zur Wand ist immerhin das Momentum zurück auf ihrer Seite, vieles spricht nun für den FCB. Den Gegner auf Augenhöhe haben sie sich mit ihren unerklärlichen Aussetzern gewissermaßen selbst erschaffen - und der wird am Dienstag wieder in den Angriffsmodus schalten.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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