Basketball:Gespenstische Stille

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Erst ein Wurf, dann der Griff ans linke Knie: Bayerns Kapitän Danilo Barthel musste verletzt vom Feld. (Foto: imago/Nordphoto)

Tabellenführer München schlägt Bonn mit 102:91 , verliert aber Danilo Barthel. Womöglich fehlt der Kapitän in der Euroleague.

Von Matthias Schmid

Dejan Radonjic drehte Derrick Williams den Rücken zu, als dieser an der Freiluftlinie stand. Da liefen gerade die ersten Minuten im zweiten Viertel gegen die Telekom Baskets Bonn. Die gleichgültige Geste war kein Affront gegenüber seinem Spieler, aber der Cheftrainer des FC Bayern München hatte in diesem Moment Wichtigeres zu tun, der Montenegriner musste sich am Sonntagabend bei Danilo Barthel nach dessen Wohlbefinden erkundigen. Der Kapitän hatte sich wenige Minuten davor nach einem Wurf ans linke Knie gefasst, mit schmerzverzerrtem Gesicht lag er auf dem Boden. Es war ganz still im Audi Dome, und es ist immer gespenstisch, wenn eine gut gefüllte Halle plötzlich schweigt.

Sofort hetzte der Münchner Teamarzt aufs Parkett, hinzu kam Barthels Mitspieler Alex King, sie halfen Barthel auf, wieder auf den Beinen stehend stützten sie den 2,08 Meter großen Basketballer, dass dieser in die Kabine humpeln konnte, wo er später, begleitet von "Danilo Barthel"-Sprechchören, zurückkehrte, aber nicht mehr mitspielte. Die Zuschauer riefen so laut seinen Namen, als könnten sie mit diesen Rufen zur Genesung beitragen. Dann beugte sich Radonjic zu ihm und fragte Barthel, wie es seinem Knie gehe, das mit einem dicken, schwarzen Eisverband umwickelt war. Den Umständen entsprechend, wie der Trainer später mitteilte: "Ich hoffe, dass es nichts Schlimmeres ist." Das offizielle Bulletin steht noch aus, weil erst an diesem Montag weitere Untersuchungen anstehen.

Der Sieg im Spitzenspiel gegen Bonn rückte angesichts der Verletzung von Barthel etwas in den Hintergrund, dabei war es kein unwichtiger Erfolg. Mit dem 102:91 (50:39) bleiben die Münchner auch im vierten Spiel in der Basketball-Bundesliga unbesiegt und führen die Tabelle mit 8:0 Punkten vor Alba Berlin, Oldenburg und Brose Bamberg an, die allesamt ein Spiel weniger haben (6:0).

Die Gäste aus Bonn waren ein unangenehmer Gegner, sie haben einen kleinen, aber feinen Kader, bei dem sich der wuchtige Center Carles Jackson (22 Punkte) und der filigranere Flügelspieler James Webb III (17 Punkte) am Sonntagabend besonders hervortaten. Vor allem Webb wollte wieder sportlich überzeugen, nachdem er zuletzt im Champions-League-Spiel disqualifiziert worden war, weil er den Zuschauern den Mittelfinger darbot. Das hatte natürlich eine Vorgeschichte. Der Amerikaner war von Anhängern des griechischen Kontrahenten Paok Saloniki bespuckt worden, mehrmals sogar, was ihn so provozierte, dass er sich zu dieser obszönen Geste hinreißen ließ. In München machte er für Bonn die ersten fünf Punkte, die Gäste führten im ersten Viertel sogar 15:11. Doch die Bayern ließen sich nicht beeindrucken, weder von den aufmüpfigen Bonnern noch von der Verletzung ihres Kapitäns, die Spielmacher Maodo Lo als "Schockmoment" bezeichnete. "Aber wir mussten uns danach schnell wieder auf das Spiel fokussieren." Für Barthel kam dann Derrick Williams aufs Parkett, der langjährige Profi aus der besten Basketballliga der Welt (NBA) lief nach zwei Spielen in der Euroleague erstmals in der Bundesliga auf und entzückte das Publikum mit einigen hübschen Körben und Aktionen. Noch erreicht er nicht seine Bestform, aber der 27-Jährige ließ mit seiner Sprungkraft, seiner Raffinesse und seiner Beweglichkeit erahnen, warum er 2017 mit den Cleveland Cavaliers im NBA-Finale mitspielen durfte. Am Ende sammelte er 20 Punkte und war damit gemeinsam mit Vladimir Lucic erfolgreichster Werfer seiner Mannschaft.

"In der zweiten Hälfte haben wir nicht so verteidigt, wie ich das erwarte", fand Radonjic in der Pressekonferenz. Der Cheftrainer wechselte angesichts des eng getakteten Terminkalenders viel, um vor dem Heimspiel am Donnerstag in der Euroleague gegen Baskonia Vitoria jedem Spieler ausreichend Spielzeit zu gewähren. Bonn war nach der Niederlage zuletzt in Barcelona ein willkommener Aufbaugegner, um sich weiter für die großen Aufgaben einzuspielen. Dann hoffentlich wieder mit Danilo Barthel.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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